Art Week in Berlin: Eine Hochzeit im Bahnhof
Und als Adam und Eva aus dem Garten Eden vertrieben wurden, gingen sie in den Kosovo. So ist es gewesen, so wird es seit Ewigkeiten berichtet. Den kosovarischen Staat gab es damals noch nicht, aber auf dessen heutigem Gebiet liegt das Dorf Syrigana, Tausende Jahre alt. Dort erzählt man sich, dass Adam und Eva sich für ebendieses Dorf entschieden, weil damals schon Menschen darin lebten. Und weil diese sympathischen Menschen dem Paar ein Hochzeitsfest ausrichteten. Das Schönste daran: Jetzt, pünktlich zur eben gestarteten Berlin Art Week, kann man die Hochzeit im Museum Hamburger Bahnhof noch einmal mitfeiern. Der Künstler Petrit Halilaj – er stammt aus einem Nachbarort Syriganas, auch er ist sympathisch – hat das organisiert und führt mich durch seine Ausstellung.
Eine eigene Oper hat Halilaj über die Sage von Adam und Eva in Syrigana geschrieben und sie im Juni zuerst unter freiem Himmel im Kosovo aufgeführt, auf einem Felsen über dem Dorf, um sie jetzt in das Berliner Museum zu transportieren. Man sitzt oder liegt dort auf kosovarischen Teppichen und schaut mit Halilaj auf eine große aufgehende Kunstsonne. Es gibt einen Baum der Erkenntnis, der eine Birne trägt, Halilaj hat auch eine große, bunte Schlange geschaffen. Wachsfiguren vertreten hier in Berlin die Sängerinnen und Sänger, aus Lautsprechern hören wir den im Kosovo aufgezeichneten Gesang der Sopranistinnen. Sie erzählen, wie Adam und Eva in einem Hubschrauber der KFor-Truppe nach Syrigana gelangen. Nicht immer singen sie in Wörtern, oft zwitschern sie sich in einer Vogelsprache zu: „Tschii-Witt-Witt! Trrr-ka-ka? Tschiieh-wiieht!“
Petrit Halilaj liebt Vögel, bei seinen Auftritten verkleidet er sich oft selbst als einer. Und Eva und Adam sehen bei ihm nicht wie auf einem Cranach-Gemälde aus, sie tragen weiße Herrenanzüge, der eine hat eine Fuchsmaske auf dem Kopf, der andere ist ein Hahn. Die Oper ist ein surrealer Traum mit neuen Verlockungen und Verwerfungen, aber am Ende gibt es ein Happy End für das scheinbar ungleiche Paar, den Fuchs und den Hahn. Manchmal kann das Erzählen das Leben verändern. Oder zumindest die Genesis.
Im Metropolitan Museum in New York und auf der Biennale in Venedig hat der große Geschichtenerzähler Halilaj seine Kunst bereits gezeigt. Er liebt das Spiel mit seiner Herkunft, mit den Identitäten. 1986 wurde er im damaligen Jugoslawien geboren, als 13-Jähriger musste er mit seiner Familie vor den Kugeln und Granaten der Serben fliehen, in Italien studierte er später Kunst.
Seit Jahren hat er auch in Berlin ein Zuhause und ein Atelier, doch immer wieder kehrt er in seinen Heimatort zurück, hilft dort beim Wiederaufbau eines Kulturpalasts. Und träumt von einem Land, in dem dauerhaft Frieden herrscht. Ohne die Nato-Truppen an der Grenze zu Serbien, da ist sich Halilaj sicher, gäbe es in wenigen Tagen wieder Krieg.
Das Bühnenbild für seine Oper war kurz vor der Premiere im Kosovo von unbekannten Brandstiftern abgefackelt worden. Halilaj hat den Schaden nicht ausgestellt, sondern ihn schnell repariert. Zur Premiere kamen dann nicht nur albanische Kosovaren, sondern auch Serben. Als Künstler könne man – anders als die Regierenden – spekulativ agieren, sagt Halilaj, verrückt anmutende Vorschläge machen, Dinge lostreten. Man muss nur weiter träumen.