Rentendebatte: Liberale bereitet die Eskalation vor – und scheint bereit liegend, die Ampel scheitern zu lassen – WELT

Bei der ersten Bundestags-Beratung zum geplanten Rentenpaket demonstriert die FDP offenen Widerstand. Die Partei will dem Entwurf nicht zustimmen, auch wenn Chef Lindner ihn als ausverhandelt erklärt hat. Alles läuft nun auf einen Showdown heraus – in der Ampel und innerhalb der FDP.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sein Rentenpaket im Bundestag eingebracht. Doch ob das umstrittene Vorhaben zur dauerhaften Stabilisierung des Sicherungsniveaus am Ende auch eine Mehrheit findet, ist ungewiss. Denn die FDP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf in der jetzigen Form „wegen der enormen Steigerung der Beitragssätze“ nicht zustimmen, kündigte der stellvertretende Parteichef Johannes Vogel bei der ersten Lesung an. Damit läuft der Rentenstreit sowohl innerhalb der Koalition als auch innerhalb der FDP auf einen Showdown zu.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Gesetzentwurf zuvor für ausverhandelt erklärt. Und Heil bedankte sich im Parlament ausdrücklich bei Lindner für „die gute Zusammenarbeit“ bei diesem gemeinsamen Gesetzentwurf. Allerdings fehlte Lindner an diesem Freitagmorgen bei der Rentendebatte.

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Gegen das Herzensprojekt der SPD regt sich in der FDP-Fraktion seit Monaten wachsender Widerstand. Etliche Abgeordnete sind offensichtlich geneigt, notfalls die Ampel-Koalition daran scheitern zu lassen. Genau darauf hofft Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg, der mit Blick auf Vogels vernichtende Kritik an Heils Gesetzentwurf von einem „Glaubwürdigkeitstest für die FDP“ sprach.

Als erster Parlamentarischer Geschäftsführer machte Johannes Vogel jedenfalls deutlich, dass seiner Fraktion einige kosmetische Korrekturen keineswegs ausreichen dürften. Mit der geplanten Festschreibung des Rentenniveaus auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent wolle Heil „eine enorme Steigerung der Beitragssätze dauerhaft festschreiben“, warf Vogel dem Minister vor.

Als Folge würden die Sozialabgaben in den kommenden Jahren dann in Richtung 50 Prozent marschieren. Deutschland sei aber bereits „Weltmeister bei Steuern und Abgaben“, und diese Standortprobleme dürfe man nicht noch vergrößern, kritisierte der FDP-Mann. Laut Bundesrechnungshof führt das Rentenpaket bis 2045 zu Mehrausgaben von einer halben Billion Euro.

Rente bleibe laut Heil „Fundament der Alterssicherung“

Minister Heil verteidigte sein Vorhaben und warnte davor, in der Debatte um die Rente Jung gegen Alt auszuspielen. Mit der Festschreibung des Rentenniveaus werde sichergestellt, dass die Renten auch in Zukunft weiterhin so stark wie die Löhne stiegen, sagte der Minister.

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Das Gesetz komme nicht nur den 21 Millionen zugute, sondern gebe auch den heutigen und den künftigen Arbeitnehmern die Sicherheit, im Alter eine ordentliche Rente zu bekommen. Die gesetzliche Rente sei und bleibe „das Fundament der Alterssicherung in Deutschland“, betonte Heil.

CDU-Haushaltsexperte Middelberg nannte das Rentenpaket „unverantwortlich und völlig ungerecht“, zumal die gesamte Finanzierungslast der arbeitenden Mittelschicht sowie den Jüngeren aufgebürdet werde. Wertlos sei zudem Heils Versprechen, mit dem Gesetz für eine Absicherung der Rente zu sorgen.

„Im Gegenteil: Sie zerstören die Stabilität des Rentensystems“, warf Middelberg der Ampel vor. Auch der zweite Teil des Rentenpakets, der Aufbau eines „Generationenkapitals“ in der gesetzlichen Rentenversicherung, ist nach Ansicht des Unionsfraktions-Vizechefs „nur eine Lachnummer“.

Heils Gesetzentwurf sieht vor, dass bis 2035 – finanziert über zusätzlichen Schulden – eine Kapitalreserve von 200 Milliarden Euro aufgebaut wird, mit der am Aktienmarkt eine Rendite erwirtschaftet werden soll. Ab 2036 sollen daraus zehn Milliarden Euro pro Jahr an die Rentenkasse fließen, um damit den starken Beitragsanstieg abzumildern.

Weil die Rentenausgaben dann allerdings rund 600 Milliarden Euro im Jahr betragen werden, kritisierten Union und AfD den Entlastungseffekt als lächerlich gering. Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht lehnen das Generationenkapital und jede andere Form der kapitalgedeckten Alterssicherung grundsätzlich ab.

Wann der Bundestag über das Rentenpaket abstimmt, steht noch nicht fest. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) strebt einen Termin im November – ausdrücklich noch vor der Abstimmung des Haushalts 2025 – an. Auch beim Etat sind die Verhandlungen innerhalb der Ampel-Koalition an einem kritischen Punkt.

Dorothea Siems ist Chefökonomin der WELT. Die promovierte Volkswirtin erhielt 2011 den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik.

Source: welt.de