Frankreich und Co.: Was hinter welcher Anerkennung Palästinas steckt

Mit der Anerkennung des palästinensischen Staates vor den Vereinten Nationen will sich Präsident Emmanuel Macron gegen die militärische Umgestaltung des Nahen Ostens durch Israel und seinen engsten Verbündeten Amerika aufbäumen. Er schreibt sich mit dieser Geste in eine französische Tradition ein. Im März 2003 war es Präsident Jacques Chirac, der sich mit einer Veto-Drohung gegen den amerikanischen Irak-Feldzug auflehnte. Schon damals lagen seiner Haltung Zweifel am Vorhaben des amerikanischen Präsidenten zugrunde, den Nahen und Mittleren Osten mit militärischen Mitteln umzugestalten.
Das tiefe Zerwürfnis mit den Vereinigten Staaten und Israel nimmt Macron ähnlich wie sein Vorgänger in Kauf. Er ist von seiner moralischen Pflicht überzeugt, vor den Folgen des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen und der geplanten Annexion des Westjordanlands zu warnen. Israels Sicherheit könne nicht garantiert werden, solange das Versprechen der Zwei-Staaten-Lösung nicht erfüllt werde. Die Vorstellung, nach einer Vertreibung der Palästinenser könne eine friedliche Riviera des Nahen Osten im Gazastreifen entstehen, hält Macron für illusorisch.
Wie begründet der britische Premierminister Starmer sein Einschwenken auf diesen Kurs?
Macrons Schritt zur Anerkennung Pälästinas brachte die britische Labour-Regierung in Zugzwang. Keir Starmer stand schon vor seinem Wahlsieg im Sommer 2024 unter Druck von muslimischen Labour-Wählern, die wegen seiner häufig bekundeten Unterstützung für Israel in beträchtlichen Mengen zu unabhängigen muslimischen Wahlkreiskandidaten abwanderten. Der britische Premierminister ließ sich dann einige Tage Zeit, um erstens die Gelegenheit zu Konsultationen mit US-Präsident Donald Trump zu nutzen, der sich im Juli einige Tage privat in Schottland aufhielt, und zweitens Bedingungen an Israel zu formulieren. Deren Erfüllung – etwa eine deutlich bessere humanitäre Versorgung im Gazastreifen – werde die britische Regierung davon abhalten, den Anerkennungsschritt nun zu vollziehen.
Die Frist zur Einlösung dieser Bedingungen lief am vergangenen Freitag aus. So sah Starmer sich gezwungen, zu handeln. Indem er seine Entscheidung am Wochenende mit Australien und Kanada koordinierte, vermied er überdies den Eindruck, jetzt bloß in einer Nachahmung Macrons zu handeln.
Was haben die Palästinenser davon?
Bemerkenswert an der Anerkennungswelle in diesen Tagen ist, dass es sich vor allem um Länder des „globalen Nordens“ handelt, die zudem bislang Partner Israels sind. An der bedrängten Lage der Palästinenser in ihrer Heimat ändert ihr Schritt indessen vorerst wenig, und auf internationaler Ebene können die USA beispielsweise weiter verhindern, dass Palästina als Vollmitglied in die UN aufgenommen wird.
Vertreter der Autonomiebehörde (PA) bemühen sich aber, hervorzuheben, dass die Anerkennung nicht nur symbolischen Wert habe. Er erwarte, dass die betreffenden Länder langfristig auch stärkere Maßnahmen gegen die Besatzung ergreifen würden, sagte der stellvertretende palästinensische Außenminister Omar Awadallah der F.A.Z.: „Israel wird erkennen, dass keine seiner Handlungen ohne Konsequenzen bleiben wird.“ Die PA dürfte sich aber auch eine Stärkung ihrer Position erhoffen, dass sie nach dem Ende des Gazakriegs die Regierung in dem Gebiet stellen sollte. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dies öffentlich wiederholt strikt zurückgewiesen.
Wie könnte Israel reagieren?
Die israelische Reaktion auf die Erklärungen Macrons, Starmers und anderer kann grundsätzlich zwei Stoßrichtungen haben: Vergeltungsmaßnahmen gegen die Länder, welche die Anerkennung vollzogen haben, und Vergeltungsmaßnahmen gegen die Palästinenser. So wird in Israel spekuliert, ob Benjamin Netanjahu das französische Generalkonsulat in Jerusalem schließen lässt – eine Einrichtung, die seit 1843 besteht. Das könnte aber auch negative Folgen für Israelis haben, etwa wenn Frankreich daraufhin konsularische Dienste einschränken sollte.
Diplomaten auszuweisen, gehört auch zu den Maßnahmen, die Israel in früheren Fällen schon getroffen hat. Am Sonntag teilte Netanjahu mit, er werde sein Treffen mit Donald Trump nach der UN-Generalversammlung abwarten, bevor er etwas unternimmt.
Eine zweite Möglichkeit sind gegen die Palästinenser gerichtete Maßnahmen. Der drastischste Schritt wäre, das Westjordanland zu annektieren. Denkbar wäre auch eine Teilannexion, etwa des Jordantals. Beides würde die Konfrontation zwischen Israel und der internationalen Gemeinschaft auf eine neue Stufe heben.
Source: faz.net