Energiewende: Comeback für jedes Reaktor von Harrisburg
Ein Reaktor des Three-Mile-Island-Atomkraftwerks in der Nähe von Harrisburg, Pennsylvania, soll wieder in Betrieb genommen werden. Das gab der Betreiber Constellation jetzt, 45 Jahre nach dem weltweit bekannt gewordenen Reaktorunfall von Harrisburg, bekannt. Damals ereignete sich in zwei der drei Reaktoren eine Teil-Kernschmelze. Der dritte Reaktor blieb unbeschädigt und lieferte Strom bis 2019, als er aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde. „Die Symbolik ist enorm“, sagte Constellation-Chef Joseph Dominguez: „Das war der Ort des größten Misserfolgs der Industrie. Jetzt kann es der Ort der Wiedergeburt sein.“
Constellation will diesen Reaktor für 1,6 Milliarden Dollar erneuern und 2028 wieder ans Netz bringen. Die Kalkulation geht jetzt auf, weil der Softwarekonzern Microsoft die Abnahme des Stroms auf 20 Jahre garantiert. Microsoft braucht den Strom dringend, um seine Rechenzentren an der Ostküste zu versorgen und gleichzeitig den selbst gesetzten CO2-Emissionszielen gerecht zu werden. Microsoft will „carbon negative“ werden.
Atomkraft stößt weltweit auf neues Interesse, weil die USA und viele andere Länder versuchen, ihre Volkswirtschaften und Verkehr zu elektrifizieren, um Treibhausgase zu reduzieren. Zusätzlich entstehen mit zunehmender Digitalisierung und verstärktem Einsatz Künstlicher Intelligenz überall Rechenzentren mit hohem Strombedarf. Kürzlich hatte Oracle bekannt gegeben, ein Rechenzentrum zu entwickeln, dessen Strom aus drei kleinen Kernkraftwerken gespeist werden soll.
Breite Unterstützung der Politik
Bevor der Harrisburg-Reaktor wieder ans Netz kann, muss die Inbetriebnahme von der amerikanischen Atomaufsicht und regionalen Behörden genehmigt werden. Constellation strebt nach eigenen Angaben eine Betriebsgenehmigung bis 2054 an. Der demokratische Gouverneur Josh Shapiro unterstützt das Comeback des Reaktors ebenso wie lokale Politiker beider Parteien, die sich von dem Projekt Arbeitsplätze versprechen. Constellation zitiert aus Umfragen, dass zwei von drei Bürgern im Bundesstaat Pennsylvania Kernkraft befürworten.
Die USA haben aktuell 54 Atomkraftwerke mit 94 Reaktoren in Betrieb. Zwischen 2012 und 2022 wurden 13 Reaktoren vor allem aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Sie konnten mit günstigem Strom von Gaskraftwerken, Solaranlagen und Windrädern nicht mithalten.
Jetzt aber sind in den ganzen USA Bestrebungen im Gange, die Atomkraft wieder zu beleben. In Kalifornien machte das Parlament die Entscheidung, das Kernkraftwerk Diablo Canyon zu schließen, rückgängig. In Michigan prüft der Energietechnik-Konzern Holtec International, ob er das 2022 geschlossene Atomkraftwerk Palisades wieder ans Netz bringen kann. Der Bundesstaat Virginia, der mehr Rechenzentren beherbergt als der Rest der Republik, prüft den Neubau eines kleinen Atomkraftwerkes, um dem nach eigenen Kalkulationen dramatisch wachsenden Strombedarf gerecht zu werden. Der US-Kongress unterstützt entsprechende Pläne mit Subventionen und Steuernachlässen.