Knatsch zwischen Putin und Kim: „Nordkorea ist ziemlich verärgert obig Russland“

Die Bilder aus Peking dürften ganz nach Kim Jong-uns Geschmack gewesen sein. Seite an Seite mit Chinas Parteichef Xi Jinping und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin begutachtete er dort Anfang September Xis mächtige Militärparade – zurück auf der großen Weltbühne. Putin dankte ihm am Rande der Veranstaltung für den „mutigen Einsatz“ seiner Truppen in der Ukraine. Kim wiederum nannte weitere militärische Unterstützung für Russland seine „brüderliche Pflicht“.

Doch jenseits der schönen Bilder und Worte bringt die Waffenbruderschaft mit Moskau Nordkorea aus wirtschaftlicher Sicht bislang offenbar wenig. Zu diesem Schluss kommt die Forscherin Olena Guseinova von der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul in einer Studie, die sie für die Friedrich-Naumann-Stiftung in Südkorea erstellt hat.

Demnach hat Nordkorea den russischen Streitkräften für ihren Angriffskrieg auf die Ukraine bisher Waffen, Munition und Truppen im Wert von bis zu 9,8 Milliarden Dollar bereitgestellt. Das ist mehr als ein Drittel der geschätzten jährlichen Wirtschaftsleistung Nordkoreas. Der Gesamtwert der direkten russischen Gegenleistungen beläuft sich dagegen auf höchstens 1,2 Milliarden Dollar, wie Guseinova in ihrer Studie vorrechnet.

Putin schimpft über Kims Unzufriedenheit

Die Zahlen passen zu Meldungen, wonach der südkoreanische Geheimdienst zuletzt zunehmende Verstimmungen zwischen Kim und Putin festgestellt habe. So zitiert die südkoreanische Zeitung „Dong-A Ilbo“ aus einem internen Bericht für den Geheimdienstausschuss der Nationalversammlung: „Nordkorea ist ziemlich verärgert über Russland.“ Das Land habe Soldaten nach Russland geschickt und eine beträchtliche Menge an Waffen geliefert. Im Gegenzug habe es etwa Nahrungsmittel- und Waffenunterstützung, sowie den Transfer von strategischer, waffenbezogener Technologie oder andere wirtschaftliche Entschädigung erwartet.

Aber es scheine, dass Russland Nordkorea nicht ausreichend entschädigt habe. Kim habe sich darüber auch schon gegenüber Putin beschwert, so sei dem Ausschuss berichtet worden. Doch im Gegenzug habe Putin nur über Kim wegen dessen Unzufriedenheit geschimpft.

Guseinova hat für ihre Studie nun eine Reihe von Geheimdienstberichten, Dokumenten, Preisangaben zu früheren nordkoreanischen Waffenverkäufen, Medienberichte und russische Telegram-Kanäle ausgewertet. Sie listet recht detailliert auf, was Pjöngjang neben den geschätzt 15.000 entsandten Soldaten noch alles an die Front in der Ukraine geliefert habe: nämlich 5,7 bis 6,7 Millionen Artilleriegranaten, 1,05 bis 1,24 Millionen Mörsergranaten, 649.640 bis 878.300 Raketen für Mehrfachraketenwerfer, bis zu 248 ballistische Raketen vom Typ KN-23/24 sowie 479 bis 794 Geschütze und Werfer.

Im Gegenzug liefere Russland demnach vor allem Lebensmittel und Öl, sowie eine begrenzte Zahl an Luftabwehrsystemen, GPS-Störsendern und möglicherweise auch Kampfflugzeuge – entweder als neue Ausrüstung oder zur Modernisierung der vorhandenen Flotte. Darüber hinaus gibt es laut Guseinova aber keine Hinweise auf weitere nennenswerte Gegenleistungen wie etwa Devisenzuflüsse. Falls es Geldflüsse gebe, müssten diese über sanktionierte Banken laufen und könnten außerhalb des russischen Finanzsystem kaum genutzt werden.

„Nordkorea hat Russland in einem enormen Umfang militärisch unterstützt. Doch Moskau scheint sich nur langsam und begrenzt zu revanchieren“, schreibt Guseinova. Die aus der Ukraine stammende Politologin kommt zu dem Schluss: „Dahinter steckt möglicherweise Kalkül: Moskau hält Pjöngjang am Haken und kultiviert so eine wachsende Abhängigkeit.“

„Putin nutzt Nordkorea als Marionette“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament, geht noch etwas weiter und kommentiert die Studie mit den Worten: „Putin nutzt Nordkorea als Marionette, um seinen Einfluss auch im Indopazifik zu manifestieren.“ Nicht umsonst hätten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die Pazifikstaaten Neuseeland, Australien, Südkorea, Japan und Taiwan sofort begonnen, der Ukraine Unterstützung zukommen zu lassen. Die EU müsse eng mit diesen Ländern zusammenarbeitet. „Der Wunsch der NATO, in Japan ein NATO-Büro zu eröffnen, um die Lage im Indopazifik von dort aus zu beobachten, ist mehr als sinnvoll“, sagt Strack-Zimmermann weiter, und kritisiert, dass Frankreich dieses Ansinnen blockiere.

Nach Angaben des südkoreanischen Abgeordneten Park Seon-won, der im Geheimdienstausschuss sitzt, ist Kim Jong-un auch über die fehlende langfristige Perspektive der Partnerschaft mit Moskau enttäuscht. „Bei den Gesprächen zwischen Nordkorea und Russland hat der Vorsitzende Kim seinen Willen zum Ausdruck gebracht, das Bündnis zu verlängern, aber Präsident Putin sprach nicht über die Zukunft“, zitiert ihn die Zeitung „Dong-A Ilbo“.

So sei Nordkorea besorgt, dass die Unterstützung aus Russland schnell wieder vorbei sein könne, wenn der Krieg in der Ukraine einmal endet. Auch deshalb versuche Kim, die zuletzt etwas vernachlässigten wirtschaftlichen Beziehungen zu China wieder auszubauen.

Auch Guseinova nennt in ihrer Studie einige Beispiele dafür, dass Russland sich nicht als dauerhafter Partner Nordkoreas sehe. Hinweise darauf, dass Russland eine direkte Rolle in der technologischen Modernisierung Nordkoreas spiele, gebe es nicht. Hinter einigen Vorzeigeprojekten steckt nach Guseinovas Einschätzung mehr Schein als Sein: So trügen neue nordkoreanische Zerstörer zwar russische Waffen-Systeme und ähnelten äußerlich russischen Fregatten. Sie verfügten aber vermutlich weder über einsatzfähige Raketenplattformen noch über Motoren, heißt es in der Studie.

Auch das nordkoreanische Satellitenprogramm habe zwar im November 2023 einen erfolgreichen Start hinlegen können. Spätere Rückschläge wiesen aber darauf hin, dass keine dauerhafte technologische Partnerschaft mit Russland bestehe.

Frederic Spohr, Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, verweist darauf, dass sich trotz der umfangreichen Kooperation mit Russland die wirtschaftliche Lage Nordkoreas weiter verschlechtert habe. „Putin schmiedet weiter an seiner antiwestlichen Allianz. Doch in den Ländern, die mit Russland kooperieren, profitiert fast ausschließlich die dortige Elite. Die breite Bevölkerung dagegen leidet unter den undurchsichtigen Deals.“