Wohnungssuche in Berlin: Kein Platz z. Hd. übrige Ideen

Unsere Autorin sucht eine Wohnung in Berlin und fragt sich, was eigentlich aus ihren Kindheitsträumen geworden ist. Warum wohnen wir im Alter nicht mehr zusammen? Und wo bleiben die wirklich alternativen Wohnprojekte?


Der Traum vom Eigenheim bleibt für viele Familien ein Traum

Foto: Maskot/Getty Images


Als Kind hatte ich mir das anders vorgestellt. Ich dachte irgendwie, ich würde später mal mit Freund*innen und Familie in einem großen Haus in einer Großstadt leben. Oder nebeneinander. Untereinander. In der gleichen Straße. In unmittelbarer Umgebung eben.

Mit Ende zwanzig war mir dann zwar klar, dass mit Freund*innen – mit Menschen generell – zusammenzuleben gut überlegt und ausgewählt sein will und dass ich für Gemeinschaft nicht auf Privatsphäre verzichten kann, dennoch schüttelte es mich weiterhin beim Gedanken an das Leben der klassischen Kleinfamilie. Das müsste doch anders gehen. Besser.

Wieso sollen wir alleine in dem kastigen Reihenhaus oder der Wohnung sitzen, oft losgelöst von jeglicher Infrastruktur, weit weg von Kultur, Politik und unseren sozialen Netzwerken? Wieso sollen wir einzeln die müßigen Handgriffe erledigen, die Wochen planen und individuell an unserem jeweiligen Burn-out werken, während jeder Tag zu wenig Stunden hat und uns gewisse Politiker*innen, die nicht mal ihre eigene Wäsche waschen, vorwerfen, dass ausgerechnet wir mehr Arbeitsstunden leisten sollten, um den Wohlstand von Menschen zu erhalten, mit denen wir nichts zu tun haben?

Es muss doch irgendwas geben, das zwischen dieser zermürbenden Vereinzelung liegt und dem Leben einer esoterischen WG-Kommune, die für jede Einkaufsliste ein Plenum einberuft. Wo sind denn nun die ganzen progressiven, feministischen Wohngemeinschaften, die man sich früher so vorgestellt hatte als Ü30-Lebensmodell?

Wohnprojekte für Alleinerziehende

Ich weiß es nicht. Aber ich denke viel darüber nach, denn ich wälze seit etwa fünfhundert Tagen die paar Wohnungsanzeigen, die täglich online gehen, und ärgere mich mehr und mehr. Vermutlich trennt sich mit Mitte 30 einfach die Spreu vom Weizen. Der Weizen hat geerbt, wird erben und lebt wahlweise das Leben seiner Eltern im Haus auf dem Land oder in der urbanen Eigentumswohnung mit Dachterrasse. Dazwischen sitzt die Spreu in zu kleinen oder zu teuren Wohnungen und hofft, dass weder eine Mieterhöhung noch Eigenbedarf angemeldet wird.

Wieso leben wir als befreundete Familien, Paare, Personen in der Stadt nicht zusammen? Wieso leben wir nicht so, dass wir uns stützen können, wenn wir uns getrennt haben, wenn uns die Kinderbetreuung fehlt, wenn die Kinder (zu Recht) doppelt so viel Ferien haben wie wir Urlaubsanspruch, wenn wir plötzlich unsere Eltern pflegen müssen?

Das liegt vor allem daran, dass das in Planung und Umsetzung mehr Vermögen, Resilienz und Zeit verlangt, als der Großteil der Menschen, die Care-Arbeit leisten, in der Lage ist, aufzubringen. Weil es die Politik auch gar nicht vorsieht. Aber wohin mit uns? In vielen Städten wird längst nicht mehr für Familien gebaut. Aus jedem Dachboden werden statt zwei große Wohnungen lieber vier kleine geklopft – hallo, Rendite. Große Wohnungen werden lieber WGs angeboten, die sind zahlungsfähiger.

„Ihre Luxuseigentumswohnung“, brüllt mich der Algorithmus an. „Ich hab kein Geld!“, brülle ich zurück. Er hält mir weiter Wohnungen vors Gesicht, die ich drei Leben lang abbezahlen müsste. Manchmal aber auch Links zu alternativen Wohnprojekten. Es gibt einige – zu wenige – Wohnprojekte für Alleinerziehende. Andere für alte Menschen, für einsame, für naturnahe, für betende Menschen. Gemein haben sie, dass man aus der Hüfte einen sechsstelligen Eigenmittelanteil aufbringen muss, dass sie voll sind und – dass sie vor allem weiß sind.

Super Safe Space

Saskia Hödl ist freie Journalistin und Autorin aus Wien. Sie war bis 2022 Leiterin des Ressorts „taz zwei & Medien“. Alle vier Wochen schreibt sie hier die Super Safe Space-Kolumne

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Saskia Hödl ist freie Journalistin und Autorin aus Wien. Sie war bis 2022 Leiterin des Ressorts „taz zwei & Medien“. Alle vier Wochen schreibt sie hier die Super Safe Space-Kolumne