Boeing streicht 17.000 Stellen
Boeing sieht sich zu einem radikalen Stellenabbau gezwungen. Der kriselnde amerikanische Flugzeughersteller teilte am Freitagabend mit, seine Belegschaft um 10 Prozent reduzieren zu wollen. Das entspricht etwa 17.000 Arbeitsplätzen. Vorstandsvorsitzender Kelly Ortberg, der erst seit August im Amt ist, schrieb in einer Nachricht an die Beschäftigten: „Unser Geschäft ist in einer schwierigen Position, und es ist schwer, die Herausforderungen überzubewerten, denen wir uns gemeinsam gegenübersehen.“ Es sei jetzt notwendig, die Mitarbeiterzahlen „mit unserer finanziellen Realität in Einklang zu bringen“.
Neben dem Personalabbau machte Boeing am Freitag noch eine Reihe anderer Ankündigungen. Eine von ihnen betrifft auch die Deutsche Lufthansa. So wird sich die Auslieferung des neuen Langstreckenflugzeugs 777X, zu dessen Erstkunden die deutsche Fluggesellschaft zählt, ein weiteres Mal verzögern. Zuletzt war von 2025 die Rede, nun wird 2026 angepeilt. Das Modell wurde schon 2013 vorgestellt und sollte ursprünglich 2020 zum ersten Mal ausgeliefert werden, Boeing musste diesen Termin aber wiederholt nach hinten schieben. Die Lufthansa hatte sich intern schon darauf eingestellt, dass Boeing den Liefertermin 2025 nicht einhalten kann.
Weiterhin teilte Boeing mit, die Produktion der Frachtervariante des Flugzeugtyps 767 im Jahr 2027 einstellen zu wollen, nachdem die verbleibenden Aufträge abgearbeitet sind. „Die Lage unseres Geschäfts und unsere künftige Erholung erfordern harte Maßnahmen,“ sagte Ortberg am Freitag.
Der Konzern gab auch vorläufige Geschäftszahlen für das dritte Quartal bekannt, die unterstreichen, wie angespannt seine Finanzlage ist. Demnach hat er einen Verlust je Aktie von fast 10 Dollar erlitten, was insgesamt einem Nettoverlust von mehr als 6 Milliarden Dollar entsprechen dürfte. Der Mittelzufluss war ein weiteres Mal negativ und betrug 1,3 Milliarden Dollar. Sowohl im Geschäft mit Zivilflugzeugen als auch in seiner Rüstungssparte verbuchte Boeing Sonderaufwendungen von mehreren Milliarden Dollar. Das Unternehmen ist nun auf dem Weg dazu, im sechsten Jahr hintereinander einen Nettoverlust auszuweisen.
Gewerkschaft verlangt 40 Prozent mehr Lohn
Die Nachricht vom Stellenabbau kommt inmitten eines eskalierenden Arbeitskampfs zwischen Boeing und seinen Mitarbeitern. Seit vier Wochen streiken mehr als 30.000 Mechaniker des Unternehmens, und die Produktion wichtiger Modelle wie der 737 Max steht still. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Erst in dieser Woche hat Boeing ein nachgebessertes Angebot wieder zurückgezogen, seither sind die Tarifverhandlungen ausgesetzt. Der Konzern hat eine Anhebung der Löhne um 30 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren in Aussicht gestellt, die Mechanikergewerkschaft verlangt 40 Prozent. Die für das Zivilfluggeschäft verantwortliche Stephanie Pope sagte nach dem Rückzug der Offerte, die Gewerkschaft habe „nicht verhandelbare Forderungen“ gestellt, die weit über das akzeptable Maß hinausreichten, wenn Boeing wettbewerbsfähig bleiben wolle.
Der Streik bedeutet für das Unternehmen eine enorme zusätzliche finanzielle Belastung und trifft es in einer ohnehin schon schwierigen Zeit. Ein Unfall im Januar stürzte es in eine abermalige schwere Krise. Damals löste sich bei einem Flug einer 737 Max 9 kurz nach dem Start ein türgroßes Rumpfteil und hinterließ ein Loch in der Kabinenwand. Die amerikanische Flugbehörde FAA ordnete daraufhin ein Flugverbot an, das sich mehrere Wochen lang hinzog.
Im März kündigte der damalige Vorstandschef Dave Calhoun seinen Rücktritt an. Zunächst hieß es, dies solle zum Jahresende vollzogen, dann aber übernahm Kelly Ortberg den Posten schon im August. Der 64 Jahre alte Manager wurde von außen geholt und war eigentlich schon im Ruhestand. Er war früher Vorstandschef von Rockwell Collins, einem Zulieferer von Flugzeugherstellern. Der Streik hat seine Aufgabe nun gleich zu Beginn seiner Amtszeit noch um einiges schwieriger gemacht.