Chery investiert in Barcelona: Chinas Auto-Offensive in Europa
Chinas Auto-Offensive in Europa nimmt weiter Fahrt auf. Mit dem chinesischen Staatskonzern Chery, der im Westen bisher weitgehend unbekannt ist, investiert das nächste Unternehmen aus der Volksrepublik in Europa. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez eilte eigens vom EU-Gipfel aus Brüssel am Freitagmorgen nach Barcelona zur feierlichen Vertragsunterzeichnung. Er nannte die Vereinbarung zwischen Chery und dem spanischen Automobilhersteller EV Motors ein „Symbol“ für die Reindustrialisierung von Katalonien und ganz Spanien.
In Barcelona sollen 1250 Arbeitsplätze entstehen. Das Joint Venture will bis zum Jahr 2027 jährlich 50.000 Fahrzeuge produzieren, 2029 dann 150.000. Noch in diesem Jahr will Chery mit der Montage von Fahrzeugen der Marke Omoda beginnen. Im vierten Quartal 2024 soll ein elektrischer Allrad-Pick-up der EV-Motors-Marke Ebro folgen.
Für Spanien ist es ein großer Erfolg, dass sich die Chinesen für die Hafenstadt entschieden haben, denn damit kehrt das Leben in das Industriegebiet im Industrie- und Logistikbezirk „Zona Franca“ zurück. Vor gut drei Jahren hatte Nissan dort die Produktion eingestellt, was einen schweren Rückschlag für den Standort Barcelona bedeutete. Nach 40 Jahren standen im Stadtteil Sants-Montjuïc die Bänder still, Tausende Arbeitsplätze gingen mitten in der Pandemie verloren. Jahrelang mühten sich Zentral- und Regionalregierung, dort ein Zentrum für Elektromobilität zu schaffen. Nach mehreren Besuchen in China und langen Verhandlungen entschieden sich EV Motors, das die Mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen hält, und die katalanische Regionalregierung schließlich für Chery.
Niderlage für Ford-Werk in Saarlouis
Cherys Entscheidung für Spanien bedeutete offenbar eine weitere Niederlage für Deutschland. Die Chinesen hatten auch über das Ford-Werk in Saarlouis verhandelt; die Gespräche endeten jedoch ergebnislos, obwohl die Landesregierung eine umfangreiche Förderung in Aussicht gestellt haben soll. Nun droht dort der Verlust von mehr als 4000 Arbeitsplätzen. Ford hatte im Sommer 2022 beschlossen, das Werk in Saarlouis zu schießen. Elektroautos der nächsten Generation sollten stattdessen im spanischen Valencia gebaut werden. Inzwischen überprüft der amerikanische Konzern jedoch sein gesamtes Engagement in Europa, wovon auch Spanien betroffen sein könnte.
Die Chery-Pläne sind Teil einer Offensive chinesischer Hersteller in Europa. Mit Volvo, das zum Geely-Konzern gehört, und MG, das Teil des Schanghaier Staatskonzerns SAIC ist, ist die chinesische Autoindustrie zwar schon lange in Europa präsent. Dabei handelte es sich aber um Marken und Werke, die durch Übernahmen in chinesischen Besitz gelangten. Im Zuge seiner Kooperation mit dem Stellantis -Konzern hat auch das chinesische Start-up Leapmotor Pläne, in Europa zu fertigen.
Großprojekt in Ungarn
Die Investition von Chery ist nun aber in kurzer Zeit die zweite große eines chinesischen Konzerns in ein eigenes Werk. Zuvor hatte der Elektroriese BYD ein Großprojekt in Ungarn besiegelt. Demnächst könnte auch SAIC folgen, das seinen britischen MG-Standort aktuell nur für Forschung und Entwicklung nutzt, aber wieder in Europa fertigen möchte. Die Investitionen hängen auch mit drohenden Zöllen zusammen. Diese könnten am Ende einer Untersuchung der EU-Kommission über chinesische Subventionen für Elektroautos stehen. Durch die Fertigung in Europa könnten die Unternehmen diese Zölle umgehen.
Chery kommt aus Wuhu südlich von Nanjing, wurde erst vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert gegründet und ist so global aufgestellt wie sonst kaum ein chinesisches Autounternehmen. Seit mehr als zwei Dekaden reklamiert der Konzern den Titel als „Chinas größter Autoexporteur“ für sich. Manche Analysten sahen 2023 allerdings SAIC vorn. Rund jedes fünfte Auto, das aus China in die Welt geht, kommt von Chery, also knapp eine Million Fahrzeuge. Insgesamt fertigte das Unternehmen zuletzt knapp 1,9 Millionen Autos im Jahr, ein Zuwachs um die Hälfte. Anders als etwa BYD setzt Chery auch weiterhin auf Verbrenner.
Manche der Chery-Aktivitäten dürften in Europa für Stirnrunzeln sorgen. Die Chinesen haben schon vor zwei Jahrzehnten in eine Fabrik in Iran investiert und 2016 angekündigt, diese auszubauen. Chery ist zudem einer der größten Profiteure des Rückzugs westlicher Autohersteller aus Russland. Branchenmedien schätzen, dass Chery im vergangene Jahr etwa 200.000 Autos in Russland verkauft hat. Zudem kooperiert das Unternehmen für eine seiner Marken eng mit dem im Westen umstrittenen chinesischen Tech-Konzern Huawei.
In Spanien hatte man jedoch keine größeren Berührungsängste. Dank der Kooperation kehrt jetzt die alte spanische Marke Ebro auf den Automarkt zurück. Das nach dem spanischen Fluss benannte Traditionsunternehmen hatte zwischen 1954 bis 1987 in der Zona Franca Lastwagen, Traktoren, Busse und Geländefahrzeuge gebaut. Nissan übernahm später die Produktionsstätte.
Zweitgrößter Autohersteller Europas
Inzwischen ist Spanien nach Deutschland der zweitgrößte Autohersteller Europas und setzt besonders auf die Massenproduktion von elektrischen Kleinwagen. Preiswerter Ökostrom aus Sonnen- und Windenergie, relativ niedrige Gehälter und reichlich Fördermittel helfen beim Aufbau von Batteriefabriken und Produktionsstätten. Zuletzt hat sich der chinesische Hersteller Envision europäische Hilfsmittel in Höhe von 300 Millionen Euro für eine Batteriezellenfabrik in Cáceres in der strukturschwachen Extremadura-Region gesichert. Im vergangenen Jahr begann in Sagunt der Bau der Gigafabrik der Volkswagen-Tochtergesellschaft Powerco. Weitere Batteriezellen-Projekte bei Saragossa (Stellantis) und Valladolid sind in Vorbereitung. In Cádiz hat die Zhenshi Holding Group die alten Airbus-Anlagen übernommen, um dort Windkraftanlagen herzustellen.