Wohltat | Weihnachtliche Solidarität: 10 Fakten weiterführend Spenden
A
wie Aufkleber
Am „St. Josefs Indianer Hilfswerk“ ist die Debatte um die korrekte Bezeichnung für die indigene Bevölkerung Nordamerikas wohl vorbeigegangen. Seit 2002 kümmert sich die Organisation um die Kinder des Lakota-Volkes. Dazu braucht es Spenden, deren Einwerbung sich das Hilfswerk einiges kosten lässt. Vor mir liegen ein Schreibset, ein Notizblock und Adressetiketten (→ Limitiert). Leider steht auf den Aufklebern der Name meiner lange verstorbenen Mutter, die wahrscheinlich irgendwann in Erinnerung an ihre jugendliche Winnetou-Begeisterung etwas gespendet haben wird und deshalb über den Tod hinaus Werbegeschenke zugeschickt bekommt. Adressaufkleber scheinen neben hässlichen Festtagskarten das beliebteste Mittel zu sein, potentiell Spendenwillige zu motivieren, und das in einer Zeit, da kaum noch private Post verschickt wird. Nicht einmal zu Weihnachten. Dass statt dieser unzählige Spendenaufrufe im Briefkasten landen ist einer der ungelösten Widersprüche unserer Zeit. Joachim Feldmann
B
wie Bargeld
Dass das Bargeld verschwindet, ist eine Art gesellschaftlicher Exklusion, deren Dimension wie so oft nur von Reaktionären, von der AfD (und FDP) als Problem adressiert, ansonsten jedoch als Verstärker für ein allgemeines Verlustgefühl in der Spätmoderne sträflich bagatellisiert wird. Und es versetzt Bettler in eine prekäre Lage. „Hab’ grad null Bargeld, sorry“ – was sonst durchaus als blöde Ausrede durchging, ist heutzutage meist der Fall. Neulich waren wir in Lissabon. Am ersten Morgen in der Stadt wollten wir portugisisch frühstücken. Vor unseren Galãos stand dann plötzlich ein Bettler. Dem wir versicherten, dass wir kein Bargeld hätten. Worauf er uns bat, ihm ein Frühstück zu spendieren, von welchem er genaue Vorstellungen hatte. Gesagt getan. Die Bäckereiverkäuferin stellte routiniert alles zusammen. 3,99 Euro. Er und sie bedankten sich. Katharina Schmitz
G
wie Gemeinnützig
Entscheidend beim Spenden ist die Gemeinnützigkeit. Ist eine Organisation vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt, gibt es zweierlei Steuervorteile: Wer spendet, kann den Betrag vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Und gemeinnützige Organisationen müssen auf ihre Einnahmen weder Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer noch Umsatzsteuer zahlen. Das ist wichtig für viele Vereine, die knapp über die Runden kommen und jährlich zu dringenden Spenden aufrufen. Politisch wird es, wenn Organisationen die Gemeinnützigkeit entzogen wird: Das traf etwa die NGO Attac vor zehn Jahren. Oder im Mai das Portal Volksverpetzer, das sich mit Faktenchecks gegen Desinformation engagiert. AfD-Anhänger versuchen es immer wieder durch Anzeigen. Mehr als 100 Vereine forderten deshalb eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. So können Firmen kurz vor Weihnachten ihre Spendenbereitschaft ankurbeln – um sich zu profilieren – und gleichzeitig Steuern sparen. Ben Mendelson
K
wie Kerzen
Immer war es kalt und grau bei dieser Aktion, denn sie fand im November statt. Wir waren Grundschulkinder und in einer Einkaufstasche hielten wir einen Vorrat an Kerzenpäckchen, Gebinde von Christbaumkerzen waren es, 20 Stück, weiß oder rot. Zu zweit zogen wir im Dorf von Haus zu Haus – man kannte ohnehin jeden – und fragte nach dem Kerzenbedarf. Kurz vor Weihnachten fand man immer Abnehmer für die Kerzen, man trug die verkauften Päckchen in eine Liste ein. Das Ganze nannte sich Kriegsgräberkerzenaktion, als Kind kapierte ich nicht recht, dass ein Teil des Erlöses den Zweck hatte, zum Erhalt der Kriegsgräberstätten beizutragen. Die mir als Kind und auch noch jetzt etwas unheimliche Aktion (→ Weihnachtsklassiker) existiert bis heute, wenn auch nur in Bayern, getragen vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Beate Tröger
L
wie Limitiert
Den Armen zu geben, wenn der Konsum blinkt, macht ein gutes Gefühl, gerade in der Vorweihnachtszeit. Nun kommt das Feelgoodmerchandising samt Adress- (→ Aufklebern), Fotos großäugiger Kinder oder Schlüsselanhängern nicht nur von Caritas & Co., sondern auch von Christdemokraten – und Campact: „Wie toll wäre es, wenn wir das Finanzielle jetzt klären könnten – um uns dann nur noch auf Inhalte zu konzentrieren“, steht fett in der Mail vom Vorstand Felix Kolb persönlich. Ja, wäre auch persönlich toll, wenn das geregelt wäre. Aber warum duzt er mich? „Jetzt bist Du gefragt, Katharina. Bitte klicke auf den roten Button und engagiere Dich für unsere Demokratie“ – also: für Campact, die Volksherrschaft scheint ja so wehrlos gegen ihre Vereinnahmung wie weiland Joseph und Maria gegen die Volkszählung. Als „Dankeschön“ gibt es „Dein limitiertes Exemplar“, den Campact-Kalender 2025 „mit Denkanstößen für eine bessere Welt“. Noch besser würde sie, wenn die Guten limitierte Werbesprache limitierten. Katharina Körting
M
wie Millionen-Gala
Alle Jahre wieder, zur Weihnachtszeit, lässt sich noch der hartgesottenste Politiker sein „Herz für Kinder“ erweichen – in der gleichnamigen Spendengala der Bild-Zeitung, die 1978 von Axel Springer ins Leben gerufen wurde. Da sitzen dann Christian Lindner, Karl Lauterbach oder Robert Habeck auf roten Sofas neben D-Promis wie Oliver Pocher und Twenty4tim und beantworten höchstpersönlich Spendenanrufe. Der ganz große Glamour und die so gesammelten Millionenspenden blenden darüber hinweg, dass die anwesende Politprominenz der seit Jahren wachsenden Kinderarmut nichts entgegenzusetzen hat und aufgrund der FDP-Blockadehaltung (mit Beihilfe der Bild) nichtmal die versprochene Kindergrundsicherung umgesetzt hat. Dafür ist es so süß, wie die kleine Greta-Ida ihre fünf Euro Taschengeld an Kinder in Not spendet! Julius Seibt
P
wie Pfandflaschen
Pfandflaschen beziehungsweise die Flaschensammler stehen exemplarisch für eine Zeit, in der staatliche Unterstützung vollends obsolet werden könnte. Pfandflaschen stehen zu lassen, zählt daher als spendable Handlung, der Spender gewinnt ein gutes Gewissen. Und der Sammler muss sich buckeln, hat aber das Gefühl, irgendwie zu arbeiten. Spenden ist zum Prinzip geworden, wie vor 15 Jahren Philosoph Peter Sloterdijk mit dem Theorem der „milden Gabe“ den Rückbau staatlicher Hilfen forderte. Diese sollten private Spenden ersetzen. Bedürftige hätten keine Anspruch mehr auf Unterstützung, sondern sind vom Goodwill der Vermögenden abhängig. In der Tat verlässt sich der Staat immer mehr aufs private Helfen. Und zwar nicht nur in Notsituationen wie in der Geflüchtetenhilfe 2015. Prominentestes Beispiel sind die Tafeln. Diese immens wichtigen und hoffnungslos überfüllten Einrichtungen sollen richten, wo grundgesetzlich garantierte Absicherung nicht gewährt wird (→ Millionen-Gala). Und die Politiker des Suppenküchenstaates loben rührselig das Ehrenamt. Tobias Prüwer
S
wie Solimarken
„Woran erkennt man beim Weltuntergang, wo die DDR untergegangen ist? An dieser Stelle schwimmen lauter Solimarken.“ Ein Witz als Reaktion auf freiwilligen Zwang: Zusätzlich zum monatlichen Mitgliedsbeitrag sollten Gewerkschaftsmitglieder nämlich „Solidaritätsmarken“ erwerben. Mit den Erträgen finanzierte der FDGB Entwicklungshilfeprojekte (→ Aufkleber). Wozu die eigenen Beiträge verwendet wurden, wusste allerdings niemand so genau. Im Sinne „unverbrüchlicher Klassensolidarität“ und des „proletarischen Internationalismus“ – zu derlei Abstraktionen gefroren, blieb eigentlich Wichtiges vielen Leuten fremd. Heute kann man Karteikarten und FDGB-Ausweise mit aufgeklebten Marken über ebay ersteigern – oder im Museum anschauen. Die persönlichen Angaben sind aus Datenschutzgründen natürlich herausgeschnitten. Irmtraud Gutschke
W
wie Weihnachtsklassiker
Do They Know It’s Christmas? hat sich eingebrannt in die Erinnerung, das Lied wurde ein Weihnachtsklassiker. 69 Wochen in den deutschen Charts – ein Ohrwurm. Die weiteren Song-Versionen aus den Jahren 1990, 2004, 2014 hatten nicht mehr den ganz großen Erfolg – aber damals, 1984, war das internationale Bandprojekt von Bob Geldof und Midge Ure ein Riesen-Spenden-Ding. Das Ziel: Geld für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien zu sammeln (→ Solimarken). Der Erfolg von Do They Know …? wurde 1985 mit dem großen „Live Aid“-Benefiz-Konzert wiederholt. Nun steht das vierzigste Jubiläum des Songs an. Doch Ed Sheeran, der vor zehn Jahren noch beim 30. Jubiläum dabei war, möchte nicht Teil von Band Aid 40, der Neuauflage des Charity-Projekts („2024 Ultimate Mix“) sein, das alle bisher aufgenommenen Stimmen vereint. Ed Sheeran wurde aber von Geldof nicht gefragt. Sheeran teile den Vorwurf, den der ghanaisch-englische Musikerkollege Fuse ODG formulierte, hier würde sich ein „White Saviour Complex“ artikulieren. Geldofs Antwort kann man bei X nachhören. Marc Peschke
Z
wie Zeugnis
Wie jeder vernünftige Mensch hatte ich mal Ärger mit der Polizei. Grund war eine Sitzblockade, die sich als Verstoß gegen das baden-württembergische Versammlungsrecht herausstellte. Für einen Prozess war das dann aber doch zu wenig, sodass die Staatsanwaltschaft entschied, das Verfahren gegen Auflage einzustellen. Weil ich aber inzwischen im Auslandssemester war, hatte sie Schwierigkeiten, den Bescheid zuzustellen. Am Ende stand ein Polizeiauto vor dem Haus meiner Eltern, wo mein verdutzter Bruder auf die Frage, wann ich denn wiederkäme, nur antworten konnte: „Äh, nächstes Jahr.“ Also bekam er den Brief in die Hand gedrückt. Schließlich war die Zahlung eines niedrigen dreistelligen Betrags an die Hilfsorganisation CARE eine Win-Win-Win-Situation: Sauberes Führungszeugnis, sauberes Gewissen – und eine entlastete Justiz. Leander F. Badura