Klimaanlagen sind besser denn ihr Ruf: Sie können dieser Energiewende helfen

Alle Jahre wieder dörrt das Hirn aus. Wenn es Sommer wird, schwitzen die Deutschen – und sie tun bemerkenswert wenig dagegen.

Deutschland tut sich schwer mit dem Kühlen, schwerer als andere Länder. An heißen Sommertagen, in schlecht gedämmten Altbauten mit Südfenstern können die Temperaturen im Büro leicht über die 35-Grad-Marke gehen. Das ist nicht nur ein Problem aus Sicht des Arbeitsschutzes, es schadet auch der Produktivität. Wenn der Schweiß an Stirn, Armen und Beinen heruntertropft, dann schwirrt im Kopf höchstens noch der Ohrwurm „36 Grad, und es wird noch heißer“.

Auch bei Büroaufgaben, so haben es Studien gezeigt, leidet die Arbeit spätestens oberhalb von 24 Grad. Bei 30 Grad sind schon zehn Prozent der Leistung weg, und wenn es Richtung 40 Grad geht, wird es noch viel mehr. Kein Wunder, dass Singapurs ehemaliger Premierminister den Aufstieg des Landes auch darauf zurückführt, dass Klimaanlagen die heißen Temperaturen erträglicher gemacht haben.

Deutschland ist nicht Singapur, aber der Klimawandel wird auch hierzulande mehr Hitze bringen. „Heiße Tage“ nennen Meteorologen Tage mit Temperaturen über 30 Grad, davon soll es auf Dauer mindestens 14 im Jahr mehr geben. Die Zahl der tropischen Nächte, in denen die Temperatur außen nicht unter 20 Grad fällt, soll um mindestens fünf wachsen, in Städten eher mehr.

Viele neue Wohnhäuser sind gebaut, um den Klimawandel zu bekämpfen – aber nicht unbedingt dafür, ihn gut zu ertragen. Sie brauchen im Winter wenig Heizenergie, sind zwar gut gedämmt, aber haben auch große Fenster nach Süden oder Südwesten. Darunter leiden die Bewohner im Sommer. Morgens können sie noch lüften, aber am Tag müssen die Rollläden runter, schon ist es im Haus wieder dunkel. Heiß wird es trotzdem, und das schadet nicht nur dem Geist, sondern auch dem Körper. Rund ein Viertel der Deutschen litt in diesem Sommer bis Ende Juli schon unter Gesundheitsproblemen durch die Hitze, hat die Krankenkasse DAK erfragt. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass in dieser Zeit mehr als 1000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Hitze gestorben sind. Dabei war der Sommer bis Ende Juli dieses Jahr noch gar nicht so warm. In heißen Jahren steigen die Todeszahlen bis auf 10.000.

Das hängt auch mit den Krankenhäusern zusammen, wo die gesundheitlich angeschlagensten Menschen der Hitze ausgesetzt werden. Nur sechs von zehn Notaufnahmen werden von Klimaanlagen gekühlt, bei den Patientenzimmern sind es sogar nur vier von zehn.

Woran liegt das? Es hat damit zu tun, dass die Deutschen Zugluft und Kälte skeptisch gegenüberstehen – viel skeptischer, als es die Medizin verlangt. Es hat aber auch damit zu tun, dass Klimaanlagen seit Jahren als Klimasünder gelten. Sie enthalten schädliches Kältemittel, leiten Abwärme nach draußen und brauchen auch noch viel Strom. „Der BUND Naturschutz empfiehlt Verbrauchern, auf Klimageräte ganz zu verzichten“, so heißt es in einer Handreichung der Umweltorganisation. „Stattdessen sollte nachts und morgens gut gelüftet werden. Fenster, die von der Sonne beschienen werden, können mit lichtdichten Markisen, Vorhängen oder Rollläden abgedunkelt werden. So bleibt die Hitze draußen.“

Gesetze machen den Einbau schwierig

Die Politik hat die Botschaft gehört. Noch die große Koalition hat – kurz bevor sie abgewählt wurde – der Bundesverwaltung eine Vorschrift hinterlassen, die die Anschaffung von Klimaanlagen deutlich erschwert. In Hamburg wird es sogar privaten Hauseigentümern per Landesgesetz schwer gemacht, eine Klimaanlage einzubauen. Vorrangig muss geprüft werden, ob man das Haus umbauen kann.

Wer mal einen heißen Sommer erlebt hat, der weiß: Das hilft nur bedingt. Wahr ist: Grünflächen in der Stadt, Bäume, gut isolierte Fenster – was Klimaschützer empfehlen – schaden nicht. Aber das reicht nicht aus, und oft ist es auch gar nicht so schnell zu organisieren.

Doch zum Glück sind Klimaanlagen längst nicht mehr so schädlich fürs Klima wie vor ein paar Jahren. Das gilt vor allem für Deutschland.

Ja, Klimaanlagen brauchen viel Strom. 250 Kilowattstunden sind über ein Jahr schnell verbraucht, bei aktuellen Strompreisen können das allein 75 Euro im Jahr für Strom sein. Aber wegen des Klimas muss niemand mehr ein schlechtes Gewissen haben.

An sonnigen Tagen wird zu viel Strom erzeugt

Tatsächlich hat Deutschland mit der Energiewende viele Probleme. Dazu gehört der Ausbau der Windkraft und auch die Stromversorgung in längeren Phasen, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Doch wenn die Sonne scheint und es in Deutschland warm wird, dann ist die Zeit für Klimaanlagen – und dann hat Deutschland im Moment sogar oft zu viel Strom. „Die sonnenreichen Stunden sind im Moment ein Problem, weil viele Solaranlagen trotz Stromüberschuss nicht abschalten. Hier könnte zusätzlicher Stromverbrauch dem System sogar helfen“, sagt Oliver Ruhnau vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln.

Am Strompreis sieht man das ganz deutlich. Weit verbreitet sind im Sommer die Tage, an denen der Strompreis an der Börse negativ wird. Das heißt: Wenn Großkunden Strom verbrauchen, werden sie dafür sogar noch dafür bezahlt. Das liegt daran, dass Deutschland in solchen Situationen den überschüssigen Strom im Ausland gar nicht mehr loswird. Im Land werden dann große Photovoltaik-Anlagen abgeschaltet, deren Betreiber dafür teuer entschädigt werden müssen. Das erhöht sogar die Strompreise für Verbraucher.

Doch schlimmer noch: Der Netzbetreiber kann viele Solaranlagen gar nicht abschalten. Die deutschen Hausbesitzer haben inzwischen viele Photovoltaik-Module auf ihren Dächern installiert, die bei Sonnenschein ihren Strom ins Netz drücken und die sich nicht abschalten lassen. Das führt zu Schwierigkeiten. Denn im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage immer ausgeglichen sein. Auch wenn zu viel Strom produziert wird, gefährdet das die Stabilität – und deshalb sind Klimaanlagen inzwischen in solchen Situationen geradezu willkommen.

Grünes Licht vom Verband der Stadtwerke

Zwar schimpfen Klimaschützer immer wieder darüber, dass Bayern zu wenige Windräder baut. Schon eine kurze Reise übers bayerische Land führt allerdings ständig zu Feldern, die mit Solarmodulen zu regelrechten Sonnenkraftwerken gemacht worden sind. Entsprechend hoch ist die Produktion, wenn die Sonne scheint. Weil es in Deutschland überall an Stromleitungen fehlt, lässt sich der Strom auch schlecht in andere, bewölktere Regionen Deutschlands verteilen. Erst vergangene Woche beschwerte sich ein Feinkosthändler in Erding, weil seine Solarmodule vom Netzbetreiber abgeschaltet wurden und er seinen Strom wieder aus dem Stromnetz kaufen musste.

Alles hängt vom Ausbau der Photovoltaik ab und von der Zeit. In den Vereinigten Staaten läuft es anders. Dort kam das Stromnetz im vergangenen Jahr von der anderen Seite her unter Druck, als am frühen Abend die Menschen von der Arbeit kamen und ihre Klimaanlagen anschalteten. Deutschland versorgt sich allerdings noch viel mehr durch Solarenergie als die USA. Auch hier sollten Klimaanlagen, damit sie klimaschonend sind, am besten mittags laufen. Dann sollten sie die Büros kühlen. Klimaanlagen in den Wohnungen können mittags schon mal per Zeitschaltuhr vorkühlen.

Der Verband Kommunaler Unternehmen, der die Stadtwerke versammelt, gibt grünes Licht: „Nach den uns vorliegenden Informationen kommen die bestehenden Stromnetze zum aktuellen Zeitpunkt mit der zusätzlichen Belastung durch Klimaanlagen gut zurecht.“ Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School, sieht dann sogar positive Folgen für die Leitungen: Wenn der Strom aus den Solarmodulen gleich im Haus nebendran verbraucht wird, müssen die Übertragungsnetze nicht so viel transportieren.

Kältemittel sind umweltfreundlicher als früher

Gar nicht so wichtig ist dabei, ob der Strom direkt aus dem hauseigenen Solarmodul kommt. „In den Abendstunden nimmt der Solarstrom ab, und der Stromverbrauch steigt sowieso. Wenn dann eine Klimaanlage dazukommt und vielleicht noch das Elektroauto geladen wird, muss anderswo mehr Strom mit fossilen Kraftwerken erzeugt werden“, sagt der Kölner Energieexperte Ruhnau.

Bleibt die zweite Sorge der Klimaschützer, die Kältemittel. Tatsächlich werden in Klimaanlagen Stoffe eingesetzt, die der Luft die Wärme entziehen. Wahr ist auch: Wenn diese Mittel in die Luft gelangen, dann wirken sie als Treibhausgase – je nach Stoff – mehr als tausendmal so stark wie Kohlendioxid. Doch auch da hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan.

Nicht zuletzt wegen neuer Regeln der Europäischen Union werden die klimaschädlichsten Kältemittel schon seit Jahren durch weniger schädliche Stoffe ersetzt. Und die Entwicklung geht weiter: Inzwischen experimentieren die Hersteller von Klimaanlagen schon mit Mitteln, die dem Klima nicht viel mehr schaden als Kohlendioxid.

Wärmepumpen lassen sich umschalten

Doch jetzt schon gilt: Selbst wenn das Kältemittel einer handelsüblichen Klimaanlage für ein Wohn- oder Schlafzimmer in die Atmosphäre gelangte, es wäre für die Erderwärmung nicht schlimmer als eine Urlaubsfahrt mit dem Auto ans Mittelmeer. Doch so weit kommt es meistens gar nicht. Dass das Kältemittel überhaupt den Kühlkreislauf verlässt, das kommt sehr selten vor. Denn Klimageräte zur Raumkühlung sind stationär. „Wenn die Leitung einmal verlegt ist, dann rüttelt ja niemand mehr daran“, sagt Konstantinos Stergiaropoulos, Professor für Wärmetechnik an der Universität Stuttgart.

Noch einfacher ist die Lage für Leute, die sowieso schon mit einer Wärmepumpe heizen. Die haben ihr Kältemittel ohnehin schon, denn Wärmepumpen und Klimaanlagen sind im Prinzip die gleiche Technik. Viele neuere Wärmepumpen lassen sich im Sommer einfach umschalten, dann kühlen sie das Haus, statt zu heizen. In diesen Fällen entsteht ein Klimaschaden höchstens durch den Strombedarf.

Und wie ist das, wenn die Energiewende noch weitergeht? Wenn Deutschland zwar noch mehr und mehr Photovoltaik bekommt, aber auch mehr und mehr Strom braucht, um Elektroautos zu laden? Der Ingenieursverband VDI zweifelt daran, dass dann der Strom für die Klimaanlagen noch ausreicht. Stromexperten widersprechen. Wahr bleibt: Der große Engpass bleibt strukturell im Winter. Wenn Wärmepumpen die Häuser mit Strom beheizen, aber die Sonne kaum Energie schickt, aus der man Strom machen könnte.

Mehr und mehr will die Bundesregierung kleine Anlagen fördern, die aus überschüssigem erneuerbarem Strom Wasserstoff machen, von dem Deutschland in den kommenden Jahren ebenfalls viel mehr brauchen wird. Doch selbst die lassen sich nicht so kurzfristig an- und wieder abschalten, glaubt EWI-Experte Oliver Ruhnau: „An besonders sonnigen Tagen wird es auch zukünftig Überschussstrom geben.“