Anne Applebaum: „Es geht um einen Krieg der Ideen“
Das letzte Stück des Fußwegs zu Anne Applebaums Wohnhaus im Zentrum von Washington führt vorbei an einem Denkmal für den ukrainischen Nationaldichter Taras Schewtschenko. „Freiheit kennt kein Sterben“, zitiert die Inschrift eines seiner Gedichte von 1845, „und die Gierigen können den Lebensgeist nicht fesseln“. Es ist eine passende Nachbarschaft für die Autorin und Historikerin Applebaum. Die Vorfahren ihrer jüdischen Familie stammten aus dem einstigen Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus. Ab 1988 bereiste Applebaum zunächst als Reporterin für britische Zeitungen den Ostblock, erlebte sowohl den demokratischen Aufbruch wie auch das Abgleiten der früheren Sowjetunion in eine Kleptokratie. Ihre Bücher Der Eiserne Vorhang (2012), Roter Hunger (2019) und Die Verlockung des Autoritären (2021) sind vielfach ausgezeichnet. Für Der Gulag, eine Geschichte der sowjetischen Repressionslager, erhielt sie 2004 den Pulitzerpreis. In ihrem gerade erschienenen Buch Die Achse der Autokraten beschreibt Applebaum, wie sich antidemokratische Regime in aller Welt gegenseitig stützen, bereichern und Oppositionelle unterdrücken. Applebaum, 60, öffnet die Tür zu ihrem viktorianischen Townhouse. „40 Prozent meiner Zeit, würde ich sagen, verbringe ich hier, 40 Prozent in Polen und 20 Prozent“, ausschweifende Handbewegung, „hier und da.“ Applebaum ist mit dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski verheiratet. Das Paar lernte sich 1989 kennen, am Tag des Mauerfalls, als auch Sikorski noch als Journalist arbeitete. Am 20. Oktober erhält Anne Applebaum den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.