Iran | Stürzen nachher dem Ende jener Assad-Diktatur kommend gleichermaßen die Mullahs in Teheran?

Das Engagement in Syrien war in der iranischen Bevölkerung alles andere als populär. Der nunmehr erzwungene Rückzug ist für die Regierung in Teheran alles andere als wünschenswert und setzt sie innenpolitisch unter Druck


Teheran im Februar 2019: Bashar Al-Assad trifft Ali Khamenei

Foto: Picture Alliance/Abaca



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Mit dem Umsturz in Damaskus verliert das Mullah-Regime seinen einzigen staatlichen Verbündeten im Nahen Osten. Und zudem einen wichtigen Anker in der Region. Ohne Baschar al-Assad und ohne die geschwächte Hisbollah hat die von Iran geschmiedete anti-israelische „Achse des Widerstandes“ einen Bruch erfahren, der so schnell nicht wieder zu beheben sein wird. Wenn Teheran denn überhaupt in der Lage sein sollte, sich davon zu erholen. Danach sieht es im Augenblick zumindest eher nicht aus.

Im Gegenteil. Die politische Jahresbilanz stellt sich aus Sicht der iranischen Machthaber durchaus dramatisch dar: Im April bombardiert Israel die iranische Botschaft in Damaskus, es sterben Kommandeure der Revolutionsgarden. Im Mai kommen Präsident Ebrahim Raisi und sein Außenminister bei einem nie ganz aufgeklärten Hubschrauberabsturz nahe der türkischen Grenze ums Leben. Im Oktober verlieren die iranischen Streitkräfte nach einem militärischen Schlagabtausch mit Israel praktisch ihre komplette Luftabwehr, und im Libanon wird die Führungsebene der verbündeten Hisbollah durch in Pagern verborgene Sprengladungen und Luftschläge exekutiert. Im Dezember schließlich erobern sunnitische Milizen Damaskus und beenden damit die 14-jährige iranische Militärpräsenz in Syrien. Über 7.000 Kämpfer der Revolutionsgarden sind in dieser Zeit dort gefallen. Großformatige Bilder dieser „Märtyrer“ gehören seit Jahren im Iran landesweit zum festen Bestandteil der offiziellen Propaganda.

Finanziell soll das Engagement in Syrien den iranischen Staatshaushalt über 30 Milliarden Euro gekostet haben. Auch wenn die Zahlen nicht verifizierbar sind, unterstreichen sie, warum das Syrien-Abenteuer in der iranischen Bevölkerung alles andere als populär war. Kein Wunder also, wenn jetzt in den sozialen Medien ungeachtet aller staatlichen Eingriffe, Zensur und Kontrolle darüber spekuliert wird, ob mit und nach Assad auch das Mullah-Regime fallen wird. Derartige Hoffnungen und Vermutungen flammen seit Jahren immer wieder auf, genährt und befeuert durch soziale Unruhen und mutige öffentliche Proteste wie jene gegen die skandalöse Diskriminierung von Frauen im Iran nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Gewahrsam der Sittenpolizei vor mehr als zwei Jahren.

Iran unter Druck: Militärische Niederlage und die unsichere Machtzukunft

Tatsächlich kommt die Niederlage in Syrien für die theokratische Elite Irans zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nicht nur, weil man militärisch geschwächt und regionalpolitisch zurechtgestutzt ist. Sondern auch, weil die inneren Machtverhältnisse fragil erscheinen.

Das politische System der Islamischen Republik fußt auf dem theokratischen Axiom der uneingeschränkten Herrschaft eines schiitischen Rechtsgelehrten, der als Revolutionsführer in allen weltlichen und geistlichen Fragen die letzte irdische Instanz darstellt. In dieser Funktion lenkt der 85-jährige, inzwischen kranke Ayatollah Ali Chamenei seit 1989 die Geschicke der Islamischen Republik. Im Unterschied zu seinem Vorgänger, dem Revolutionsführer Ayatollah Musawi Khomeini, blieb er in dieser Rolle politisch und theologisch immer umstritten. Als Nachfolger soll sein Sohn, Modschtaba Chamenei, in den Startlöchern stehen.

Eine solche Erbfolge hätte schon unter normalen Umständen erhebliche Sprengkraft. Der Iran würde dadurch zu einer quasi dynastischen Theokratie mutieren und käme damit theologisch unter den Druck relevanter Teile der schiitischen Geistlichkeit. Gleichzeitig stünden die republikanischen Wurzeln der Islamischen Revolution von 1979 endgültig zur Disposition. Im Licht des militärischen und politischen Fiaskos in Syrien könnte das Mullah-Regime so tatsächlich sehr bald vor der Systemfrage stehen. Auf jeden Fall hat man die Gefahr erkannt. Davon zeugen hektische Signale aus dem Parlament, das nach innen eine Verschärfung der Kopftuchbestimmungen überraschend gestrichen hat und nach außen mit der Eskalation des iranischen Atomprogramms droht. Dass Teheran vor einem Regimesturz wie in Damaskus steht, ist dennoch unwahrscheinlich. Gerüchte über einen Militärputsch halten sich in der iranischen Hauptstadt hingegen seit Langem durchaus hartnäckig.