Kurzgeschichte: Willie jener Wirrkopf

Diese Erzählung ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 22/2024.

Willies Eltern hielten ihren Sohn für ziemlich seltsam, da er aufmerksam tote Vögel studierte, tote Käfer sammelte und stundenlang vorbeiziehende Wolken beobachten konnte, aber nur Roxie sprach es aus. Als „Willie den Wirrkopf“ bezeichnete sie ihn eines Abends am Esstisch, während Willie in seinem Kartoffelbrei ein Clownsgesicht mit Soße als Augen formte (jedenfalls versuchte er das). Damals war Willie zehn. Roxie war zwölf und bekam allmählich Brüste, worauf sie sehr stolz war. Außer wenn Willie darauf starrte. Weil ihr dabei irgendwie gruselte.
„Nenn ihn nicht so“, sagte Mutter. Sie hieß Sharon.
„Aber es stimmt doch“, sagte Roxie.
„So was hört er bestimmt schon oft genug in der Schule“, sagte Vater. Er hieß Richard.
Manchmal – eigentlich oft – unterhielt sich die Familie über Willie, als ob der gar nicht anwesend wäre. Außer der alte Mann am unteren Tischende.
„Hörst du das wirklich in der Schule?“, fragte Großvater und rieb sich mit dem Zeigefinger die Gegend zwischen Nase und Oberlippe, eine Angewohnheit, wenn er eine Frage gestellt hatte (oder eine beantwortete). Großvater hieß James. Normalerweise verhielt er sich bei Familienmahlzeiten still, teils weil das seinem Wesen entsprach und teils weil Essen für ihn zu einer lästigen Pflicht geworden war. Momentan mühte er sich an dem Rinderbraten ab. Ein Großteil seiner Zähne war ausgefallen.