Lindner stellt Ampel mit Grundsatzpapier vor Zerreißprobe

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verschärft den Streit innerhalb der Ampelkoalition mit einem an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerichteten Wirtschaftspapier. In dem 18 Seiten umfassenden Dokument, das der F.A.Z. vorliegt, fordert Lindner eine „Wirtschaftswende“, die eine grundlegende „Revision politischer Leitentscheidungen“ beinhalten müsse.

Konkret fordert der Finanzminister einen ersten Schritt, um aus dem Solidaritätszuschlag auszusteigen, sowie ein Moratorium aller neuer Regulierungen sowie keine neue Bürokratie. Lindner strebt weiter das Aus für das Tariftreuegesetz, für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit an. Auch in der Klimapolitik macht sich Lindner für ein langsameres Vorgehen stark. Damit greift Lindner, der auch FDP-Parteichef ist, die Koalitionspartner in deren Kernanliegen an.

Spekulationen über vorzeitiges Ende der Ampelkoalition

Zuvor hatten auch SPD und Grüne in programmatischen Papieren Forderungen erhoben, die innerhalb der Koalition nicht konsensfähig sind. Das neue Lindner-Papier heizt Spekulationen an, denen zufolge er die Ampelkoalition vorzeitig beenden wolle. „Ich habe keinen diesbezüglichen Vorsatz – aber Deutschland braucht eine Richtungsentscheidung“, hatte Lindner dazu im Gespräch mit der Zeitschrift „Spiegel“ gesagt.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) macht sich in einem Gastbeitrag für die F.A.Z. hingegen dafür stark, die Regierung unter keinen Umständen aufzukündigen. Dabei vermeidet er es, die FDP beim Namen zu nennen. „Teile der Koalition“ hätten „immer wieder diskutiert, ob ihre Partei die Regierung nicht besser verlassen sollte“, schreibt Wissing.

Ein Rückzug aus der Koalition wäre dem Minister zufolge jedoch respektlos gegenüber dem Wähler. „Regieren ist nicht einfach. Demokratie ist nicht einfach. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es gemeinsam gelingt“, schreibt der Minister. Gerade die aktuelle politische Situation erfordere es, sich nicht nur darüber zu definieren, welche Positionen der anderen man ablehne. Vielmehr müsse es darum gehen, aus der eigenen Haltung heraus mehrheitsfähige Lösungen zu erarbeiten.

Der Regierungssprecher sagte am Freitag, „ich habe nicht den Eindruck, dass irgendwer dabei ist, sich in die Büsche zu schlagen“. Er geht nach eigenem Bekunden davon aus, dass man „konstruktiv“ bis zum regulären Wahltermin im September zusammenarbeiten werde.

Laut dem jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ ist eine Mehrheit von 54 Prozent der Deutschen allerdings für vorgezogene Neuwahlen. Die Union kommt in der Umfrage auf 34 Prozent, es folgen die AfD mit 17 Prozent und die SPD mit 16 Prozent. Die Grünen und das BSW kommen auf elf beziehungsweise sechs Prozent. Die FDP erreicht eine Zustimmung von vier Prozent.