Wasserstoff und Biosprit: Der künftige Energiehafen Hamburg nimmt Gestalt an – WELT

In den kommenden drei Jahren sollen mehrere große Projekte für die Herstellung und den Import klimaschonender Energieträger marktreif sein. Auch die Infrastruktur dafür wird rund um den größten deutschen Seehafen aufgebaut.

Ein Umschlagplatz für Energie ist Hamburgs Hafen seit jeher. Und das soll auch so bleiben, wenn regenerativ erzeugte Energieträger die fossilen Energien in den kommenden Jahrzehnten ablösen. Das jedenfalls ist das Ziel des Hamburger Senats und der regionalen Wirtschaft.

Mehrere Großprojekte für die Erzeugung von Wasserstoff und Biokraftstoffen und für den Import von Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak nehmen derzeit Gestalt an. Darüber informierte Hafen Hamburg Marketing am Mittwoch bei einer Online-Informationsrunde.

„Unser Projekt ist auf den Import von jährlich einer Million Tonnen Ammoniak ausgelegt“, sagte Philipp Kroepels, Director New Energy beim Hamburger Energiehandels-Unternehmen Mabanaft. Man habe kürzlich einen Antrag für ein Ammoniak-Tanklager sowie für eine Aufspaltungsanlage – einen sogenannten „Cracker“ – bei der zuständigen Hamburger Umwelt- und Energiebehörde eingereicht. Mabanaft arbeitet dabei mit dem Unternehmen Air Products zusammen. „Ende 2027, Anfang 2028 soll das Tanklager fertig sein. Das genaue Datum hängt aber auch von der Regulatorik ab“, sagte Kroepels. Die politische Unterstützung sei für das Projekt weiterhin „sehr wichtig“. Die Rolle der Seehäfen für einen künftigen, stark diversifizierten Import von regenerativ erzeugten Energien sei „kaum zu überschätzen“, sagte Kroepels.

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Ammoniak besteht aus Wasserstoff und Stickstoff. Es wird üblicherweise zur Herstellung zum Beispiel von Düngemitteln verwendet. Die Herstellung und der Transport von Ammoniak sind seit Jahrzehnten weltweit etabliert. Künftig wird Ammoniak auch als Brennstoff auf Schiffen oder Zusatzbrennstoff in Kohlekraftwerken eingesetzt werden.

Vor allem aber ist Ammoniak eine heute bereits wirtschaftlich darstellbare Methode, um Wasserstoff in Tankern über weite Strecken zu transportieren. Mit reinem Wasserstoff ist das bislang nicht möglich. Air Products will in Saudi-Arabien große Mengen an „grünem“ Ammoniak herstellen, wobei der Strom zur Elektrolyse von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, vor allem aus Solarkraftwerken. Gemeinsam mit Stickstoff, der aus der Umgebungsluft heraus komprimiert wird, lässt sich Ammoniak erzeugen – und mithilfe von „Crackern“ am Zielort wieder in Wasserstoff und Stickstoff aufspalten, sofern reiner Wasserstoff gebraucht wird. Die Erdatmosphäre besteht zu etwa 78 Prozent aus Stickstoff.

„Grüner“ Wasserstoff soll in großen Mengen zum Beispiel eingesetzt werden, um Verbrennungsprozesse in der Stahl- und Zementindustrie künftig ohne Ausstoß von Treibhausgasen zu betreiben. Eine Zwischenstufe auf dem Weg zu „grünem“ Wasserstoff ist „blauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas – Methan – gewonnen wird. Das dabei frei werdende Kohlendioxid wird abgetrennt und in Tiefenspeichern unter dem Meeresboden eingelagert.

Die Hamburger Energiewerke wiederum reißen derzeit das stillgelegte Steinkohlekraftwerk Moorburg ab. Das Kraftwerk lief, für den früheren Eigner und Betreiber Vattenfall, nur etwa sechs Jahre lang, bis Ende 2020. Auf dem Gelände des Kraftwerks wollen die Hamburger Energiewerke von 2027 an in einer Großelektrolyse mithilfe von Ökostrom zunächst 10.000 Tonnen „grünen“ Wasserstoff jährlich erzeugen, vor allem auch für den Eigenbedarf im städtischen Fernwärmenetz. In der ersten Ausbaustufe kostet die Anlage mit einem Siemens-Elektrolyseur rund 400 Millionen Euro. Die Hamburger Energiewerke halten am „Hamburg Green Hydrogen Hub“ 25,1 Prozent der Anteile und der Hamburger Finanzinvestor und Luxcara 74,9 Prozent.

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„Im ersten Quartal 2025 wollen wir das Baufeld für die Errichtung des Elektrolyseurs frei haben“, sagte Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke. „Die Rauchgasentschwefelungsanlage des stillgelegten Steinkohlekraftwerks wird im November gesprengt.“ Gemessen am Platzangebot, kann die Elektrolyseleistung auf dem Kraftwerksgelände nach dem heutigen Kenntnisstand auf bis zu 800 Megawatt ausgebaut werden. Auch dann allerdings würde in Moorburg nur ein Bruchteil jenes Wasserstoffs erzeugt werden können, den Hamburgs Wirtschaft und Privathaushalte künftig brauchen werden, um die Energieversorgung zu dekarbonisieren.

Für einen – neben der Eigenerzeugung – umfangreichen Import von Wasserstoff und dessen Trägermedien Ammoniak und Methanol baut das Unternehmen Energienetze Hamburg deshalb derzeit die ersten 40 Kilometer eines „Wasserstoff-Industrienetzes“ auf. Diese sollen bis 2027 fertiggestellt sein, sagte Jan Schwartz von Hamburger Energienetze. Weitere 20 Kilometer sollen bis zum Beginn des kommenden Jahrzehnts folgen. „Das Wasserstoff-Industrienetz soll zügig auch mit dem bundesweiten Wasserstoff-Kernnetz verbunden werden, dessen Aufbau begonnen hat“, sagte Schwartz.

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Einen anderen Weg gehen die Betreiber der Holbron Europa Raffinerie, die neben dem Kraftwerk Moorburg am südlichen Hamburger Hafenrand steht. Dort startete im September der Aufbau einer Produktion von jährlich zunächst bis zu 220.000 Tonnen Biosprit, der als Diesel ebenso wie als Kerosin endproduziert werden soll. Der Rohstoff dafür sind organische Abfallstoffe, von gebrauchtem Speisefett bis hin zu Zelluloserückständen aus der Papierindustrie. Auch diese Anlage soll im Jahr 2027 den Betrieb aufnehmen. Besonders wichtig könnte dabei vor allem auch die Produktion von Biokerosin sein – die Luftfahrtbranche braucht wegen politischer Vorgaben von 2025 an steigende Mengen von „klimaneutralem“ Sprit. Doch dessen Verfügbarkeit ist in der Metropolregion Hamburg bislang nicht gesichert.

Source: welt.de