Jesus mit Kufiya: Papst Franziskus modernisiert den katholischen Judenhass


Papst Franziskus vor der fragwürdigen Krippe

Foto: Andreas Solaro/AFP/Getty Images


Papst Franziskus betet vor einer Krippe, die eine Jesusfigur auf einer Kufiya zeigt. Dass Jesus Palästinenser gewesen sei, ist ein populärer Mythos. Doch woher kommt er? Und warum unterstützt die katholische Kirche ihn?

Vielleicht hat der 87-jährige Papst Franziskus inzwischen Schwierigkeiten, den Kopf weit in den Nacken zu legen. Zugegeben, das ist etwas gehässig, aber wie ist sonst zu erklären, dass er offenbar übersieht, was da hängt in seinen katholischen Kirchen – ein Kreuz, daran Jesus und darüber die Inschrift: INRI. Das sollen die Römer bei der Kreuzigung Jesu zum Spott geschrieben haben: Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum, das heißt: Jesus von Nazareth, König der Juden.

Franziskus hätte das im Johannesevangelium nachschlagen können, bevor er sich Anfang der Woche vor einer Krippe ablichten ließ, die eine Jesusfigur gebettet auf eine Kufiya zeigt. Organisiert von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), vermittelt die Szenerie eine eindeutige Botschaft: Jesus war Palästinenser.

Ein populärer Mythos, der zuletzt auch im November die Runde machte, als Aufrufe kursierten, den Netflix-Film Mary zu boykottieren, weil Jesu Eltern darin von israelischen Juden gespielt werden. Marias und Josephs „palästinensische Identität“ werde dadurch ausgelöscht.

Jesus war Palästinenser? Mitnichten, er war Jude

Historisch ist das vollkommen unhaltbar. Jesus war kein Palästinenser, er war nicht einmal Christ: Er war Jude. Genau wie seine ersten Anhänger. Erst rund 100 Jahre nach seinem Tod entstand aus dieser jüdischen Sekte eine distinkte Religion, die als Christentum verstanden werden kann.

Und die Palästinenser? Nun, die Römer nannten jene Gegend „Palestina“, die zuvor als Judäa bekannt war – um so die jüdische Verbindung zum Land zu tilgen. Zur Zeit des britischen Mandatsgebiets bezog sich die Bezeichnung „Palästinenser“ auf alle Einwohner. Die Araber, die im 7. Jahrhundert als Invasoren und Kolonisatoren in die Gegend einfielen, hießen bis ins 20. Jahrhundert genau so: Araber.

Noch in der UN-Teilungsresolution von 1947 ist von einem „jüdischen“ und einem „arabischen“ Staat die Rede – nicht von einem „palästinensischen“. Erst ab den 1960ern begannen die Araber, die im ehemaligen Mandatsgebiet lebten oder aus diesem stammten, sich Palästinenser zu nennen.

Papst Franziskus knüpft an die katholische Mythe vom Christusmord an

Die Behauptung, Jesus habe einer fast 2.000 Jahre nach seinem Tod entstandenen Nation angehört, ist also nicht nur kontrafaktisch, sondern auch unverblümt antisemitisch. Und da kommt der Papst wieder ins Spiel. Fragte man im Stile einer alten Bonbon-Werbung in Bezug auf den Judenhass: „Wer hat’s erfunden?“, lautete die Antwort: Die Kirche.

Weil die eigenen Texte Jesus unmissverständlich als Juden erkennbar machen, verwendete man viel intellektuelle Energie darauf, Jesus von seinem Judentum abzulösen. Der wichtigste Kniff dabei war der Vorwurf des Christusmordes, der Prototyp aller antijüdischen Mythen.

Durch die Identifikation Jesu mit den Palästinensern, verbunden mit der einseitigen Parteinahme im Krieg zwischen Israel und der Hamas, bestätigt der Papst eine moderne Version dieses uralten Judenhasses: Wenn Jesus Palästinenser ist und Israel einseitig für den Tod der Palästinenser verantwortlich gemacht wird, wiederholt sich in den Bomben auf Gaza der Christusmord.

Nach der Shoa hat die katholische Kirche viel für die Verbesserung ihres Verhältnisses zu den Juden getan, etwa durch Veränderungen der Karfreitagsfürbitte für die Juden. Papst Benedikt XVI. sorgte dabei einst mit einem Rollback für Empörung. Sein Nachfolger Franziskus modernisiert den katholischen Antijudaismus im progressiven Gewand. Damit passt er genauso gut zu seinen progressiven Befürwortern wie in die katholische Tradition.