Amtsenthebung von Yoon Suk-Yeol schwierig: Zu wenig Stimmen, zu wenig Richter
Nach der Chaosnacht in Südkorea beginnt nun die innerpolitische Aufarbeitung. Die Opposition hat ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Die meisten Südkoreaner:innen sind dafür. Es gibt aber noch einige Hürden zu überwinden
Für die Absetzung des Präsidenten ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich, die die Opposition nicht hat, sowie die Zustimmung eines Verfassungsgerichts, das möglicherweise nicht über genügend Richter verfügt.
Südkoreas Oppositionsparteien haben ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten Yoon Suk-Yeol eingeleitet, nachdem dieser am Dienstagabend das Kriegsrecht verhängt hatte. Diese wurde jedoch innerhalb von sechs Stunden nach dem vereinten Widerstand des Parlaments wieder aufgehoben.
Die dramatischen Ereignisse, bei denen Militärs in die Nationalversammlung eindrangen, bevor das Kriegsrecht aufgehoben wurde, stellten die größte Herausforderung für die südkoreanische Demokratie seit den 1980er Jahren dar. Mit der öffentlichen Meinung im Rücken streben die Abgeordneten der Opposition nun zügig ein Amtsenthebungsverfahren an.
Einer Umfrage zufolge befürworten 73,6 Prozent der Südkoreaner ein Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon, wobei 69,5 Prozent der Meinung sind, dass sein Handeln einem Putsch beziehungsweise Aufstand gleichkommt. Die Unterstützung für die Absetzung Yoons geht über alle traditionellen politischen Grenzen hinweg, und selbst in einigen konservativen Hochburgen gibt es mittlerweile Mehrheiten für ein Amtsenthebungsverfahren.
Wird die Zweidrittelmehrheit erreicht?
Das parlamentarische Verfahren wurde eingeleitet, als die Oppositionsparteien am 4. Dezember einen Antrag einreichten, in dem sie Verstöße gegen die Verfassung anführten. Nachdem der Antrag in den frühen Morgenstunden des Donnerstags bei der Nationalversammlung eingereicht wurde, wird die Abstimmung voraussichtlich am Samstag stattfinden. Damit der Antrag angenommen wird, ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, das heißt, mindestens 200 Stimmen in dem 300 Sitze zählenden Parlament sind dafür nötig.
Die Oppositionskoalition verfügt über 192 Sitze, was bedeutet, dass sie mindestens acht Mitglieder von Yoons regierender konservativer Partei People Power (PPP) benötigt. Der Parteivorsitzende Han Dong-hoon sprach sich am Donnerstag noch gegen ein Amtsenthebungsverfahren aus, doch am Freitag änderte er offenbar seinen Kurs und forderte die sofortige Suspendierung von Yoon. Am Donnerstag schien es innerhalb der PPP so, als ob einige Mitglieder Yoon immer noch unterstützten, während andere bereits ein Amtsenthebungsverfahren befürworteten.
Wenn die Nationalversammlung den Antrag annimmt, würde Yoon sofort vom Amt suspendiert, und Premierminister Han Duck-soo dann würde als amtierender Präsident fungieren, während das Verfassungsgericht berät.
Es gibt jedoch noch verfahrenstechnische Probleme. Das Gericht, bei dem derzeit nur sechs von neun Richterstellen besetzt sind, benötigt sieben Richter, um solche Fälle zu prüfen – obwohl es sich in den letzten Monaten durchaus handlungsfähig und flexibel gezeigt hat.
Ist das zuständige Gericht handlungsfähig?
Für das endgültige Urteil müssen mindestens sechs Richter für die Amtsenthebung stimmen. Allerdings könnten die Richter möglicherweise zögern, einen politisch so heiklen Fall ohne eine vollständig besetzte Richterbank in Angriff zu nehmen, insbesondere angesichts der Schwere der Entscheidung. Sollte das Gericht den Fall annehmen, hat es bis zu sechs Monate Zeit, eine Entscheidung zu finden, wobei jene Phasen, in denen nicht sieben zeitgleich Richter anwesend sein können, nicht auf diese Frist angerechnet werden.
In Südkorea gab es seit der Demokratisierung bereits zwei Amtsenthebungsverfahren gegen amtierende Präsidentinnen und Präsidenten: Park Geun-hye wurde 2017 wegen Korruptionsvorwürfen ihres Amtes enthoben, während Roh Moo-hyun 2004 wieder eingesetzt wurde, nachdem das Gericht sein Amtsenthebungsverfahren aufgehoben hatte.
Sollte dieser erste Amtsenthebungsversuch scheitern, werden die Oppositionsparteien den Prozess wahrscheinlich wiederholen, da die Absetzung von Yoon schon vor der Krise des Kriegsrechts ihr erklärtes Ziel gewesen war.
Sollte Yoon schließlich abgesetzt werden oder zurücktreten, müsste Südkorea innerhalb von 60 Tagen eine neue Präsidentschaftswahl abhalten.