Georgien: Egal, welches dasjenige Volk möchte
Wie dreht ein autoritärer Herrscher eine drohende
Wahlniederlage ins Gegenteil? Die staatlich kontrollierten Fernsehsender rufen
zur Wahl seiner Partei auf. Der Herrscher lässt vorbereitete Stimmzettel in die
Urnen stopfen. Er schüchtert die Wähler der Opposition mit Schlägertrupps ein.
Er behindert unabhängige und oppositionelle Wahlbeobachter bei der Auszählung.
Er weist die staatliche Wahlkommission an, das gewünschte Ergebnis zu
verkündigen.
So geschehen nun in Georgien. Und das Ergebnis lautet: 54
Prozent der Stimmen für die Regierungspartei des Oligarchen Bidsina
Iwanischwili.
Dabei sah es am gestrigen Wahlsamstag zunächst gar nicht gut
aus für Bidsina Iwanischwili und seine 2012 gegründete Partei Georgischer
Traum. Nachwahlbefragungen unabhängiger Institute ergaben einen Stimmenanteil
von 41 Prozent für die Regierungspartei – und über 50 Prozent für die
Oppositionsparteien.
Nach intensiver Zählarbeit der staatlichen Behörden kam der
Georgische Traum aber schließlich auf 54 Prozent und die Opposition auf knapp 38
Prozent. Noch nie in den vergangenen Jahren klafften die Einschätzungen der
unabhängigen Umfrageinstitute und die offiziell verkündeten Wahlergebnisse so weit
auseinander. Die Wahlbeobachter von Europarat, EU-Parlament, OSZE und Nato berichteten am Sonntag von gekauften Stimmen und mehrfachen
Stimmabgaben. Es sei zu massiven Einschüchterungen der Wähler gekommen, ein
Fahrzeug der Wahlbeobachter sei zerstört worden.
Opposition spricht von gestohlener Wahl
Georgiens autoritärer Hintergrundherrscher Bidsina
Iwanischwili kommt seinem Ziel ein Stück näher: das prowestlich gestimmte Land
am Kaukasus zu seinem Westentaschenstaat zu machen. Obwohl der Oligarch und
ehemalige Premierminister kein Amt mehr bekleidet, keine Staatsbesuche
absolviert, kein Amtsgebäude belegt, hält er quasioffizielle Reden und weist
die Regierung an, als sei das Land sein Privateigentum. Die Opposition spricht
von einer gestohlenen Wahl, manche von einem gestohlenen Land. Das erinnert an den
belarussischen Herrscher Alexander Lukaschenko, der 2020 eine klare Niederlage
in einen sowjetisch anmutenden Wahlsieg drehen ließ.
Iwanischwili versucht sich an dem Experiment, sein Volk, das
mehrheitlich nach Europa strebt, in Russlands Orbit zu drängen. Also hisst er
die Europafahne, während er gegen die Europäische Union und ihren
„Imperialismus“ hetzen lässt. Verbreitet Verschwörungstheorien über „die
globale Partei des Krieges“ in Amerika. Und lässt seine Medienunternehmen Bilder
von den zerstörten Städten der Ukraine zeigen, mit dem Kommentar: „So könnte
Georgien aussehen, wenn es sich mit der globalen Kriegspartei einlässt.“ Das
darf niemanden wundern. Bidsina Iwanischwili ist ein Oligarch, der sein Geld in
Russland gemacht hat, zu den führenden Oligarchen in Russland gehörte und
natürlich die Kremlführung inklusive Wladimir Putin gut kennt.
Russland hat – wie schon in Belarus und in der vorigen Woche
– in diesem Wahlkampf interveniert. Mit Angeboten von Visa-Erleichterungen für georgische
Bürgerinnen und Bürger und diffusen Drohungen von Sanktionen, falls Iwanischwili
nicht gewinnt. Georgiens Landwirtschaft hängt stark von Russland ab, das ist
eines der Druckmittel Moskaus.
Der Weg gen Westen: das Ende einer Vision
Doch die betrogene georgische Opposition wird keine Ruhe
geben. Unterstützt wird sie von der georgischen Präsidentin Salome
Surabischwili, die ihrerseits schon den Sieg der Oppositionsparteien verkündet
hatte. Jetzt laufen die Vorbereitungen für weitere Massendemonstrationen, wie
Georgien sie in diesem Jahr schon oft erlebt hat. Massive Unruhen sind zu
erwarten, es kann auch zu brutaler Gewalt von Schlägern, Milizen und Polizei kommen.
Georgien bleibt ein tief gespaltenes Land.
Doch die Machtmittel, die Polizei, das Militär und die
Gerichte, sind in der Hand von Bidsina Iwanischwili. Der Oligarch steht nun vor
der Wahl: Will er den Weg Alexander Lukaschenkos in die internationale
Isolation gehen und ein Vasallenstaat Russlands werden? Oder stattdessen das
Land gen Westen führen?
Danach strebt ein großer Teil des georgischen Volkes seit
dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Iwanischwili will diese Vision offenbar
endgültig begraben.
Wie dreht ein autoritärer Herrscher eine drohende
Wahlniederlage ins Gegenteil? Die staatlich kontrollierten Fernsehsender rufen
zur Wahl seiner Partei auf. Der Herrscher lässt vorbereitete Stimmzettel in die
Urnen stopfen. Er schüchtert die Wähler der Opposition mit Schlägertrupps ein.
Er behindert unabhängige und oppositionelle Wahlbeobachter bei der Auszählung.
Er weist die staatliche Wahlkommission an, das gewünschte Ergebnis zu
verkündigen.
So geschehen nun in Georgien. Und das Ergebnis lautet: 54
Prozent der Stimmen für die Regierungspartei des Oligarchen Bidsina
Iwanischwili.