10 wichtige Fußballregeln zum Besten von Nicht-Profis

A

wie Abseits

Das Jahrhunderträtsel des Fußballs. Dabei ist es doch sooo einfach: Abseits ist, wenn der Schiedsrichter in seine Pfeife bläst und der ballannehmende bzw. aktiv ins Spielgeschehen eingreifende Spieler der angreifenden Mannschaft bei der Ballabgabe vor dem letzten Spieler der verteidigenden Mannschaft in Richtung des gegnerischen Tores steht. Die Mittellinie zählt nicht zur gegnerischen Spielhälfte, das macht es schön kompliziert. Auch zählen Hände und Arme fußballtechnisch vorübergehend nicht zum Körper. Das bedeutet, Hände und Arme dürfen sich im Abseits befinden, anders als die Beine, der Rumpf oder der Kopf (→ Manndeckung). Diese Regel kommt zum Einsatz, wenn sich der Spieler knapp an der Mittellinie aufhält. Steht der Spieler zwar im Abseits, greift aber nicht ins Spielgeschehen ein, ist das passives Abseits und wird nicht geahndet. Notabene gilt die Abseitsregel bei Einwürfen, Abstößen und Eckbällen nicht. Comprende? Pfeift der Schiedsrichter Abseits, erhält der Gegner einen indirekten Freistoß.

B

wie Box

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Früher sprach man vom Mittelstürmer, der in den Strafraum (auch Sechzehner genannt, weil sechzehn Meter tief) eindringt und einen präzisen Schuss aufs gegnerische Tor abgibt. Heute ist der Mittelstürmer ein → Zielspieler, der die Box infiltriert. Das schöne Wort Strafraum wird nur noch selten von älteren Fußballmenschen bemüht. Die Fähigkeit, schnell von der Verteidigung in den Angriff zu wechseln, ist bei Mittelfeldspielern wünschenswert. Wir nennen diese dynamischen Spieler Box-to-Box-Spieler. Sie gehen weite Wege, um im gegnerischen Strafraum Torchancen zu kreieren (früher: zu erschaffen). Leon Goretzka von Bayern München ist ein solcher Spieler. Leider wurde der 29-Jährige von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht für die kommende Europameisterschaft berufen.

D

wie Dritte Halbzeit

Unter Freunden der dritten → Halbzeit versteht man männliche Menschen, die sich gern vor, während oder nach einem Fußballspiel mit Gleichgesinnten prügeln. Speziell, um dem Gegner zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, wer der wildeste Kerl im Land ist und fremde Nasen am vorzüglichsten bricht. Wie so oft im Fußball, ist organisierte Gewalt im Fußballzusammenhang eine Erfindung des sogenannten Mutterlands des Fußballs: England. Dort waren gewaltausübende Hooligans lange Zeit die Schrecken der Stehränge, bis der Staat rigoros gegen sie vorging. Bisweilen suchen die Freunde der dritten Halbzeit abseits gelegene Drittorte, um fern polizeilicher Dependancen in aller Ruhe einander die Lippen dick zu hauen. Der Ordnungshüter ist ihr natürlicher Feind und wird im Chor gern mittels eines einfachen „All cops are bastards“ (A.C.A.B. oder auch 1312) zurechtgewiesen. Der Polizei sitzt der Schlagstock naturgemäß locker, sie ist für ein kurzweiliges Geplänkel immer zu haben, man gönnt sich ja sonst nichts.

F

wie Falsche Neun

Als hängende Spitze oder falsche Neun bezeichnet man im Fußballkontext Spieler, die zwar der Bezeichnung nach Stürmer sind, aber eigentlich weder dem Angriff noch dem Mittelfeld voll zuzuordnen sind, weil sie Aufgaben von beiden Positionen übernehmen. Der Spieler mit der Nummer 9 war lange Zeit der klassische Stoßstürmer, der im Strafraum (heute → Box) sein wildes Genie austoben durfte. In der eigenen Spielhälfte war er früher selten bis nie anzutreffen, seine Aufgabe war das Toreschießen. Als das Spiel immer schneller wurde, starb der Stoßstürmer aus und wurde aus taktischen Gründen durch die falsche Neun ersetzt. In dem Begriff schwingt ein wenig die Trauer um die verlorene Spezies mit, weil lauffaule Stürmer wie Gerd Müller (BRD) oder Peter Ducke (DDR) früher die Lieblinge der Fans waren und uns wuschig machten.

H

wie Halbzeit

Eines der schönsten Worte im Fußball, das gehaucht seine ganze Wirkung entfaltet. Bitte hauchen Sie einmal: Halbzeit (→ Dritte Halbzeit). Welch hoffnungsfrohe Botschaft sich dahinter verbirgt! Es bedeutet: Noch ist nichts verloren. Wie schön, nicht wahr? Nach fünfundvierzig Minuten bittet der Schiedsrichter die Mannschaften in die Kabinen, um die Halbzeitpause zu genießen. In der Halbzeitpause kann vom Trainer eine falsche Taktik über den Haufen geworfen werden. Die Spieler dürfen sich ausruhen, einander trösten, Bananen oder Wasser zu sich nehmen, die Toiletten aufsuchen und heimlich der oder dem Liebsten via Smartphone ein paar Herzchen schicken. Die Auswechselspieler hoffen darauf, Einwechselspieler zu werden, um ein Halbzeitwunder zu erschaffen. Halbzeitwunderbeispiel gefällig? Am 25. Mai 2005 lag der FC Liverpool zur Halbzeit gegen den AC Mailand im Champions-League-Finale 0:3 hinten. Nach 90 Minuten stand es 3:3. Am Ende gewann Liverpool mit 6:5 nach Elfmeterschießen.

M

wie Manndeckung

In grauer Vorzeit, als Schlaufüchse rar gesät waren und der allwissende Laptoptrainer (Taktik ist das höchste Gebot, lässt gern Clausewitz’ Buch Vom Kriege unauffällig aus der Arschtasche gucken) noch nicht geboren war, stellten einfallslose Runkelrüben, die noch nicht Fußballlehrer hießen, gern die besten gegnerischen Stürmer in Manndeckung. Grobschlächtige Untiere mit der Lizenz zum Knochenbrechen wurden mit der Manndeckung geehrt. Diese versuchten 90 Minuten lang, jede Genialität zu zerstören. Sie griffen in Weichteile ihrer Gegner, beschimpften deren Mütter. Sie spuckten, bissen und schlugen, wenn der Schiedsrichter (→ VAR) nicht hinschaute. Sie waren die Schrecken der Maradonas, Pelés, Ronaldos, Messis und Co. Wird im modernen Fußball nicht mehr gespielt, mehr taktische Möglichkeiten machen den stupiden Manndecker überflüssig.

N

wie No-Look-Pass

Ein No-Look-Pass ist die höchste Form der Passintelligenz. Wer ihn beherrscht, ist ein Zauberkünstlerlyrischer Intensität. Der No-Look-Pass wird vom Passgeber in den ihm nicht einsichtigen Raum expediert. In gottgleicher Kenntnis, alles wird am Ende gut, verfügt der Passempfänger (→ Zielspieler) über unsichtbare Antennen, den Pass zu erhaschen. Der Pass beschreibt eine perfekte Parabel ins fußballerische Elysium, von der wir auf ewig träumen. Der späte Toni Kroos beherrscht diesen Pass im Lager der deutschen Fußballer. Er hatte mit Magic Johnson im Basketball der 80er Jahre einen frühen Adepten. Bastian Schweinsteiger beherrschte das auch: den Gegner ablenken, nach rechts schauen und nach links passen. So kann auch der Verteidiger nicht vorhersehen, wohin der Ball wahrscheinlich gespielt wird. Dieser Pass ist der Inbegriff der Freiheit im Fußball, weil er Spielintelligenz und wildes Denken vereint. Nur wenige Verteidiger sind in der Lage, diesen Pass zu erahnen. Er ist das Sahnehäubchen eines hochartifiziellen Spiels. Wer ihn einmal erleben durfte, wird sofort süchtig.

T

wie Todesgruppe

Deutschland muss die Gruppenphase überstehen, dann ist alles möglich. Die Gruppe A ist keine Todesguppe, sondern eine sehr leichte. Wer sein eigenes Team in einer Todesgruppe verortet, lässt bereits vorm ersten Hahnenschrei alle Hoffnung fahren. Es ist ein desillusionierender Begriff, der die unschuldigen Betrachtenden der Spiele im Vorhinein um Entschuldigung bittet, das ein voraussichtliches Versagen der eigenen Mannschaft unabwendbar ist. Von Angst und Zweifel geplagte Fußballer:innen finden in der Todesgruppe Erlösung mittels Verschwinden aus dem Europameisterschaftsturnier. Anstatt den Job anzunehmen, wird ein Grund gesucht, das Scheitern zu rechtfertigen. Die Todesgruppe ist eine Erfindung hasenfüßiger Trainer, Spieler und einfallsloser Sportjournalisten. Wie sagte der Kaiser? Geht’s raus und spielt’s Fußball (→ Halbzeit)!

V

wie VAR

In der Saison 2017/2018 in der Bundesliga erstmals eingesetzt, erzürnt der VAR, der Video Assistent Referee, seither die Gemüter der Fußballfans. Wo bis dahin die Allmacht des Schiedsrichters und der Schiedsrichterin mit allen menschlichen Schwächen und Stärken als letzte Instanz galt, sollten nun strittige Entscheidungen (→ Abseits) im VAC, dem Video Assist Center, mittels Videobeweis überprüft werden. Obgleich statistisch erwiesen ist, dass durch die Einführung des VAR viele Fehlentscheidungen korrigiert wurden, lehnen viele Fußballfreund:innen den VAR inbrünstig ab. Es hat durchaus rationale Gründe, wenn aktive Fans im Stadion anlässlich einer VAR-Spielunterbrechung skandieren: „Ihr macht unseren Sport kaputt“ oder „Fußballmafia DFB“. Jede Unterbrechung hemmt den Spielfluss, den Flow der Mannschaften. Auch nimmt er dem Spiel seine Unmittelbarkeit, die ursprüngliche Wildheit des Augenblicks (→ Falsche Neun). Der VAR sollte mehr Gerechtigkeit schaffen, in der heißen Atmosphäre der Stadien hat er das Spiel aber nur noch verrückter gemacht.

Z

wie Zielspieler

Unter einem Zielspieler versteht man einen gnadenlos effizienten Stürmer, der permanent in Habachtstellung lauert, um sich mittels eines genialen Zuspiels (→ No-Look-Pass) wenige Zentimeter Raum zu verschaffen, um so in eine vorteilhafte Schuss- oder Kopfballsituation zu gelangen, die es ihm ermöglicht, die Pille, den Ball, das Spielgerät ins gegnerische Tor zu versenken. Er ist die letzte Instanz im Angriff, ein Torgarant, ein präziser Vollstrecker, ein für immer geliebter Wundertäter. Erling Haaland oder Harry Kane sind wirkmächtige Zielspieler im gegenwärtigen Fußballgeschehen. In der deutschen Nationalmannschaft findet sich augenblicklich kein echter Zielspieler. Niclas Füllkrug kommt diesen Killern, diesen traumwandelnden Glücksbringern am nächsten und schaut aus der zweiten Reihe traurig nach oben zu den Kanes und Haalands.