US-Wahl: Was darf jener US-Präsident?

Der US-Präsident beziehungsweise die US-Präsidentin ist Staats- und Regierungschef in
Personalunion und zugleich Oberkommandierender der Streitkräfte. Doch was darf der US-Präsident, was nicht? Darf er oder sie im Alleingang Gesetze erlassen oder Kriege erklären? Darf sie zum Beispiel Ukraine-Hilfen zurücknehmen und darf er sich selbst begnadigen? Und wer kontrolliert ihn? 

Darf der US-Präsident …

… das Parlament auflösen und Neuwahlen anordnen?

Anders als in parlamentarischen Regierungssystemen kann
der US-Präsident weder den Kongress auflösen noch Neuwahlen anordnen. Gleiches gilt auch andersrum: Der Präsident kann nicht durch den Kongress abgewählt werden, die Möglichkeit eines Misstrauensvotums wie in Deutschland sieht die US-Verfassung nicht vor.   

Stattdessen gibt es die Möglichkeit eines sogenannten Impeachment-Verfahrens. Bei schweren Verfehlungen, sogenannten high crimes and misdemeanors, kann der Senat nach einer Anklage aus dem Repräsentantenhaus den Präsidenten seines Amtes entheben. Darunter fallen etwa Verrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen. Im Falle einer Amtsenthebung übernimmt der Vizepräsident den Posten.

Durch das System der Checks and Balances sind in den USA Legislative und Exekutive viel stärker voneinander getrennt als in Deutschland. Das System soll dafür sorgen, dass die
politischen Gewalten miteinander konkurrieren und einander
kontrollieren.

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… im Alleingang Gesetze erlassen oder blockieren?

Die Legislative und ihre Befugnisse stehen in der US-Verfassung an erster Stelle, noch vor jenen des Präsidenten. In Artikel I, Absatz 1, heißt es: „Die gesetzgebende Gewalt ruht im Kongress
der Vereinigten Staaten, der aus einem Senat und einem Abgeordnetenhaus
besteht.“ Der Kongress ist also das zentrale Verfassungsorgan bei der Gesetzgebung –
auch wenn die beiden anderen politischen Gewalten mitwirken.

Der US-Präsident kann selbst keine Gesetzesvorlagen einbringen. Das heißt, er muss bei Parlamentariern um Unterstützung für seine Vorhaben werben. Er hat jedoch das letzte Wort: Eine Vorlage wird erst zum Gesetz, wenn er sie unterzeichnet hat. Erhebt er Einspruch,
kann er nur von einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kongresskammern überstimmt werden.

Eine Möglichkeit, den Kongress zu umgehen, ist die sogenannte Durchführungsverordnung (Executive Order). Der frühere US-Präsident Donald Trump erließ etwa 2017 einen Einreisestopp für Flüchtlinge und Muslime durch eine solche Verordnung. Später griff er in dem Fall zu einer weiteren Möglichkeit: dem Präsidialerlass (Presidential Memorandum). Biden nutzte die Executive Order zu Beginn seiner Amtszeit 2021, um diese Anordnung rückgängig zu machen. Auf demselben Weg traten die USA nach Trump auch wieder in das Pariser Klimaabkommen ein.

Fast alle US-Präsidenten setzten in der Vergangenheit solche Dekrete ein, insbesondere die sogenannten LameDuck-Präsidenten. So bezeichnet man diejenigen Präsidenten, die zwar noch im Amt sind, aber sich nicht zur Wiederwahl stellen oder die Wahl verloren haben; sie sind vor allem innenpolitisch quasi handlungsunfähig. Barack Obama regierte am Ende seiner zweiten Amtszeit hauptsächlich damit.

Diese Erlasse sind zunächst bindend für US-Behörden. Doch machtlos ist der Kongress keineswegs. Er kann zwar nicht das
Dekret aushebeln, aber die nötigen finanziellen Mittel für seine
Umsetzung verweigern. Auch der Supreme Court kann die Erlasse stoppen.

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… Kriege erklären?

Der US-Präsident ist auch der
Oberkommandierende der US-Streitkräfte, der größten Armee der Welt. Er darf Kampftruppen in fremde Länder entsenden – Kriegserklärungen an andere Länder können jedoch nur durch den Kongress erfolgen. 

Entsendet der Präsident bei einem Angriff auf die USA Truppen, müsste er den Kongress innerhalb von 48 Stunden informieren. Folgt keine Ermächtigung durch den Kongress, müssten die Truppen innerhalb von 90 Tagen zurückgeholt werden. Faktisch ausgesetzt wäre das System der Checks and Balances beim Einsatz nuklearer Waffen.

Der Ausgang der Wahl dürfte auch große Auswirkungen auf den Nahostkonflikt haben. Trump sieht sich als den „am stärksten proisraelischen Präsidenten der US-Geschichte“. Pläne für ein Kriegsende etwa dürften unter seiner Präsidentschaft größtenteils zugunsten Israels ausfallen. Harris hingegen drang zuletzt auf einen Interessenausgleich. Sie betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung, kritisierte zugleich aber, dass „viel zu
viele“ Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen getötet worden seien, und forderte eine
Waffenruhe. Ob sie dabei mehr Druck auf Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ausüben würde, ist ungewiss.

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… den Einsatz von Atomwaffen anordnen?

Der US-Präsident ist der
Einzige, der den Einsatz von Atomwaffen anordnen kann. Vor einem Atomangriff muss der US-Präsident den Verteidigungsminister
und Stabschef konsultieren. Diese könnten einen Angriff unter bestimmten
Umständen noch verhindern.

Entgegen allen Mythen gab und gibt es keinen Atomknopf im Oval Office. Die Gold Codes, mit denen der US-Präsident den Befehl zum Start
einer Atomrakete geben könnte, trägt er stets auf einer
kreditkartengroßen Plastikkarte bei sich. Am Tag der Amtsübergabe erhält der US-Präsident außerdem den Atomkoffer von seinem Vorgänger. Der genaue Inhalt ist geheim, doch sollen sich darin das sogenannte Black Book, eine Sammlung von Angriffsplänen, die dazugehörigen Go Codes sowie ein abhörsicheres Telefon befinden.

Im aktuellen Wahlkampf spielen Atomwaffen kaum eine Rolle. Und das, obwohl Russland mit dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine droht, und China und Nordkorea ihre Nuklearwaffenarsenale stetig ausbauen. Experten rechnen damit, dass nun auch die USA wieder aufrüsten könnten – unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt.

Harris versprach auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten: „Als
Oberbefehlshaberin werde ich sicherstellen, dass Amerika immer die
stärkste und tödlichste Kampftruppe der Welt hat.“ Es ist davon auszugehen, dass Harris den Kurs ihres Vorgängers fortsetzen wird. Biden hatte zwar ins Spiel gebracht, mit einer Sole-Purpose-Formulierung in der Nuklear-Doktrin die Einsatzmöglichkeiten von Atomwaffen zu beschränken (damit wäre ihre einzige Funktion die Abschreckung gewesen und ein Ersteinsatz durch die USA ausgeschlossen) – umgesetzt wurde die Idee schließlich doch nicht. In dem Papier heißt es lediglich: Der Einsatz von Atomwaffen werde nur „unter extremen Bedingungen“
erwogen. Im März soll Biden dann einem Bericht der New York Times zufolge die
US-Streitkräfte angewiesen haben, sich auf mögliche nukleare
Konfrontationen mit Russland, China und Nordkorea vorzubereiten.
Widerspruch gab es von Vizepräsidentin Harris keinen.

Bei einer zweiten Amtszeit Donald Trumps rechnen Experten eher mit einem Auf- als mit einem Abrüsten. Während seiner ersten Amtszeit war er aus gleich drei nuklearen Abkommen ausgestiegen. Und auch eine Aussage Trumps aus dieser Zeit sorgt noch heute für Sorge. Medienberichten zufolge soll er gesagt haben: „Wenn wir Atomwaffen haben, warum setzen wir sie nicht ein?“ Es wurde
debattiert, ob die Autorität des US-Präsidenten zur Anordnung eines
Atomwaffenangriffs geändert werden sollte – angesichts der nahenden Wahl wurden diese Stimmen zuletzt wieder lauter.

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… Einfluss auf die Justiz nehmen?

Der Supreme Court ist das oberste Gericht der USA. Es besteht aus neun Richtern, die durch den US-Präsidenten ernannt werden. Der
Senat muss – wie auch bei der Ernennung von anderen Spitzenbeamten durch
den US-Präsidenten – zustimmen.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Supreme Court gehört die Auslegung der Verfassung. Nicht selten hat das Gericht in Auseinandersetzungen um
wichtige Gesetze oder auch Verfügungen das letzte Wort. So auch bei den
großen Themen, an denen sich die gesellschaftliche Spaltung der USA zeigt: das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, Einwanderung und Waffenbesitz. Kommt es zu
Kontroversen, spielen auch die Haltungen der Richterinnen und Richter eine Rolle.

Die Ernennung von neuen Richtern und Richterinnen für den Supreme Court ist eine folgenschwere Entscheidung. Da sie auf Lebenszeit
berufen werden, prägen ihre Urteile die USA über
Generationen hinweg. Der frühere US-Präsident Trump hatte während seiner Amtszeit drei junge Richter aus dem konservativen Lager ernannt. Die heute 52- bis 59-Jährigen dürften ihr Amt bei guter Gesundheit noch mehrere Jahrzehnte ausüben können. 

US-Präsident Biden hatte im Sommer eine Reform des Supreme Court ins Spiel gebracht. Er schlug vor, die Amtszeit der Richter auf 18 Jahre zu begrenzen. Ende September brachte der demokratische Senator Ron Wyden eine weitere Idee ein; er will dem Gericht weitere Richter hinzufügen. Dieser Vorschlag ist jedoch umstritten

Einige Urteile des Supreme Court hatten zuletzt für heftige Kritik gesorgt. Die
Richter entschieden mit ihrer konservativen Mehrheit, dass Trump für
Handlungen im Präsidentenamt weitgehend Schutz vor Strafverfolgung
genießt
. Niedrigere Gerichte hatten Trump keine Immunität für seine Handlungen als Ex-Präsident zugestanden.

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… sich selbst begnadigen?

In den USA sind die Rechtssysteme des Bundes und der Bundesstaaten voneinander getrennt. Der Präsident kann nur Begnadigungen zu Urteilen der Bundesgerichte aussprechen. Im Fall des Schweigegeldverfahrens gegen Donald Trump würde das bedeuten, dass dieser sich als zukünftiger US-Präsident nicht begnadigen könnte. Das Verfahren fällt unter das Recht des Bundesstaates New York. 

Anders sieht es bei Urteilen der Bundesgerichte aus. So gewährte Trump im Jahr 2021 in den letzten Stunden vor seiner Amtsübergabe noch fast 150 Personen Begnadigungen beziehungsweise Strafmilderungen – unter anderem seinem früheren Chefstrategen Steve Bannon.

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… allein über Finanzen verfügen?

Das Budgetrecht liegt in den USA beim Kongress. Das heißt, der Präsident ist bei finanziellen Freigaben auf den Kongress angewiesen. Dieser entscheidet über den Haushalt ebenso wie über budgetrelevante
Gesetze.

In präsidentiellen Regierungssystemen wie in den USA,
in denen Abgeordnete nicht die Möglichkeit haben, den Staatspräsidenten abzuwählen, ist die Möglichkeit, die Finanzen zu steuern, ein zentrales Machtinstrument der Legislative. Im Amerikanischen ist deshalb auch von power of the purse die Rede, der Macht der Geldbörse.

Im Falle einer Wiederwahl Trumps zeichnet sich bereits ein erster Konflikt ab: Er hatte zuletzt wiederholt gedroht, im Falle seiner Wahl die Hilfen für die Ukraine streichen oder zumindest kürzen zu wollen. Harris hingegen sicherte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj weitere US-Unterstützung zu.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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