Indischer Konzern Jindal: Thyssenkrupp erhält Angebot für jedes kriselnde Stahlsparte

Für die notorisch defizitäre Stahlsparte von Thyssenkrupp gibt es einen Kaufinteressenten aus Indien, dessen Offerte allerdings noch in einem frühen Stadium ist. „Die Thyssenkrupp AG hat ein unverbindliches, indikatives Angebot von Jindal Steel International für den Kauf von Thyssenkrupp Steel Europe erhalten“, teilte der in Essen ansässige Industriekonzern am Dienstagmittag überraschend mit. „Der Vorstand der Thyssenkrupp AG wird dieses Angebot – insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, die Fortführung der grünen Transformation sowie die Beschäftigung an unseren Stahl-Standorten – intensiv prüfen.“ Das Angebot gelte für alle Anteile von Thyssenkrupp Steel, sagte ein Sprecher.

Die Offerte der Inder kommt zum jetzigen Zeitpunkt unerwartet. Eigentlich ist es der Plan von Konzernchef Miguel López, Thyssenkrupp Steel – derzeit Deutschlands größter Stahlhersteller – in ein jeweils hälftiges Joint Venture mit der Holding EP des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky zu führen. Kretinsky hält momentan 20 Prozent an Thyssenkrupp Steel; die Hoffnung war zuletzt, dass er künftig weitere 30 Prozent zukauft.

Der Thyssenkrupp-Mutterkonzern will schon seit Langem eine Lösung für die kränkelnde Stahlsparte finden, tut sich aber schwer damit, sie loszuwerden. Der Hersteller ist unter Druck wegen eines Überangebots an Stahl auf dem Weltmarkt, einer schwächelnden Konjunktur, die wichtige Abnehmerindustrien wie die Autobranche stark betrifft und wegen des Drucks zur grünen Transformation. Als Gegenmaßnahme plant Thyssenkrupp Steel einen Hochofen zu schließen und die Produktionskapazitäten zu verringern – von 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen. Ein weiterer Hochofen soll durch eine mit Staatsmilliarden subventionierte Grünstahlanlage ersetzt werden. Im Zuge der Sanierung sollen 11.000 Stellen abgebaut oder ausgegliedert werden.

Aktienkurs klettert in die Höhe

Danach gefragt, was das Angebot für die weitere Strategie des Thyssenkrupp-Konzerns bedeute, der nach und nach sämtliche seiner Tochterunternehmen ausgliedern und verselbständigen möchte, sagte ein Sprecher, der Konzern mache zunächst einmal damit weiter, die Stahlsparte wettbewerbsfähiger aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen. Dies seien die „von innen“ beeinflussbaren Faktoren, für die Bewertung neuer, äußerer Faktoren sei es noch zu früh.

Nach der Veröffentlichung des unverbindlichen Kaufangebots der Inder stieg der Aktienkurs von Thyssenkrupp und lag am frühen Nachmittag mehr als sieben Prozent im Plus.

Jindal Steel ist nach eigenen Angaben ein Mischkonzern, der international agiert und neben Stahl in den Bereichen Bergbau, Infrastruktur und Energie tätig ist. Er gehört zu Indiens größten Stahlunternehmen.

IG Metall äußert sich aufgeschlossen

Arbeitnehmervertreter in Deutschland äußerten sich in einer ersten Reaktion aufgeschlossen zu dem Übernahmeangebot. „Dass ein wachstumsorientierter Stahlkonzern wie Jindal Steel International als strategischer Investor bei Thyssenkrupp Steel einsteigen will, ist grundsätzlich eine gute Nachricht für unsere Beschäftigten“, sagte Jürgen Kerner, der zweite Vorsitzende der IG Metall, der zugleich stellvertretender Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp ist.

Jindal Steel verfüge über einen eigenen Zugang zu Rohstoffen und Know-how in der grünen Transformation. „Jetzt kommt es darauf an, zügig in substanzielle Gespräche einzusteigen, um möglichst schnell Klarheit über die wichtigsten offenen Fragen zu erlangen“, sagte Kerner weiter. „Die Arbeitnehmerseite ist bereit, sich konstruktiv an dem Prozess zu beteiligen.“