Bürgergeld: Arbeitgeber fordern „Grundsanierung“ mit härteren Sanktionen

Mit ihrer Reform zum Bürgergeld wollte die Ampelkoalition alten Ärger über das Vorgängersystem Hartz IV hinter sich lassen. Der Sozialstaat solle Hilfebeziehern mit mehr Respekt begegnen, lautete ein großes Ziel. Doch mittlerweile wird umso mehr darüber gestritten, ob das Bürgergeld auch denjenigen noch genug Respekt erweist, deren Ziel steuer- und abgabenpflichtige Arbeit ohne Abhängigkeit vom Sozialstaat ist. Nein, lautet auch das Urteil der deutschen Arbeitgeber. Und sie ergreifen daher nun selbst die Initiative zu einer grundlegenden Kurskorrektur.

„Deutschland ist mit dem Bürgergeld auf dem Weg in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen“, warnt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. „Ich fordere eine Grundsanierung des Systems“, sagte er der F.A.Z.

Sozusagen als Sanierungsplan hat er mit der Arbeitgeber-Bundesvereinigung BDA daher ein Acht-Punkte-Konzept erstellt, unter dem Titel „Eigenverantwortung stärken, gezielt un­ter­stützen und auf wirklich Bedürftige konzentrieren“. Ein zentraler Ansatz ist die Stärkung finanzieller Anreize für diejenigen, die sich aktiv um einen Einstieg in Arbeit und den Ausstieg aus der Grundsicherung bemühen.

Kritische Debatten seien kein Zufall

„Jemand, der arbeitet, muss immer deutlich mehr haben als jemand, der nicht arbeitet“, betont Dulger. „Und jemand, der seine Arbeit ausweitet, muss mehr in der Tasche haben als davor.“ Tatsächlich werde dies aber durch das Bürgergeld und auch durch andere Sozialleistungen wie das Wohngeld derzeit unterlaufen. Die vielen kritischen Debatten über das Sozialsystem seien daher kein Zufall. „Eine Mehrheit der Bevölkerung denkt, dass mit dem Bürgergeld zu wenig Anreize zum Arbeiten gesetzt werden.“

Der Plan der Arbeitgeber sieht daher vor, selbst erarbeitetes Einkommen weniger streng mit Sozialleistungen zu verrechnen. Bisher lohnen sich mehr Arbeit und mehr beruflicher Erfolg oft nur wenig, wie die BDA anhand von Berechnungen des Ifo-Instituts darlegt: Ein Paar in München mit 3000 Euro Bruttoarbeitslohn, das wegen der hohen Mieten dort ergänzende Sozialleistungen bezieht, gewinnt demnach sogar mit einem Verdienstsprung auf 5000 Euro nur etwa 100 Euro netto, da dann der Anspruch auf Transfers entfällt. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP auch dazu Reformen vereinbart, doch nähere Pläne gibt es bisher nicht.

Ziel müsse die Aufnahme von Arbeit sein

Die Arbeitgeber fordern allerdings auch härtere Sank­tionen für Bürgergeldbezieher, die Mitwirkungspflichten un­terlaufen. Und sie wollen den Sozialtransfer für alle stärker auf das „tatsächliche“ Existenzminimum begrenzen.

„Soziale Teil­habe darf bei einem Grund­siche­rungssystem für Erwerbsfähige nicht im Vordergrund stehen“, heißt es in dem noch unveröffentlichten Papier. Ziel müsse die Aufnahme von Arbeit sein. „Wenn Regelbedarfe langfristig und flächendeckend über dem tatsächlichen Bedarf liegen, ist das ungerecht denen gegenüber, die die Grundsicherung mit ihren Steuern finanzieren und verringert Erwerbsanreize.“

Will das Bürgergeld sanieren: Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Will dies Bürgergeld sanieren: Rainer Dulger, Präsident welcher Bundesvereinigung welcher Deutschen Arbeitgeberverbändedpa

Als Verschärfung der Sanktionen sieht der Plan vor allem ein früheres Einsetzen spürbarer Kürzungen vor – etwa wenn jemand grundlos seinem Termin im Jobcenter fernbleibt. „Bei fehlender Mitwirkung in Form von Meldeversäumnissen sollte gleich zu Beginn der Regelsatz deutlich gekürzt werden“, fordert die BDA. „Geringe Leistungskürzungen von 10 Prozent des Regelbedarfs haben keine abschreckende Wir­kung.“ Zudem müsse es möglich sein, so­ge­nann­ten Totalverweigerern im Bürgergeld alles zu streichen, auch die Zahlungen für Wohn- und Heizkosten.

Überschneidung mit den Plänen der CDU

In Teilen deckt sich dies mit dem Konzept „Neue Grundsicherung“, das Mitte März die CDU beschlossen hat. Auch sehen beide Konzepte vor, Freibeträge für Vermögen wieder abzusenken, das Haushalte neben dem Bürgergeldbezug halten dürfen, ohne es anzutasten. Allerdings gehen die Arbeitgeber hier weiter und fordern eine strikte Begrenzung auf 5000 Euro pro Kopf. „Ein Paar mit zwei Kindern mit einem Vermögen von 85.000 Euro ist nicht bedürftig und sollte, anders als es jetzt der Fall ist, keine existenzsichernden Leistungen erhalten“, mahnen sie. Aus Rücksicht auf die Solidargemeinschaft sei die Grundsicherung wieder auf „wirklich Bedürftige“ zu begrenzen.

Die Bürgergeldreform der Ampelkoalition war 2023 in mehreren Stufen in Kraft getreten. Für viel Diskussionsstoff sorgten dabei neben veränderten Sanktionsregeln vor allem die Erhöhungen der Geld­leis­tungen, die mit je 12 Prozent für 2023 und 2024 unerwartet stark ausfielen. Weitere Bausteine waren ein weniger hoheitliches Auf­treten der Jobcenter, das Bemühen um individuellere Förderung und eine Abkehr vom Vermittlungsvorrang: Die Jobcenter sollen Hilfebezieher seither eher in Qualifizierungen vermitteln als in Helferjobs, die vielleicht nicht langfristig stabil sind.

Aus Sicht der Arbeitgeber geht auch das zu weit am Ziel vorbei, freie Stellen zügig zu besetzen. Unter den 5,6 Millionen Bürgergeldbeziehern seien fast 4 Millionen, „die arbeiten können, es aber nicht schaffen ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten – das sind zu viele“, kritisiert Dulger. Zugleich gebe es immerhin 1,7 Millionen freie Stellen.

In dem Papier fordert die BDA daher „konsequente Vermittlung, um alle Po­ten­ziale zur Arbeits- und Fachkräftesicherung zu nutzen“. Dazu gehöre ein „gezielterer Einsatz“ von Weiterbildung, damit eine Kursteilnahme nicht selbst zum Vermittlungshindernis werde. „Bei Bedarf soll­te berufsbegleitend im Betrieb qualifiziert werden“, lautet die Mahnung. Ebenso wichtig sei eine „aktive, engmaschige und bedarfsgerechte Beratung“ durch die Jobcenter – und das nicht zuletzt vor diesem Hintergrund: „Ein regelmäßiger, intensiver Kontakt erschwert es, dass Menschen Leistungen beziehen und sich ,schwarz‘ etwas dazuverdienen.“