Gescheiterte Drogenpolitik: Ein Verstoß gegen das Recht auf Rausch
Natürlich gibt es viele gute Gründe, keine Drogen zu nehmen. Das gilt für das verbotene Kokain genauso wie für Cannabis, das die Bundesregierung nun legalisieren will. Regelmäßiger Cannabis-Konsum zum Beispiel kann Angststörungen, Depressionen oder eine Psychose auslösen.
Ganz abgesehen davon, dass es auch gute Gründe gibt, keinen Alkohol, keinen Kaffee und keinen Zucker zu sich zu nehmen – es gibt eben auch viele gute Gründe, es zu tun. Zucker ist lecker, Alkohol macht redselig, Cannabis entspannt, und Kokain macht Spaß.
Wo die Grenzen zwischen Droge, Genussmittel und Medikament verlaufen, ist eine gesellschaftliche Frage. Das zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Gefährdung der Entwicklung junger Gehirne durch Cannabis als Einwand gegen die Legalisierung vorgebracht wird – während die Abgabe von Wein und Bier an 16-Jährige hierzulande als völlig normal gilt.
Der arbiträre Umgang mit verschiedenen Substanzen ist kulturell-historisch bedingt. Vergessen wird häufig: Der Verabschiedung des UN-Einheitsabkommens über Betäubungsmittel 1961 – das die Unterzeichnerstaaten auf eine restriktive Drogenpolitik verpflichtet – ging knallharte Lobbyarbeit voraus. Harry J. Anslinger, seit 1930 Leiter des US-amerikanischen Federal Bureau of Narcotics (FBN) und ab 1947 Mitglied der UN-Drogenkommission, die das Abkommen von 1961 vorbereitete, schürte gezielt rassistische Vorurteile gegenüber Schwarzen und Mexikanern, um Cannabis zu verteufeln. Mit Erfolg. Das Abkommen und seine Umsetzung in den darauf folgenden Jahrzehnten beendeten auch jede medizinische Forschung an den nun als illegal klassifizierten Drogen und kriminalisierten Praktiken wie das Haschisch- oder Opiumrauchen und das Kauen von Kokablättern, die in manchen Kulturen teils seit Jahrtausenden üblich sind.
Gegen eine Fortführung dieser Prohibitionspolitik spricht nicht nur, dass sie auf unhaltbaren Unterscheidungen beruht – sie ist schlicht und ergreifend gescheitert. Denn klar ist in jedem Fall: Menschen konsumieren Genuss- und Rauschmittel seit Tausenden von Jahren, und sie werden sich nicht davon abhalten lassen. Und weil die Erfüllung dieses Bedürfnisses dem organisierten Verbrechen überlassen wurde, sind ganze Staaten zerfallen und die Substanzen durch Panscherei um ein Vielfaches gefährlicher geworden – wie jüngst die Fälle von Fentanyl-Xylazin-Mischungen aus den USA zeigen, die bei Konsumenten zu schweren Wunden führen.
Eine aufgeklärte Gesellschaft sollte darüber nachdenken, wie sie Konsum so gestalten kann, dass jeder, der etwaige Folgeschäden in Kauf nimmt, die Chance hat, zu wissen, was er tut – wie das bei Alkohol, Zucker und Tabak ja auch der Fall ist. Das erreicht man nicht durch Verbote, sondern durch kontrollierte Herstellung und umfassende Aufklärung.
Es geht dabei nicht einfach um eine Kapitulation vor der Macht des Faktischen. Nenne man es die „freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ (Grundgesetz) oder die „Suche nach Glück“ (US-amerikanische Verfassung): Es gibt überhaupt keinen Grund, davon auszugehen, dass es kein Recht auf Rausch gibt. So gesehen ist die globale Prohibitionspolitik schon in ihrer Zielsetzung falsch, weil ein Menschenrechtsverstoß.
Die Legalisierung von Cannabis ist ein guter Schritt. Der Weg zu einer Welt des freien Rausches ist allerdings noch sehr weit. Zum Glück gibt es was zum Durchhalten.