Wechsel zur Handelszentrum: Thyssenkrupp verliert gleichwohl den Finanzvorstand
Der strauchelnde Industriekonzern Thyssenkrupp muss sich einen neuen Finanzvorstand suchen. Jens Schulte hatte sein Amt erst zum 1. Juni 2024 angetreten und sucht nun schon wieder das Weite: Den Aufsichtsrat hat Schulte um eine einvernehmliche Beendigung seines Vorstandsmandates gebeten, teilte Thyssenkrupp am Donnerstagabend mit. Schulte will in gleicher Funktion zur Deutschen Börse wechseln. „Wir respektieren den Wunsch von Herrn Schulte, die sich ihm bietende Chance zu ergreifen, in den Vorstand eines Dax-40-Unternehmens zu wechseln, auch wenn wir sein Ausscheiden aus dem Vorstand der Thyssenkrupp AG sehr bedauern“, sagte Siegfried Russwurm, der Vorsitzende des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats.
Bei der Deutschen Börse folgt Schulte auf Gregor Pottmeyer, dessen Mandat noch bis Ende September 2025 läuft, wie das Unternehmen ebenfalls am Donnerstag mitteilte. Für Thyssenkrupp kam der Wechsel aber offenbar überraschend: So werde der Aufsichtsrat „zeinah dazu und zum Zeitpunkt einer möglichen Beendigung seines Mandats beraten“, hieß es von Deutschlands größtem Stahlhersteller. Ein Datum des Ausscheidens steht noch nicht fest, er werde seine Aufgaben als Finanzvorstand wahrnehmen. Vom 1. Februar 2025 an sollte Schulte zudem zusätzlich interimistisch Personalvorstand von Thyssenkrupp werden, weil der derzeitige Vorstand Oliver Burkhard dieses Amt aufgibt, um sich künftig auf seine Rolle als Chef der Marinesparte zu konzentrieren.
Personal-Karussell im Industriekonzern
Bevor Schulte zu Thyssenkrupp kam, war er Finanzvorstand des Glasherstellers Schott AG aus Mainz, im November 2023 wurde er vom Essener Industriekonzern für drei Jahre zum Vorstandsmitglied bestellt. Thyssenkrupp kommt indes nicht zur Ruhe. In dieser Woche erst hatte ein anderer hochrangiger Manager den kriselnden Konzern verlassen: Cetin Nazikkol, Vorstandsmitglied der Sparte für klimafreundliche Technologien und Chef für die Regionen Asien-Pazifik und Afrika, geht ebenfalls „einvernehmlich“, aber trotzdem rückwirkend zum 30. November und so plötzlich, dass auch dort noch kein Nachfolger feststeht.
Nazikkol ist nicht nur Bruder des Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschefs, sondern war auch ursprünglich als Leiter des Effizienzprogramms „Apex“ eingesetzt worden, das die Erträge im Unternehmen verbessern soll. Die Zuständigkeit dafür hatte allerdings schon vor einiger Zeit ebenfalls der Konzern-Finanzvorstand Schulte übernommen. Viele wichtige Managementpositionen sind also unbesetzt, wie auch die des scheidenden Personalvorstands Burkhard.
Viele Stellen unbesetzt
Im Spätsommer hatte es einen großen Personalknall gegeben, als gleich sieben wichtige Manager der Stahlsparte zurücktraten, im Streit um die Ausrichtung des Konzerns. Darunter war auch der Aufsichtsratsvorsitzende Sigmar Gabriel, der bald in das Kontrollgremium von Rheinmetall einziehen soll. Der Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende Miguel López hatte außerdem die Vorstandschefs der Autozuliefer- und Materialhandelssparte ausgetauscht und die Stellen mit Personen besetzt, die zugleich im Konzernvorstand wirken.
Das Manager-Karussell bei Thyssenkrupp kommt nicht zur Ruhe – und das in einer der schwersten Krisen des Konzerns: Gerade erst hat Thyssenkrupp mitgeteilt, bis zum Jahr 2030 insgesamt 11.000 Stellen in seiner sanierungsbedürftigen Stahlsparte abbauen zu wollen. Gewerkschaften und Betriebsrat wehren sich gegen betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen und kritisieren den Vorstand des Industriekonzerns scharf.
Auch die Deutsche Börse rotiert Positionen
Bei der Deutschen Börse wiederum kommt die Bestellung Schultes auch nicht allein: Aufsteigen in den Vorstand des Dax-Konzerns soll zum 1. Januar 2025 Christian Kromann, für den Bereich Investment Management Solutions. Kromann war bislang Chef der Börsen-Tochtergesellschaft Sim Corp. Der Bereich, den Kromann zukünftig leiten soll, wurde bislang von Stephan Leithner verantwortet, der seit Oktober Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse ist.
Auch an der Aufsichtsratsspitze des Börsenbetreibers gibt es einen Wechsel: So hat das Kontrollgremium Clara-Christina Streit als Nachfolgerin für den scheidenden Vorsitzenden Martin Jetter nominiert. Gewählt werden soll die Expertin für Corporate Governance in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung direkt im Anschluss an die Hauptversammlung im Mai 2025. Streit ist außerdem Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und Aufsichtsratsvorsitzende des größten Deutschen Immobilienkonzerns Vonovia.