Tierwohl in dieser Politik: Stimmungsmache mit dem Tierschutz

Der Tierschutz kam 2002 auf einer Welle der Empörung ins Grundgesetz. Ein muslimischer Metzger hatte zuvor vor dem Bundesverfassungsgericht eine Schächterlaubnis zum betäubungslosen Schlachten erstritten. Ein gutes halbes Jahr später wurde der Tierschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen.
Zu einem emotionalen Spektakel geriet vor Kurzem auch die Berufung der neuen Tierschutzbeauftragten Silvia Breher. Der Schutz der Tiere sei ihr ein „Herzensanliegen“, beteuerte die CDU-Politikerin. Die Parlamentarische Staatssekretärin versuchte damit Angriffe zu parieren, sie sei aufgrund ihrer Vita und politischen Ämter eine Fehlbesetzung. Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) sprang ihr zur Seite: Breher sei eine „Kämpferin für den Tierschutz“. Das klang so, als spräche da der Anführer einer Tierrechtsbewegung, der ein neues Mitglied für das nächste Gefecht gegen die Fleischindustrie rekrutiert.
Tierschutzbeauftragte braucht politische Verbündete
Die Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung ist jedoch keine Aktivistin von Amts wegen. Die Ampelregierung hatte den Posten 2023 geschaffen, um den Tierschutz gemeinsam mit den Ländern und Vertretern unterschiedlicher Gruppen weiterzuentwickeln – nicht nur mit Tierschutzverbänden, sondern auch mit der Wissenschaft, Tierhaltern, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden. Wer den Posten übernimmt, braucht außerdem politische Verbündete in Regierung und Parlament, damit der staatliche Auftrag zum Tierschutz nicht unter die Räder gerät. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung Merz auf das Etikett der „unabhängigen“ Tierschutzbeauftragten verzichtet, welches die Ampelregierung ersonnen hatte.
Die Grünen hingegen versuchten die neue Tierschutzbeauftragte mit wüster Pöbelei zu diskreditieren. Breher komme „ausgerechnet aus Vechta, einem Zentrum der industriellen Tierhaltung“, kritisierte die Sprecherin für Tierschutzpolitik, Zoe Meyer. Für Menschen aus dem Oldenburger Münsterland gilt offenbar nicht, worauf die Grünen sonst gerne mit erhobenem Zeigefinger hinweisen: dass niemand wegen seiner Herkunft diskriminiert werden dürfe.
Ein staatliches Tierwohllabel ändert nichts
Auch der Sache selbst ist nicht gedient, wenn wieder mal der Eindruck erweckt wird, Großbetriebe und Tierschutz vertrügen sich nicht. Niemand bestreitet, dass Verbesserungen in der Nutztierhaltung wünschenswert und zum Teil auch notwendig sind. Doch dafür fehlt ein schlüssiges politisches Konzept. Eine verbindliche staatliche Kennzeichnung, wie Nutztiere gehalten werden, ist nicht zielführend. Die Bundesregierung sollte das entsprechende Gesetz aus Ampelzeiten nicht überarbeiten, sondern abschaffen. Für Tierhalter und Handel wäre damit Riesenaufwand verbunden, ohne dass sich für die allermeisten Nutztiere auf absehbare Zeit etwas ändern würde. Verbraucher, die das Tierwohl beim Fleischeinkauf berücksichtigen möchten, können das mithilfe der existierenden Label der Privatwirtschaft schon problemlos tun.
Umfragen zufolge ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Tieren den Bürgern wichtig – oft verhalten sie sich aber nicht entsprechend. Sonst brauchte es kein Verbot des anonymen Onlinehandels mit Heimtieren, wie es die Regierungsparteien planen. Dass ein solches Verbot große Wirkung entfaltet, etwa um den illegalen Handel mit Hundewelpen einzudämmen, ist zweifelhaft, solange es eine entsprechende Nachfrage gibt.
Tiere dienen als Spielkamerad für die Kinder, als Statussymbol, als Freizeit- und zunehmend auch als Lebenspartner. Doch nicht selten passiert es, dass das eigene Wohlbefinden mit dem des Haustiers verwechselt wird. Oft ist das harmlos. Wer seine Tierliebe bekunden will, indem er seinem Hund ein Halsband modisch passend zum eigenen Gürtel kauft, soll das getrost machen. Kritisch wird es, wenn Grundbedürfnisse der Haustierkameraden, etwa nach ausreichender Bewegung, nicht zu den Wünschen oder Kapazitäten der Besitzer passen.
Aber man darf nicht vergessen: Haustierbesitzer sind eine wichtige Wählergruppe. In 44 Prozent aller Haushalte lebt mindestens ein Haustier. Die neue Tierschutzbeauftragte will es sich mit niemandem verderben. Tierhalter, ob von Nutz- oder Heimtieren, gäben „alles für ihr Tier“, hob Breher zu ihrem Amtsantritt hervor. Nur: Braucht es dann überhaupt eine Bundestierschutzbeauftragte? Bislang hat der Posten so gut wie keine konkreten Fortschritte für den Tierschutz gebracht. Breher hat angekündigt, „wirklich etwas zu bewirken“. Dafür wird es nicht ausreichen, Tierschutz als Herzenssache zu plakatieren.