Machtkampf um die Fed: Trump und die zerbröselnden Festungen

Derzeit ist viel die Rede von einer Bedrohung einer regelbasierten Ordnung, weil Trump neben der Unabhängigkeit der Geldpolitik auch die tradierte Welthandelsordnung in Trümmer legt. Das ist mit Blick auf die Geldpolitik und die Welthandelsordnung richtig, aber in einer wichtigen anderen wichtigen Disziplin, der Finanzpolitik, existiert schon lange das Gegenteil einer Regelbindung in vielen westlichen Staaten.

Der China-Schock wurde in den Vereinigten Staaten zum geflügelten Wort

Denn nicht nur in den Vereinigten Staaten ist die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahrzehnten geradezu explodiert. Bevor der Euro geschaffen wurde, gaben sich die Mitglieder der Währungsunion mit den Maastricht-Kriterien Regeln, mit denen die Finanzpolitik eingehegt werden sollte. Als schon wenige Jahre nach der Gründung der Währungsunion mit Deutschland und Frankreich die beiden größten Mitglieder aus politischem Opportunismus gegen die ­Regeln verstießen, war es um die finanzpolitische Disziplin in der Eurozone geschehen.

Die Staaten gaben viel Geld für die Bekämpfung unmittelbarer Krisen aus (was zumindest in gewissen Grenzen zulässig erschien), vor allem aber finanzierten sie Wohlfahrtsstaaten, die sich aus einem trend­mäßig nachlassenden Wirtschaftswachstum eigentlich nicht mehr bezahlen ließen. Während die Staaten viel Geld an Wähler verteilten, litten Infrastruktur und Bildung. Und auch die Globalisierung, die Milliarden Menschen aus größter Armut entfliehen ließ, erwies sich im Westen als janusköpfig, weil sie mit der Suche nach neuen Arbeitsplätzen häufig überforderte Verlierer aus Industrien hinterließ, die in billige Länder abwanderten.

Der China-Schock wurde vor allem in den Vereinigten Staaten zum geflügelten Wort. Ein der Marktwirtschaft grundsätzlich zugeneigter Ökonom sagte einmal: Die Globalisierung brachte den Chinesen viele Millionen neue Arbeitsplätze und den Amerikanern vor allem hoch bewertete Aktien von Technologieunternehmen. Aus der Sicht der wachsenden Zahl der Kritiker der Globalisierung galt die Welthandelsorganisation nicht als Garant einer schützenswerten Ordnung, sondern als Symbol dessen, was in der Globalisierung falsch lief.

Mächtige Veränderer wie Trump, die mit Wucht gegen ein Ancien Régime anrennen, wirken wie Überwinder einer früheren Ordnung. Doch könnte es sich lohnen, mit weniger Betroffenheit auf eine Kraftexplosion zu reagieren, deren Dauerhaftigkeit abzuwarten bleibt. Menschen wie Trump sind vor allem Veränderer einer alten Welt, aber keine Baumeister einer neuen. Elemente der alten Welt können am Ende des aktuellen Durcheinanders durchaus überleben.

Der Westen wird künftig nicht mehr so sein, wie er einmal war, aber für eine kategorische Absage an die Idee eines Westens ist es viel zu früh. Die Vereinigten Staaten könnten, trotz aller Veränderungen, die sie derzeit in ihrem Inneren erleben, an dieser Idee aus geopolitischen Gründen festhalten. Die Globalisierung wird künftig nicht mehr so sein, wie sie einmal war, aber eine kategorische Absage an die Idee der Globalisierung käme ebenfalls viel zu früh. Es spricht viel dafür, dass sich David Ricardos alte Idee von der Vorteilhaftigkeit des Tauschs in der Zeit als stärker erweist als Trumps schädlicher Zollfuror.

Auch das Ende der Geschichte unabhängiger Zentralbanken ist noch nicht geschrieben. Eingriffe gab es schon früher, ohne dass gleich das Ende der Welt ausgerufen wurde. So erinnert der Ökonom Hanno Lustig daran, wie im Koreakrieg Präsident Harry Truman die Führung der Federal Reserve ins Weiße Haus zitierte, um niedrigere Zinsen zu verlangen.

Auch in Deutschland gab es Einflussversuche, etwa durch Konrad Adenauers Gürzenich-Rede. Die Zentralbanken werden, trotz aller Empörung über das Weiße Haus, wieder lernen müssen, dass sie nicht den Status unantastbarer Weiser genießen.