Nahostkrieg: Der nächste schwere Fehler
Nur zwölf Minuten benötigten die ballistischen Raketen des iranischen Regimes, um Israel zu erreichen. Die US-Regierung hatte zwar kurz zuvor vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt, dennoch überraschten die abrupt im gesamten Land aufheulenden Sirenen die rund zehn Millionen Israelis am frühen Abend. Unterwegs auf den Straßen krochen sie unter Autos, duckten sich vor Betonpfeilern oder eilten in die teils unterirdischen Schutzbunker, die in vielen Wohnhäusern und Einkaufszentren vorhanden sind.
Insgesamt feuerte das Regime in Teheran mindestens 180 Geschosse auf Israel, teilte Israels Armee mit. Getötet wurde ein Mensch, ein palästinensischer Arbeiter aus Gaza, der von einem herabfallenden Raketenteil in Jericho im von Israel besetzten Westjordanland getroffen wurde. Verifizierte Videos der New York Times belegen, dass auch im Zentrum von Israel mehrere Raketen einschlugen. Mindestens zwei Explosionen gab es in der Nähe des Hauptquartiers des israelischen Geheimdienstes Mossad. Anwohner berichteten ZEIT ONLINE von Detonationen in der Nähe des Geländes, so heftig, wie sie sie „noch nie zuvor“ gehört hätten.
Wie ein Ring aus Feuer
Am Mittwoch will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Israel droht nun mit Vergeltung für den Angriff, mit dem der Iran die Tötung von Hassan Nasrallah rächen wollte. Bei dem Angriff auf die Führungsregie der Hisbollah und deren Anführer in einem Vorort von Beirut waren mindestens 300 Zivilisten getötet worden. Israel hatte Nasrallah im Visier, nachdem der infolge des Hamas-Angriffs auf Israel am 7. Oktober vor einem Jahr ebenfalls mit dem Beschuss auf Israel begonnen hatte. Jetzt ist wieder Oktober, in einer Woche jährt sich das Hamas-Massaker. Und der Nahe Osten ist in seiner gefährlichen Phase seit Jahrzehnten.
„Achse des Widerstands“ nennen sich die Proxys des iranischen Regimes. In israelischen Medien hat sich dazu in den vergangenen Monaten der Begriff Feuerring etabliert: Wie ein Ring aus Feuer greifen die Terroristen Israel aus allen Himmelsrichtungen an, erst die Hamas aus Gaza, dann die Hisbollah aus dem Libanon, mittlerweile auch die Huthis aus dem Jemen. In Tel Aviv wurden gestern bei einem Terrorangriff sechs Menschen durch Schüsse getötet und zwölf weitere verletzt. Im April griff erstmals, nun zum zweiten Mal, der Iran direkt an. Auch Israel greift an, eskaliert seit zwei Wochen mit produktiven Angriffen den Konflikt mit der Hisbollah, versuchte so die Proxys zu schwächen. Erst am Montag marschierte Israels Armee in den Süden des Libanons ein, sprach von einer „begrenzten Operation“ mit dem Ziel, Stellungen der Terroristen zu zerstören.
Ein weiterer Oktober
Einen „schweren Fehler“ nannte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun den iranischen Angriff und sagte, das Regime werde dafür einen Preis bezahlen. Die Reaktion Israels wird entscheiden, wie schnell und wie schwerwiegend der Krieg im Nahen Osten weiter eskalieren wird. Bereits nach dem ersten Angriff im April standen im israelischen Kriegskabinett Pläne zu einem umfassenden Gegenschlag zur Debatte. Wie mehrere Medien im April berichteten, soll US-Präsident Joe Biden damals sein Veto eingelegt und gesagt haben, dass die USA nicht helfen würden, sollte Israel im Alleingang vorgehen.
Und nun? Nun ist wieder Oktober. In einem Monat steht die US-Präsidentschaftswahl bevor. Netanjahu, schätzen Beobachter, setzt auf Donald Trump und soll sich nichts mehr sagen lassen von dem bald aus dem Amt scheidenden Biden. Am Dienstagabend berieten sich die beiden Regierungschefs zur Lage. Zuvor hatte Biden gesagt, dass sein Team während des Angriffs in Kontakt mit dem Stab von Netanjahu gestanden habe. Den iranischen Angriff nannte Biden „gescheitert“.
Drohungen müssen ernst genommen werden
Die USA werden weiter an der Seite Israels stehen, auch das hat Biden erneut gesagt. Die Frage ist, ob es Möglichkeiten gibt, Israel davon abzuhalten, weiter maximale Stärke zu zeigen. Die Frage ist auch, ob Israels aktuelle Strategie der maximalen Stärke aufgehen könnte. Sicher ist bisher nur: Die stärksten Mächte im Nahen Osten stehen sich jetzt direkt gegenüber, nachdem Israel mit überraschendem Erfolg die Hisbollah-Strukturen zerstört und auch die Hamas-Führung mit Ausnahme von Jahia Sinwar getötet hat.
„Wir werden jeden erreichen, überall“, sagte Israels Armeesprecher nach der erfolgreichen Tötung Nasrallahs. Auch das Regime in Teheran hatte sich in den vergangenen Monaten mehrmals mit Drohgebärden übertroffen, zuletzt vor zwei Tagen. „Wir werden entscheiden, wann wir den Preis fordern und unsere präzisen und überraschenden Angriffsfähigkeiten demonstrieren werden“, sagte in der Nacht zum Mittwoch der israelische Generalstabschef Herzi Halewi.
Wie genau ein Vergeltungsschlag aussehen könnte, sagte er nicht. Der Angriff vom Dienstag beweist aber, dass es an der Zeit ist, die Drohungen aller Beteiligten ernst zu nehmen.
Nur zwölf Minuten benötigten die ballistischen Raketen des iranischen Regimes, um Israel zu erreichen. Die US-Regierung hatte zwar kurz zuvor vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt, dennoch überraschten die abrupt im gesamten Land aufheulenden Sirenen die rund zehn Millionen Israelis am frühen Abend. Unterwegs auf den Straßen krochen sie unter Autos, duckten sich vor Betonpfeilern oder eilten in die teils unterirdischen Schutzbunker, die in vielen Wohnhäusern und Einkaufszentren vorhanden sind.
Insgesamt feuerte das Regime in Teheran mindestens 180 Geschosse auf Israel, teilte Israels Armee mit. Getötet wurde ein Mensch, ein palästinensischer Arbeiter aus Gaza, der von einem herabfallenden Raketenteil in Jericho im von Israel besetzten Westjordanland getroffen wurde. Verifizierte Videos der New York Times belegen, dass auch im Zentrum von Israel mehrere Raketen einschlugen. Mindestens zwei Explosionen gab es in der Nähe des Hauptquartiers des israelischen Geheimdienstes Mossad. Anwohner berichteten ZEIT ONLINE von Detonationen in der Nähe des Geländes, so heftig, wie sie sie „noch nie zuvor“ gehört hätten.