1,2 Millionen Euro zu Händen ein Bild von Roboter Ai-Da: Kann KI die Kunststars verdrängen?
Bei Sotheby’s wurde das Bild eines KI-Roboters für über eine Million Dollar versteigert. Was können wir daraus lernen? Unsere Kolumnistin Laura Ewert hat einen Vorschlag
Wir lieben große Geldbeträge. Vor allem, wenn wir sie nicht haben. Wir lieben große Geldbeträge sogar so sehr, dass wir „teuer“ oft mit „gut“ oder „relevant“ verwechseln. Deswegen gab es ein breites internationales sogenanntes Presse-Echo, als in der vergangenen Woche beim englischen Auktionshaus Sotheby’s ein Kunstwerk für umgerechnet 1,2 Millionen Euro – laut Tagesschau – versteigert wurde. Das Besondere ist zwar nicht nur der Preis, aber wäre es für, sagen wir, 200.000 Euro beim Berliner Auktionshaus Jeschke Jádi Auctions versteigert worden, hätten wohl weit weniger Hähne danach gekräht.
Unter den Hammer kam ein Porträt des britischen Mathematikers Alan Turing, über zwei Meter groß, dunkle Farben und Beige-Töne, vielleicht dem Post-Impressionismus zuzuordnen. Die Urheberin ist eine Künstlerin mit dem Namen Ai-Da, sie hat einen strengen braunen Pagenkopf und – ich glaube, wir dürfen uns in diesem Fall auch auf Äußerlichkeiten beziehen – volle Lippen, sie trägt eine Jeans-Latzhose, ihre Arme sind nackt und aus Metall, daran bionische Hände, in den weit auseinanderstehenden Augen sind Kameras.
Es ist das erste Gemälde eines KI-Roboters, das bei einer Auktion versteigert worden ist. AI God („KI-Gott“) heißt es, 27 Gebote trieben den Preis in die Höhe. Sotheby’s zeigte sich entzückt, das Werk spiegele die wachsende Schnittmenge zwischen KI-Technologie und dem globalen Kunstmarkt wider, hieß es, ohne dass klar wurde, was das heißt. Das Werk selbst ist ein Referenzfeuerwerk. Denn Alan Turing ist nicht nur einer der Wegbereiter von Computertechnologie, er wies auch schon 1950 auf die Probleme durch Künstliche Intelligenz hin. Und Turing hat eine Biografie, so voller Geschichten und Tragik, wie sie eine KI niemals haben wird. So hat Turing einen großen Anteil daran, dass die Telegramm-Verschlüsselung der Nazis, der sogenannte Enigma-Code, geknackt wurde, doch im Jahr 1952 wurde er zur chemischen Kastration verurteilt, weil Homosexualität noch als Straftat galt. Er litt infolge der Behandlung unter einer Depression und nahm sich zwei Jahre später das Leben.
Die Superreichen haben zu viel Geld, das sie in den Kunstmarkt blasen
Über die sexuelle Orientierung von Ai-Da ist bisher nichts bekannt. Was wir wissen, ist, dass sie nach der Mathematikerin Ada Lovelace benannt ist und 2019 an der Universität Oxford in Großbritannien entwickelt wurde. Denn hinter jedem klugen Roboterinnenkopf steckt ein Team aus Menschen. Und Ai-Da ist nicht einfach so Künstlerin, beteiligt war Aidan Meller, ein Spezialist für moderne und zeitgenössische Kunst. Und sie generiert Ideen durch Gespräche mit ihm und seinem Team, so hatte sie während einer Diskussion über „AI for good“ vorgeschlagen, ein Bild von Turing zu malen. Und weil sie auch sprechen kann, sagte sie etwas über ihre Arbeiten, und zwar: Das Porträt Turings solle dazu einladen, „über die gottähnliche Natur von KI und Computern nachzudenken und gleichzeitig die ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Fortschritte zu bedenken.“ Der Hauptwert ihrer Arbeit, so die Roboterin weiter, sei, als Katalysator für den Dialog über neue Technologien zu dienen.
Tja nun, lassen Sie uns diesen Dialog beginnen. Ist ihr Werk gut? Nein, denn Ai-Da wird niemals über eine individuelle Geschichte verfügen, die zu Emotionen und Abstraktionsvermögen und visualisierten inneren Dialogen führt, es sind einfach nur gebündelte Infos. Wird die KI Künstlerinnen und Künstler verdrängen? Nein, denn die Superreichen haben auch weiterhin zu viel Geld, das sie in den Kunstmarkt blasen möchten. Was lernen wir daraus? Künstliche Intelligenzen müssen keine Bilder malen, sondern sollten lieber Ideen dazu entwickeln, wie große Geldbeträge gerechter verteilt werden können.