Türkei krampfhaft weiterhin Instagram
Seit dem 2. August ist Instagram in der Türkei blockiert: für fast zwei Drittel der Bevölkerung, also etwa 57 Millionen türkeistämmige Instagram-Nutzer*innen, ein herber Schlag. Die Blockade von Instagram reiht sich ein in eine Abfolge von Blockaden in den letzten Jahren. Webseiten wie Wikipedia, OnlyFans oder auch Nachrichtenseiten wie die Deutsche Welle sind in der Türkei ebenfalls nicht zu erreichen.
Dass es nun Instagram trifft, als die beliebteste Social-Media-Plattform der Türkei, die nicht nur eine Austauschplattform ist, sondern auch eine Werbeplattform für Unternehmen, die mittlerweile Reservierungen, Anfragen, Angebote und Werbung über die Instagram-Plattform abwickeln, lässt vor allem auch einen wirtschaftlichen Schaden vermuten, den Experten mit einem täglichen Volumen von etwa zwei Milliarden türkischer Lira (umgerechnet 55 Millionen Euro) beziffern.
So ist es kein Wunder, dass sich neben vielen privaten Nutzer*innen, vor allem Influencer*innen und Unternehmen davor fürchten, dass die App weiterhin in der Türkei abgeschaltet bleibt. Für viele ist der Umweg über sogenannte VPN, also geschützte Verbindungen, die die Einwahl über andere Länder ermöglichen, zurzeit der einzige Weg, um sich Kochrezepte, Reisefotos, aber auch politische Informationen anzusehen.
Über die Gründe für eine solche Blockade wurde in den vergangenen Tagen wild spekuliert. So hatte der türkische Kommunikationsdirektor, Fahrettin Altun, die Plattform scharf angegriffen: „Ich verurteile aufs Schärfste die Social-Media-Plattform Instagram, die Menschen daran hindert, ohne Begründung Beileidsbotschaften zum Martyrium von Haniyeh zu posten. Dies ist ein sehr klarer und offensichtlicher Zensurversuch“, schrieb Altun zwei Tage vor der Blockade auf X, vormals Twitter.
Zensur? Keine Zensur?
Grund für den Unmut waren die vermeintlich blockierten Postings und Kommentare zum Tod des Hamas-Führers Ismail Haniyeh in Teheran, für den am vergangenen Freitag sogar eine eintägige Staatstrauer verhängt wurde. In der Türkei gilt die Hamas nicht als Terrororganisation, Haniyeh und Erdoğan trafen sich erst im April zu Gesprächen.
Am Dienstag sprach Erdoğan auf einem Menschenrechtsforum seiner Partei von „digitalem Faschismus“, und bezog sich auf die Löschung von Fotos von „palästinensischen Märtyrern“ in den sozialen Medien. Die Blockade der Plattform sei jedoch keine Zensur durch die türkischen Behörden, wenn der „gesellschaftliche Frieden und die Demokratie“ auf dem Spiel stünden, so der Präsident.
Trotzdem geben nun die türkischen Behörden sogenannte „Katalogverbrechen“ als Grund für die Blockade an, darunter Terrorismuspropaganda, Kindesmissbrauch, Beleidigung des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, sowie das Werben für Glücksspiele. Der Cyberrechts-Experte und Juraprofessor an der Istanbuler Bilgi Universität, Yaman Akdeniz, postete auf X, gegen die Blockade Klage eingereicht zu haben. Die Zugriffssperre sei „willkürlich, überzogen und rechtswidrig“, so Akdeniz.
Nach mehreren Gesprächen in den vergangenen Tagen mit den Vertretern des Unternehmens Meta, zu dem Instagram, aber auch Facebook und WhatsApp gehört, sei es noch nicht zu einer Einigung gekommen, ließ sich der Minister für Transport und Kommunikation, Abdulkadir Uraloğlu in den türkischen Medien zitieren.
Doch das Unternehmen Meta ist optimistisch: Laut einer Sprecherin werde das Unternehmen weiterhin alles tun, um die Dienste in der Türkei wiederherzustellen. Der Optimismus könnte getrübt werden durch weitere aktuelle Sperrungen, wie die E-Book-Plattform Wattpad und die Spiele-Plattform Roblox am Mittwochabend. Vor allem die Generation Z wird das betrüben, aber nicht so sehr wie die Sperrung von Instagram.