Taktisches Wählen: Probleme mit dieser Stimme?
Ich will gar nicht lang stören. Es ist nur so, dass mich in letzter Zeit Menschen fragen, was ich wählen werde, und dann erkläre ich ihnen den Gedankengang hinter meiner Wahlentscheidung, und dann sagen sie: „So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht.“ Manche sagen sogar: „Du hast mich überzeugt.“ Das heißt nicht, dass sie am Ende das Gleiche wählen wie ich, im Gegenteil. Aber sie wollen sich auf Basis ähnlicher Überlegungen entscheiden.
Diese Überlegungen gehen so: In Deutschland sind knapp 60 Millionen Menschen wahlberechtigt, von denen in der Regel 70 bis 80 Prozent tatsächlich wählen. Meine Stimme ist also eine unter gut 45 Millionen. Wenn ich meine Stimme einer Partei gebe, die in den Prognosen bei über zehn Prozent steht (CDU, SPD, Grüne, AfD), dann macht das sehr wenig Unterschied. Unabhängig davon, was ich wähle, nehme ich an, dass der nächste Kanzler von der CDU gestellt wird. Das steht natürlich nicht fest – Umfragen sind keine Wahlergebnisse –, aber anders als in den USA konnte man sich in Deutschland meist gut an Umfragen orientieren. Vertraut man ihnen also, wird die CDU koalieren müssen. Wahrscheinlich mit der SPD (durchschnittliche Prognose laut ZEIT ONLINE: 15,4 Prozent) oder den Grünen (13,4). Vielleicht auch mit beiden. Da die anderen großen Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen, wird die AfD, unabhängig davon, was ich wähle, wohl nicht mitregieren. Daran kann ich mit meiner Stimme wenig ändern, weil es in Wahrheit ziemlich egal ist, ob die CDU 29,9 oder 30,1 Prozent hat. Und wenn es mir nicht unfassbar wichtig ist, ob die CDU mit SPD oder Grünen koaliert, macht es wenig Unterschied, ob die SPD oder die Grünen ein Prozentchen mehr oder weniger bekommen.