Multilabel-Retail: Brokelmann und Albrecht darüber hinaus die prägenden Themen des Retails

Vorsichtiger Optimismus: Der Multi-Label-Handel wird wachsen, wenn auch moderat.

Zwei Köpfe, zwei Verbundgruppen – viele hundert Händler, etliche Markenpartner. Knut Brokelmann, Vorstandsmitglied der Katag, und Xaver Albrecht, Mitinhaber der Unitex, über ihr Segment, den Multilabel-Markt, über aktuelle Fragen und künftige Chancen.

Knut Brokelmann ist Mitglied im Vorstand der Katag AG. Er ärgert sich über unnötige Rabattschlachten. Und sieht lokal verankerte Einzelhäuser à la longue im Vorteil – da sei mehr Dringlichkeit pro Quadratmeter.

Umsatzentwicklung

Die gute Nachricht: Unsere Händler schließen 2024 im Schnitt mit einem Plus ab. Allerdings nur mit knapp einem Prozent plus im Vergleich zum Vorjahr, das ist real natürlich ein Rückgang. Aber angesichts der politischen Rahmenbedingungen, sowohl global als auch bei uns im Land, ist dieses Ergebnis dennoch akzeptabel. Dass auf der anderen Seite deutlich erhöhte Kosten stehen, ist, glaube ich, keine große Überraschung.

Margenentwicklung

In den vergangenen beiden Jahren meinte der ein oder andere Lieferant, gerade in Zeiten von Nullzinspolitik an das Thema Skonto gehen zu müssen. Und da wurde sehr schnell klar: Wenn das wegfällt, frisst das das Ergebnis vieler Händler komplett auf. So eng ist das Thema mittlerweile. Sprich: Ein Ebit zwischen 0% und 4% ist normal. Deshalb müssen beide Seiten, also Industrie und Handel, Kosten reduzieren. Dafür müssen tatsächlich beide Seiten einander verstehen, und das versuchen wir über unsere Plattformen und über unseren Austausch zu erreichen. Die Industrie hat einen riesigen Kostenblock, allein durch die Showroom-Netzwerke, die Musterteile, die Außendiensttruppen mit ihren Flotten und so weiter. Und beim Handel genauso. Deren Einkaufstrupps sind wiederum mit ihren Flotten zu diesen Showrooms unterwegs. Alles Kosten, die ein Vertikaler nicht hat. Und gleichzeitig muss der nicht befürchten, dass seine Produkte morgen irgendwo zum halben Preis verkauft werden.

Rabattschlachten

Was uns große Sorgen bereitet, sind die Preisschlachten, die eigentlich gar nicht notwendig sind. Wir haben jetzt kein außergewöhnliches Wetter gehabt in diesem Jahr. Und eigentlich ist jetzt die Zeit, zum vollen Preis Dinge zu verkaufen. Und trotzdem gibt es vermeintlich starke Marken, die jetzt online ihre Outerwear mit 30 und 40% Rabatt verkaufen, oder große Filialisten, die unter Druck stehen und 33% zum Singles Day geben, wie soll das gehen? So schaffen wir uns selbst ab. Die allermeisten Katag-Händler machen einen tollen Job, veranstalten Events, laden die Kunden ein, sorgen für Frequenz. Aber das Marktgeschehen ist nicht immer auf unserer Seite.

Markenmacht

Marken sind nicht mehr bedingungslos gesetzt. Wer nicht performt, fliegt raus. Das gilt heute mehr als vor drei, vier Jahren. Wenn andere einen besseren Job machen, on time liefern und das Geschäft nicht über ihre eigenen Kanäle torpedieren, dann kriegen die diese Fläche. Natürlich braucht ein gutes Modehaus Marken mit Strahlkraft. Da müssen wir uns nichts vormachen. Aber die Anteiligkeit wird überdacht. Denn es braucht auch Ware, die es nicht online irgendwo zum halben Preis gibt oder beim Nachbarn schon 30% reduziert ist. Einkaufsverbände mit attraktivem Eigenmarkenangebot können hier zumindest Teil der Lösung sein.

Potenziale

Das größte Potenzial unserer Händler sehe ich bei der Darstellung der Flächen. Ich bin immer ein bisschen neidisch, wenn sehe, wie geschmackvoll und schön die Flächen bei Massimo Dutti aussehen. Was das Look&Feel angeht, ist bei uns noch Luft nach oben.

Blick auf 2025

Die meisten unserer Händler planen für nächstes Jahr zumindest einmal eine schwarze Zahl. Das kann eine Null sein oder eine Zehn, aber zumindest geht kaum einer von großen Rückschritten aus. Die Neuwahlen sorgen aktuell für ein wenig Fantasie, gleichzeitig gibt es ein bisschen Unsicherheit durch die Situation in den USA. Aber in Summe herrscht ein vorsichtiger Optimismus. Und das ist erst einmal ganz gut.

Perspektiven

Banken haben immer weniger Fantasie, was das Geschäftsmodell des stationären MultiLabel-Handels angeht. Viele unserer Händler sind durchaus vernünftig aufgestellt, häufig in eigenen Immobilien. Und trotzdem haben auch wir ein paar Sorgenkinder im Portfolio. Daneben gibt es ein paar weitere, wo es aus anderen Gründen nicht weitergeht, etwa weil es keine Nachfolge gibt. Zwei, drei solcher Geschäfte werden von anderen Händlern übernommen. Deshalb wird es nicht mehr Händler geben, aber hoffentlich nicht deutlich weniger Häuser. Wir glauben weiter an die Platzhirsche, erfolgreiche Unternehmer mit einem oder einigen wenigen Häusern. Im Vergleich zu großen Filialisten sind sie oft agiler, ich nenne das immer Dringlichkeit pro Quadratmeter. Also, da ist der Unternehmer im Haus und kein angestellter Manager. Da ist Herzblut drin und auch eine Vernetzung mit dem lokalen Marktplatz. Diese Händler sind schon echt stark, prägen oft die Innenstadt und werden auch in Zukunft eine echte Rolle spielen.

Xaver Albrecht ist Mitinhaber der Unitex. Er appelliert an digitale Fähigkeiten. Meint damit aber nicht den E-Commerce.

Umsatzentwicklung

Aufgelaufen bis zur Black Week sind unsere Händler beim Umsatz ungefähr auf Vorjahr. Inflationsbereinigt ist das dann aber eben kein Pari mehr. Gleichzeitig steigen die Kosten weiter, wenn auch nicht mehr ganz so stark.

Kostenblöcke

Bei dem wichtigen Kostenfaktor Miete habe ich den Eindruck, dass Vermieter unserer Branche etwas mehr Verständnis entgegenbringen. So ganz allmählich. Was Mietzins angeht, Mietrendite, aber auch Bewertung von Immobilien. Eine größere Herausforderung ist das Thema Personal. Ich glaube, das wird sich in der zweiten Jahreshälfte wieder etwas entspannen, wenn wieder mehr Menschen die Vorteile unserer Branche als Arbeitgeber wertzuschätzen wissen.

Partnerschaft

Ohne Kooperation geht es nicht mehr. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Lieferanten grundsätzlich nicht mit Verbundgruppen zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Ab dem 1. Januar 2025 muss jedes Unternehmen E-Rechnungen empfangen und archivieren können. Das stellt Einzelhändler jeder Größenordnung vor Herausforderungen, die nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun haben. Das heißt, der Bürokratieaufwand steigt immens, und es ist einfach betriebswirtschaftlich katastrophal, weil man sich nicht um sein Kerngeschäft kümmern kann. Lieferanten, die mit gar keiner Verbundgruppe arbeiten, lassen ihre Kunden im Regen stehen mit dieser Herausforderung. Das ist für mich keine gelebte Partnerschaft.

Modell Zara

Ich bin ein großer Freund von Transparenz. Wir haben ein Tool entwickelt, das jetzt schon die Daten von 500 POS unserer Mitglieder erfasst und damit über 1,3 Mrd. Euro Umsatz. Über dieses Mehr an Transparenz, das unsere Mitglieder und Lieferantenpartner über dieses Mehr an Daten bekommen, können sie gemeinsam an der Rentabilitätsschraube drehen. Auf der anderen Seite ist es eine richtige Entwicklung, mehr in die Flächenbewirtschaftung zu gehen. Aber wir sind schlussendlich doch noch im Multilabel-Handel unterwegs, und da ist es schon wichtig, die Hoheit über die Gestaltung der Fläche zu behalten. Und deshalb kann es in diesem Geschäft kein hundertprozentiges Zara-Modell geben. Aber über die Kombination von Transparenz in den Daten und Management vor Ort mit Kundennähe und Kundenverständnis kommen wir dem Modell zumindest näher. Dafür brauchst du dann aber die aktuellsten Systeme. Du musst eben nicht mehr nur wochengenau, sondern minutengenau deine Bestände abhaken können und deine Abverkaufsinformationen im System haben. Diese Digital Readiness ist ausbaufähig. Das gilt nicht nur für die kleineren, sondern überraschenderweise mehr sogar für die mittleren und größeren Handelsunternehmen.

Trading-up

Im Kreis der Unitex-Mitglieder war der Trend zum Trading-up nie ganz so ausgeprägt. Das war eher ein Thema für das eine oder andere große Haus. Der mittelständische Modehandel, das ist der Großteil unserer Mitglieder, sitzt nicht in Frankfurt auf der Zeil, sondern in Mittelzentren mit 40.000 bis 200.000 Einwohnern. Da gab es wenig Trading-up. Dabei hat der Mainstream weiterhin eine absolute Daseinsberechtigung. Durch die Verschiebungen auf Industrieseite haben sich Chancen für den einen oder anderen Player ergeben. Das führt wieder zu mehr Wettbewerb, was grundsätzlich zum Wohle aller ist, also zum Wohle der Händler und zum Wohle der Kunden und damit auch zum Wohle der Industrie. Und von daher ist das generell erst mal eine gute Entwicklung.

Konsolidierung

Die Branche wird nicht unbedingt größer, das wissen wir natürlich. Die Anzahl der Player schrumpft. Aber Standorte oder Unternehmen, die wirtschaftlich sinnvoll und rentabel geführt werden können und auch wurden, werden auch weiter geführt werden in den allermeisten Fällen, weil es doch noch willige, motivierte Leute im Handel gibt. Dann eben nicht als Stand-alone-Unternehmen, sondern als weitere Filiale. Dass Geschäfte allein mangels wirtschaftlicher Rentabilität aufgegeben werden, gibt es natürlich immer, und das macht ja auch Sinn. Aber das ist kein Trend, der zunimmt. Allerdings wird das Thema altersbedingter Nachfolge immer wichtiger.

Digitalisierung

Es gibt einen sehr starken Trend, sich auf seine Kompetenzen zu fokussieren. Und einen sehr, sehr starken Trend weg von online, weg von den Plattformen und weg vom eigenen Online-Geschäft. Denn das muss man sich leisten wollen und auch können. Natürlich wird Digitalisierung immer wichtiger, aber damit meine ich vor allem Prozessoptimierung.