Volkswagen in jener Krise: Jetzt sind harte Einschnitte nötig
Die Krise des Volkswagen-Konzerns hat Deutschland aufgeschreckt. Der größte private Arbeitgeber im Land muss drastisch sparen. Jetzt überschlagen sich Politik und Gewerkschaften mit Ideen, wie das Problem zu lösen ist. Abwrackprämie und Steuervergünstigungen, um den Verkauf von Elektroautos zu fördern, Viertagewoche für die Beschäftigten: All das wird flankiert von Großkundgebungen der IG Metall, die mit VW über einen neuen Haustarif verhandelt und ein Lohnplus von 7 Prozent fordert.
Dass Europas größter Autokonzern mit hohen Personalkosten und niedriger Produktivität kämpft, ist seit Jahrzehnten bekannt. Aber noch immer scheinen Politiker und Arbeitnehmervertreter zu glauben, dass es nur darum geht, vorübergehende Nachfrageschwächen zu überbrücken. Das Gegenteil ist der Fall. Subventionen und arbeitsmarktpolitische Instrumente zementieren Strukturen, die nicht wettbewerbsfähig sind. In der Krise liegt die Chance, VW zu erneuern und den ganzen Industriestandort zu stärken. Doch dafür sind harte Einschnitte nötig.
Nicht nur Wolfsburg steckt im Umbruch. Im Ruhrgebiet ringt Thyssenkrupp um seine Zukunft, in Ludwigshafen hat der Chemiekonzern BASF schon einzelne Anlagen abgestellt, weil sie zu teuer produzieren. Hohe Energie- und Arbeitskosten, Bürokratie und wegbrechende Chinageschäfte belasten ganze Branchen. Im VW-Konzern kommt die besondere Struktur mit gesetzlich fixierten Sonderrechten der IG Metall und des Großaktionärs Niedersachsen hinzu. Das verstärkt Beharrungskräfte, auch wenn Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der Betriebsrat nun unisono verbreiten, der Ernst der Lage sei allen klar. Gewerkschaft und Management lägen nur in der Frage auseinander, wie eine Lösung aussehen solle, heißt es. Das ist nicht mehr als eine rhetorische Verrenkung.
Die Sparprogramme reichen nicht
Besonderheiten wie die Grünpfleger oder die nach Haustarif bezahlten Mitarbeiter in Pförtnerlogen des Wolfsburger Stammwerks sind die Spitze des Eisbergs. 120.000 Mitarbeiter hat die Volkswagen AG, ein organisatorischer Überbau des Konzerns mit sechs Standorten, um deren Haustarif jetzt gerungen wird. Seit Langem steht im Raum, dass 20.000 bis 30.000 Stellen abgebaut werden sollen. Auch jetzt ist der Aufschrei groß, wenn solche Dimensionen aufkommen. Doch sie spiegeln die Realität wider. Vor allem die renditeschwache Stammmarke VW muss sparen. Denn ihre Probleme kann der Konzern nicht mehr mit Gewinnen aus China überdecken, wo lokale Rivalen in der E-Mobilität enteilt sind. Sparprogramme wurden aufgesetzt, reichen aber nicht, um Verwaltung und Produktion anzupassen.
Die Misere der deutschen Werke ist überall mit Händen mit zu greifen. An Orten wie Zwickau oder Emden arbeiten Beschäftigte mit Engagement und pflegen eine Unternehmenskultur, die mit Machtkämpfen im Wolfsburger Markenhochhaus wenig zu tun hat. Aber es hilft nichts: Die Auslastung ist zu niedrig, und die Aussichten sind derart trübe, dass es ohne Werksschließungen nicht gehen wird. Mit kleinen Standorten wie Osnabrück oder der gläsernen Manufaktur in Dresden ließe sich anfangen, ohne dass ganze Regionen in eine Abwärtsspirale gerieten. Viel schwieriger ist der Umgang mit großen Autowerken wie Hannover, von Wolfsburg mit seinen 66.000 Beschäftigten ganz zu schweigen.
Das Schweigen der Familien Porsche und Piëch
Das Management zeigt sich von der Empörung überrumpelt. Auf Betriebsversammlungen haben sich Vorstandschef Oliver Blume und seine Führungskräfte dem Sturm gestellt. Aber stärkere Signale sind nötig. Wer Verständnis für Entlassungen und Tarifeinschnitte verlangt, sollte selbst ein Beispiel geben und auf mehr verzichten als nur 5 Prozent seines fürstlichen Grundgehalts. Gleiches gilt für die Familieneigentümer. 4,5 Milliarden Euro Dividende hat VW zuletzt ausgeschüttet, ein großer Teil davon fließt an die Stuttgarter Holding der Familien Porsche und Piëch. Sie haben bislang öffentlich keinen Ton zur Lage des Konzerns von sich gegeben. Nicht einmal mitfühlende Worte für die Belegschaft konnten sie sich abringen.
Die Politik hilft, wenn sie Bürokratie abbaut und CO2-Vorgaben zurücknimmt. Schon 2025 drohen VW und den anderen Herstellern Strafen in Milliardenhöhe, weil sie Grenzwerte überschreiten. Die Branche braucht jeden Cent, auch um E-Autos zu entwickeln, die Kunden wirklich haben wollen. Chinesische Anbieter drängen nach Europa, auch Rivalen wie der europäisch-amerikanische Mehrmarkenkonzern Stellantis sind effizienter als VW. Für die Wolfsburger bietet sich womöglich die letzte Chance für einen Neuanfang.