Foodforecast: Diese KI berechnet den Brötchen-Bedarf – Investoren spendieren dazu 3 Millionen
Die Stollen und Plätzchen, die sich jetzt in Supermarktregalen und Bäckereien stapeln, will in ein paar Wochen niemand mehr kaufen. Spätestens nach Weihnachten werden Restposten mit hohen Rabatten angeboten – oder landen direkt im Müll. Ähnlich sieht es bei frischen Backwaren aus, deren Verkaufszahlen täglich schwanken. Laut der Umweltorganisation WWF bleiben pro Jahr rund 600.000 Tonnen Brot- und Backwaren in Deutschland über. Das führt zu durchschnittlich 15 Prozent Foodwaste bei Bäckereibetrieben, weiß Justus Lauten. Er ist Gründer vom Kölner Startup Foodforecast.
„Wenn man abends in den Rewe geht, sind die Fächer mit Brötchen entweder proppenvoll oder komplett leer – es gibt nichts dazwischen“, sagt Justus Lauten, Gründer von Foodforecast. „Letztlich entscheiden Mitarbeiter, wie viel sie heute backen und an Teigrohlingen für den nächsten Tag bestellen.“ Er wolle das optimieren. Dafür hat Lauten eine Künstliche Intelligenz trainiert, die genaue Prognosen über Produktions- und Bestellmengen von Lebensmitteln trifft. Dadurch will das Startup Essensabfälle im Durchschnitt um 30 Prozent reduzieren, Ressourcen sparen und den Planeten entlasten. So machen weggeworfene Lebensmittel nach Daten der EU-Kommission etwa 16 Prozent der CO2-Emissionen, die das europäische Food-System ausstößt, aus.
Angefangen im Jahr 2022 mit lokalen Bäckereien wie Merzenich in Köln, nutzen die Technologie des Startups inzwischen auch Gastronomie-Kunden, darunter die Salatbowl-Kette Beets & Roots und SSP Deutschland, das Filialen von Franchiseunternehmen wie Burger King, Dean & David, Starbucks und Kamps betreibt. Über ihre Bäckerei-Kunden hat die KI von Foodforecast zudem Einzug in mehrere hundert Filialen von Aldi Nord erhalten. Um künftig noch mehr Kunden im Lebensmitteleinzelhandel zu bedienen, hat sich Lauten im September drei Millionen Euro von Investoren gesichert.
Angeführt wurde die Runde vom Frühphasen-Investor Scalehouse Capital aus Osnabrück sowie vom niederländischen VC Future Food Fund. Darüber hinaus beteiligten sich neben strategischen Investoren auch Bestandsinvestoren wie Blue Horizon Ventures und Aeronaut Invest erneut an der Kölner Firma.
Das frische Kapital soll nun das Wachstum ankurbeln. Lauten plant, mit Foodforecast demnächst ins europäische Ausland vorzudringen. Mit ein paar Kunden sei er bereits im Gespräch. Den restlichen Teil des Geldes will der Gründer in die Produkterweiterung stecken.
KI berücksichtigt Wetter und Feiertage
Bisher setzt sich die Technologie des Kölner Startups hauptsächlich aus zwei Komponenten zusammen: Einerseits die Produktionsplanung, die vorhersagt, wann wie viel Ware gebacken werden muss. Und andererseits die Bestellplattform, die angibt, wie viel Teiglinge für den nächsten Tag in der Großproduktion geordert werden müssen. Auch verbindet sie Filialen direkt mit Lieferanten. An beides angeschlossen ist noch eine Analyseplattform, die auswertet, wie gut die KI performt.
Zwei Jahre hat Lauten, der Informatik an der RWTH Aachen studierte, gebraucht, um die KI zu entwickeln. 2019 gab es den ersten Prototypen. Heute funktioniert Foodforecast über maschinelles Lernen. Der Algorithmus wird mit historischen Daten, zum Beispiel den Verkaufsmengen je nach Tagen und Uhrzeit und mit aktuellen Wetterdaten gefüttert, sodass er in der Lage ist, Prognosen für die nächsten Tage zu erstellen. Haltbare Produkte wie Schwarzbrot, die nicht täglich abverkauft werden müssen, rechnet die KI auf mehrere Tage. „Diese Prognosen sind viel genauer, weil sie Wetterschwankungen und Feiertage berücksichtigen und auch differenzieren, zum Beispiel, dass eine Baustelle vor einer Filiale den Umsatz senken kann“, erklärt der Gründer. Produktions- und Bestellprozesse ließen sich so automatisieren, sodass Mitarbeiter nicht mehr groß eingreifen müssten.
Gründer pitchte seine Idee 2021 in der Höhle der Löwen
„Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den nächsten zehn Jahren Lebensmittelverschwendung im Wert von 10 Milliarden Euro zu verhindern“, sagt der Gründer. Eigenen Angaben zufolge hat seine Firma im vergangenen Jahr rund 4.000 Tonnen Lebensmittel vor der Tonne bewahrt.
Den Markt bespielen die Macher von Foodforecast dabei nicht allein. Sie müssen sich ihn mit Wettbewerbern wie dem österreichischen KI-Startup Circly, das mitunter Getränkehersteller Refresco bedient, oder Spicetech aus Stuttgart teilen. Lauten blickt darauf gelassen. „Dass im Markt viel passiert, bedeutet für uns erstmal, dass er reif ist.“ Ihr Produkt sei bei Pilotprojekten schon häufiger mit denen der Konkurrenz verglichen worden. „Letztlich haben wir sie aber gewonnen.“ Diesen Vorsprung wolle der Kölner ausbauen. Zu seinem Team zählen ab November 28 Mitarbeitende. Mit ihnen will er Foodforecast bis Anfang 2026 profitabel machen. Umsatzzahlen nennt Lauten nicht.
Für den Gründer ist Foodforcast nicht sein erstes Startup. Zuvor gründete Lauten in Aachen das Startup Tamyca mit, das als Carsharing-Modell für Autos von Privatleuten startete, dann an einen niederländischen Anbieter verkauft wurde und heute unter dem Namen Moqo eine Plattform für den Fahrzeugverleih und das Flottenmanagement von Unternehmen bietet. Lauten ist zwar noch mit 1,85 Prozent beteiligt, operativ aber seit mehreren Jahren ausgeschieden. Nach seinem Austritt arbeitete Lauten im Energiemonitoring von RWE, bevor ihm die Idee zu einer KI gegen Lebensmittelverschwendung kam. Damals hieß Foodforecast noch Werksta.tt – so stellte Lauten sein Konzept 2021 auch erstmals in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ vor. Zwar bekam er dort ein Investment mit Carsten Maschmeyer in Höhe von 120.000 Euro zugesagt, der Deal kam allerdings danach nicht zustande.
Dass Lauten nicht auf die Unterstützung prominenter Investoren angewiesen ist, zeigt seine aktuelle Investmentrunde. Wie es der Gründer geschafft hat, von VCs nun drei Millionen Euro einzusammeln, seht ihr hier. Das Pitchdeck von Foodforecast liegt Gründerszene exklusiv vor.
Weitere spannende Unternehmens-Präsentationen findet ihr auf unserer Pitchdeck-Themenseite. Für eure eigenen Slides könnt ihr hier von Experten Video-Feedback bekommen.
Source: businessinsider.de