Jobbabbau: Firmenfrust am Standort Deutschland wächst
Wachsende Unzufriedenheit treibt viele Unternehmen ins Ausland. „Die deutsche Industrie sendet Alarmsignale“, sagt Jan Brorhilker, Chef des Geschäftsfelds Wirtschaftsprüfung beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY. Laut einer EY-Umfrage wollen 45 Prozent der befragten Firmen neue Standorte außerhalb Deutschlands errichten. Hierzulande wollen dagegen nur 13 Prozent investieren.
Für die Studie hat EY im August und September Vorstände und Topmanager aus 115 deutschen Industrieunternehmen telefonisch befragt. Demnach wollen 29 Prozent der Unternehmen deutsche Arbeitsplätze abbauen und ins Ausland verlagern. Nur 4 Prozent der Befragten gehen den umgekehrten Weg und planen eine Verlagerung von Jobs zurück nach Deutschland.
Bürokratie treibt viele Unternehmer zur Verzweiflung
Angesichts der schwachen Konjunktur und der düsteren Aussichten sehen 63 Prozent der befragten Industrieunternehmen einen Stellenabbau unter den aktuellen Bedingungen als sehr wahrscheinlich oder sogar unausweichlich. Laut der EY-Studie liegt es nicht nur an der wirtschaftlichen Flaute am Heimatmarkt, dass viele Unternehmen im Ausland bessere Rahmenbedingungen suchen. Hinzu kämen regulatorische und politische Hürden in Deutschland.
„Die Industrie erstickt in einem Dschungel aus Vorschriften und Reporting-Vorgaben“, sagt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Brorhilker. Vieles, was in Berlin in Sachen Dekarbonisierung und Wärmewende beschlossen werde, sei gut gemeint. Doch in den Verwaltungen vor Orte herrsche oft Unklarheit und Unkenntnis. Zudem fehle es an Fachkräften in den Behörden der Bundesländer und Kommunen. Die Politik müsse daher Vorschriften entrümpeln und Genehmigungen beschleunigen.
Ifo-Zahlen über den Bürokratiefrust
Das düstere Bild bestätigt der Ende Oktober vorgestellte Jahresmonitor der Stiftung Familienunternehmen, für den das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo noch deutlich mehr Unternehmen befragt hat, als EY das getan hat.
Laut Ifo-Zahlen haben 45 Prozent von 1693 befragten Unternehmen in den vergangenen Jahren wegen bürokratischer Hürden Investitionen aufgeschoben. Rund 38 Prozent der Unternehmen sehen sich auch in den kommenden zwei Jahren gezwungen, wegen Bürokratie Investitionen aufzuschieben.
Die ausufernde Bürokratie in Deutschland zwingt auch nach Einschätzungen des Ifo-Instituts und der Familienunternehmensstiftung deutsche Unternehmen, im Ausland zu investieren statt in der Heimat. Knapp 18 Prozent der Unternehmen hegen demnach schon jetzt solche Verlagerungspläne. Besonders hoch ist der Anteil der Firmen mit bürokratiebedingten Verlagerungsplänen unter größeren Unternehmen mit Umsätzen von mehr als 50 Millionen Euro.
Chemieriese BASF baut lieber in China
Verlagern deutsche Unternehmen Produktion ins Ausland, sorgt das regelmäßig für Aufregung, weil dadurch die Angst vor einer Deindustrialisierung wächst. Als eine besonders negative Symbolik wurde es daher wahrgenommen, dass der legendäre Hausgerätehersteller Miele im Januar ausgerechnet während seines 125. Jubiläumsjahrs ankündigte, weltweit 2000 Stellen abzubauen und 700 Stellen zu verlagern. So will Miele von 2027 an alle Haushaltswaschmaschinen in seinem polnischen Werk montieren lassen. Miele begründete die Umstrukturierungen mit einem Einbruch der Nachfrage und mit gestiegenen Kosten.
Gerade hat auch der französische Zughersteller Alstom angekündigt, sein Werk in Görlitz mit 700 Mitarbeitern bis zum Jahr 2026 zu schließen. Grund sei eine strategische Verlagerung von Rohbauarbeiten nach Osteuropa. Ein weiteres Beispiel ist der Dax-Konzern BASF. Während am Stammsitz in Ludwigshafen besonders energiehungrige Chemieanlagen stillgelegt werden, investiert das Unternehmen Milliarden in eine riesige Fabrik in China. BASF stören nicht nur die hohen deutschen Energiepreise, sondern auch das bürokratische Umfeld.