Milliarden pro Fusionen in Deutschland
Covestro, Techem, Schenker: Diese Woche sind milliardenschwere Übernahmepläne konkret geworden, die für eine Wende im Fusionsjahr 2024 stehen. Als mögliche Projekte waren sie seit Monaten am Horizont erkennbar – nun sind Vereinbarungen unterzeichnet, welche die deutsche Bilanz für Mergers & Acquisitions (M&A) aufhübschen. Im ersten Halbjahr noch hatte der hiesige Markt hinter der internationalen Entwicklung hintergehinkt, das Gesamtvolumen lag weit unter jenem der Vorjahresperiode.
Der Wert aller M&A-Projekte mit deutscher Beteiligung, die im bisherigen Jahresverlauf angekündigt worden sind, ist nach Berechnung des Datendienstleisters Bloomberg der höchste seit drei Jahren. Er liegt demnach um 90 Prozent über jenem im Vergleichszeitraum des Vorjahres bei 96 Milliarden Dollar – der Anstieg fällt doppelt so hoch aus wie im europäischen Bild.
Der Kontrast zum Geschehen in der ersten Jahreshälfte ist markant. Da lag das M&A-Volumen zwar auf der ganzen Welt um etwa ein Fünftel über dem Vorjahreswert – bezogen auf Deutschland aber um ein Viertel darunter. Das lag vor allem daran, dass hierzulande große Transaktionen fehlten, während die Zahl der Projekte in etwa konstant blieb.
Drei große Verkäufe aus Deutschland
Der Juli brachte dann für M&A-Akteure, die an der Beratung bei Deals verdienen, ein erstes Zeichen der Hoffnung: Bosch kündigte an, für 8 Milliarden Dollar das Geschäft mit Heiz- und Klimatechnik von Johnson Controls zu übernehmen. Hier trug ein deutsches Unternehmen also als Käufer zur M&A-Statistik bei.
In den drei großen Projekten, welche dieser Tage konkret geworden sind, stehen die Deutschen hingegen auf der Verkaufsseite. Der Staatskonzern Adnoc aus Abu Dhabi ist nach langem Werben um den börsennotierten Kunststoffkonzern Covestro ans Ziel gelangt: Er will die frühere Bayer-Tochtergesellschaft aus Leverkusen für bis zu 16 Milliarden Euro einschließlich Schulden übernehmen, wie am Dienstag mitgeteilt wurde. Covestros Vorstand und Aufsichtsrat unterstützen das Angebot, die Erfolgsaussicht der Offerte erscheint hoch.
Ebenfalls am Dienstag wurde der Weiterverkauf des Energiedienstleisters Techem bekannt. Der schweizerische Finanzinvestor Partners Group verkauft das Unternehmen aus Eschborn bei Frankfurt für 6,7 Milliarden Euro an die US-Beteiligungsgesellschaft TPG, die sich den singapurischen Staatsfonds GIC als Ko-Investor an die Seite geholt hat. Damit wird Techem wiederum unter Private Equity weitergereicht. TPG wird der vierte Finanzinvestor als Eigentümer – nach BC Partners, Macquarie und momentan Partners Group.
14 Milliarden Euro für Schenker
Auf den letzten Metern befindet sich der Verkauf des Logistikkonzerns Schenker – und auch hier soll, wie in den anderen beiden Fällen, ein Käufer aus dem Ausland zum Zuge kommen. Die Schenker-Eigentümerin Deutsche Bahn hat nach dem monatelangen Bieterverfahren den Zuschlag an den dänischen Konkurrenten DSV gegeben; der ebenfalls interessierte Finanzinvestor CVC hatte das Nachsehen. Volumen der geplanten Transaktion: etwa 14 Milliarden Euro. Am Mittwoch billigte der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn das Vorhaben. Auf der Liste der Ankündigungen, in denen es um ein deutsches Übernahmeobjekt geht, stehen die drei Transaktionen 2024 wertmäßig an der Spitze. Bis dato hatte Encavis den Rang eins eingenommen, der Wind- und Solarparkbetreiber, den KKR zusammen mit anderen Investoren erwirbt.
Der Datendienstleister LSEG errechnete kürzlich für die ersten neun Monate des Jahres 111 Milliarden Dollar als Volumen aller Transaktionen, in denen deutsche Unternehmen als Käufer oder Verkäufer beteiligt waren – ein Plus von 39 Prozent gegenüber dem Wert der Vorjahresperiode. „Im Sommer haben sich einige Transaktionen materialisiert, an denen schon lange gearbeitet wurde. Das passt ins Bild, dass zurzeit viele Prozesse komplexer sind und nach wie vor länger dauern“, sagt Investmentbanker Tibor Kossa von der US-Bank Goldman Sachs, welche die Rangliste der aktivsten Berater in Deutschland weiter anführt.
Was noch fehlt, seien mittelgroße Transaktionen, sagt sein Goldman-Sachs-Kollege Christopher Droege. Immerhin aber hatte auch in dieser Hinsicht der Dienstag dieser Woche etwas zu bieten: Die technologieorientierte US-Beteiligungsgesellschaft Thoma Bravo kündigte an, die Mehrheit an einer Tochtergesellschaft der baden-württembergischen USU Software zu erwerben. Die Sparte soll dabei mit 200 bis 300 Millionen Euro bewertet werden, wie kolportiert wird.
Insgesamt ist Private Equity noch immer vergleichsweise zurückhaltend. „Es besteht aber ein Nachholbedarf sowohl beim Verkauf von Portfoliounternehmen als auch bei Akquisitionen, sodass wir mit mehr Private-Equity-Transaktionen in den nächsten Quartalen rechnen“, sagt Investmentbanker Carsten Laux von der Deutschen Bank. Im Übrigen könnte die Welt der deutschen Großkonzerne weitere schwere Transaktionen hervorbringen: Die Commerzbank hat das Interesse der italienischen Unicredit auf sich gezogen. Der Autozulieferer Continental seht vor einer Aufspaltung. Der Chemiekonzern BASF dürfte Geschäfte, die ein Viertel seines Umsatzes repräsentieren, verselbständigen.