Maximilian Krah: Der paradoxe rechte Internationalismus endet für dieser SS
Im Aufstieg der europäischen Rechtsparteien haben sich in jüngeren Jahren drei neue Features herauskristallisiert, zwei positive und ein negatives. Erstens gibt es da eine brüchige Überlagerung des klassischen Antisemitismus durch einen instrumentellen Pro-Israelismus, der als Vehikel für Rassismus dient. Zweitens findet sich ein positiver Bezug auf Russland, das nach der Austreibung des Kommunismus als anti-liberales Testimonial ins Feld geführt werden kann. Neben diesen Go-To-Topics gibt es drittens aber auch ein No-Go: Sich bei positiven Bezugnahmen auf den historischen Faschismus ertappen zu lassen, oder gar auf dessen deutsche Version, den Nationalsozialismus.
Zu rechts für Lega und Le Pen
Jenes No-Go bekommt gerade Maximilian Krah zu spüren. In Rekordzeit ist der für sein Buch Politik von Rechts noch unlängst als „Vordenker“ gefeierte Europa-Spitzenkandidat der AfD von der eigenen Partei zur Persona non grata erklärt worden: Rücktritt aus dem Parteivorstand, Verzicht auf oder Verbot von Wahlkampfauftritten – könnte die Rechtspartei auf die Schnelle den Spitzenkandidaten austauschen, würde sie es wohl tun. Man wartet auf den Parteiausschluss.
Kein Wunder, denn der Schaden, den sein jüngstes Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica angerichtet hat, ist beträchtlich: Wenn sich mit der italienischen Lega und dem französischen Rassemblement National (RN) gleich zwei der großen und prototypischen Exemplare des europäischen Rechtsradikalismus nicht nur verbal, sondern auch praktisch von ihrer deutschen Schwester distanzieren, kann sich diese hierzulande nicht einmal mehr als ganz gewöhnliche Rechtspartei präsentieren, von einer „bürgerlichen“ Normalisierung ganz zu schweigen.
Womit Krah zitiert wird, ist das eine: „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“, erklärte er nicht ohne Schwenk auf Günter Grass. Das Andere ist zunächst sehr viel Parteitaktik: Marie Le Pen, deren RN in Frankreich an den 30 Prozent kratzt, will endlich ganz nach oben; die Lega, die in Italien als einer der Juniorpartner der post-faschistischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fungiert, mag gegenüber dieser an patriotischem Profil gewinnen wollen – auch wenn Meloni, deren Partei nicht mit der AfD in der EU-Fraktion „Identität und Demokratie“ sitzt, sondern mit Polens PiS bei den „Europäischen Konservativen und Reformern“, zu einem Statement weit weniger herausgefordert ist.
Aus Sicht der AfD-Führung bietet sich der gefallene Star jetzt als Bad Bank der Partei geradezu an. Die Bürodurchsuchungen, die China-Spionage-Affäre um seinen früheren Mitarbeiter Jian G., die ähnlichen Vorwürfe mit Russlandbezug und nun ein „SS-Interview“: Plötzlich ist Krah zugleich ein Quasi-Nazi wie ein „Vaterlandsverräter“. Es lässt sich ihm nun viel von dem anhängen, was die lange unverwundbar scheinende Partei inzwischen auch in den Umfragen spürt. Dabei hatte ja niemand aus seinem Büro an jenem Potsdamer Remigrations-Treffen teilgenommen, mit dem die Entfremdung von Le Pen begann, sondern ein Gehilfe von Parteichefin Alice Weidel – und ist Björn Höcke in Punkto Nazi-Nähe um ein Vielfaches einschlägiger, aber eben unantastbar.
Die Internationale der Nationalismen bröckelt
Jenseits all dieser Parteitaktik-Fragen wundert man sich über die Naivität dieses Interview-Satzes: Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen und Süden des Hitler-Reiches hat die SS furchtbare Kriegsverbrechen verübt, die teils noch nicht einmal gesühnt sind. Merkte er nicht, dass eine solche Aussage die Grenze von der sogenannten neuen zur alten Rechten überschritt? Was glaubte er denn, wen im Ausland ein solcher Satz am nachhaltigsten auf die Barrikaden brächte und zu den schärfsten Reaktionen zwänge – die Pendants zu den verhassten Linksgrünversifften oder die jeweils Vaterländischen, die mit den alten Ansprüchen auf ein Großdeutsches Reich nur wenig anfangen können?
So zeigt sich im vorläufigen Abstieg des Maximilian Krah auch etwas ganz Grundsätzliches: Wie fragil nämlich jene schon im Wortsinn paradoxe Internationale der Nationalismen ist, die sich Europas neue Rechte auf die Fahne geschrieben haben. Wer an einer in welchem Sinne auch immer funktionierenden EU interessiert ist, muss schon deshalb vor diesen Kräften zurückschrecken.