EZB senkt den Leitzins: Worweiterführend sich Beschäftigte und Arbeitslose freuen die Erlaubnis haben
Besser spät als nie sagt man ja so schön. Das gilt auch für die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Am Donnerstag verkündete die EZB-Chefin Christine Lagarde, den Leitzins um einen viertel Prozentpunkt abzusenken, von 4,5 auf 4,25 Prozent. Zur Erinnerung: Seit Sommer 2022 hatte die EZB die Zinsen innerhalb von 14 Monaten von null auf 4,5 Prozent hochgepeitscht, mit zehn Zinserhöhungen hintereinander. Um die Inflation zu bekämpfen, die aus der Pandemie und dem Ukraine-Krieg resultierte.
Eine Überraschung war die nun erfolgte Zinssenkung längst nicht mehr. Alle Finanzakteure hatten damit längst gerechnet und die Entscheidung schon eingepreist. Seit Dezember fallen beispielsweise die Zinsen für Staatsanleihen und Immobilienkredite. Tatsächlich war die EZB eher spät dran. Überraschend wäre gewesen, wenn sie die Zinsen jetzt nicht gesenkt hätte. Dann hätten sich einige Finanzakteure verzockt und Geld verloren. Zum Beispiel jene Banken, die schon wieder günstigere Immobilienkredite vergeben haben.
Damit verbindet sich auch die gute Nachricht für Deutschlands kriselnde Wirtschaft: Kredite werden wieder günstiger, also wenigstens ein bisschen. Für Häuslebauer, für Firmen und auch für den Staat. Damit bleibt Kreditnehmern mehr Geld für andere Ausgaben. Außerdem werden Investitionen attraktiver. Beides kurbelt die Wirtschaft an. Ein Segen für die Ampel, die am Mini-Wachstum verzweifelt. Aber auch für die Arbeitnehmer, die bei brummender Wirtschaft ihre Löhne steigern können; oder Arbeitslose, die mehr Chancen auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt bekommen.
Doch es gibt auch schlechte Nachrichten. Für Erspartes gibt es bald weniger Zinsen. Für die ärmere Hälfte der Bevölkerung ist das aber nicht so wichtig. Dort gibt es eh kaum nennenswerte Ersparnisse, die Zinsen bringen könnten. Eine laufende Wirtschaft mit besseren Chancen am Arbeitsmarkt ist viel wichtiger, wenn man nicht gerade zur Crème de la Crème der Vermögensverteilung gehört.
Auf welche Daten die EZB ihre Entscheidungen stützt, verrät sie nicht
Um die Wirtschaft endgültig aus dem Koma zu holen, bräuchte es aber einen größeren Impuls als die 0,25 Prozentpunkte. Dafür hätte die EZB aber einsehen müssen, dass sie die Zinsschraube viel zu fest angezogen hat. Und dass hohe Zinsen gar nichts gegen den Preisschock ausrichten konnten. Der Schock resultierte aus der Panik davor, dass Deutschland und Europa das Gas ausgeht, nachdem Putin die Pipelines abgedreht hatte. Doch dank schwimmender LNG-Terminals, Flüssiggas aus anderen Ländern und staatlichen Preisbremsen war die Panik schon nach einem Jahr wieder verflogen.
Schon im September 2023, als die EZB das letzte Mal den Zins anhob, deutete alles darauf hin, dass die Inflation vorbei ist. Importpreise und Erzeugerpreise waren längst auf dem Weg nach unten. Die Gas- und Strompreise an der Börse schon fast wieder auf das Vorkriegsniveau gefallen. Und auch die Verbraucher zahlten für neue Gasverträge nicht mehr 30 Cent die Kilowattstunde, sondern neun Cent. Tendenz: abwärts. Die Preise für Lebensmittel stagnieren sogar schon seit März 2023.
Immer wieder betont die EZB, ihre Entscheidungen datengestützt zu treffen. Auch als sie den Zins im September 2023 auf 4,5 Prozent anhob. Welche Daten das genau gewesen sein sollen, verrät sie öffentlich aber nicht. Das wäre aber angebracht. Immerhin hatten die Zinserhöhungen drastische Nebenwirkungen. Sie haben zum Beispiel die Spielräume im Staatshaushalt verkleinert, die Baubranche abgewürgt und Studis mit KfW-Krediten in die Schuldenfalle getrieben.