Wie man mit sicheren Anleihen dennoch Geld verlieren kann

Geldanlage ist nie ohne Risiko. Banken können untergehen, das Bargeldversteck des Nachts im Keller der Einbrecher und im Garten der Maulwurf plündern. Aktienkurse können in die Tiefe rauschen, der Goldpreis auch. Selbst eine Immobilie kann zum finanziellen Alptraum werden.

Daniel Mohr

Redakteur in der Wirtschaft.

Als besonders sicher gilt indes, sein Geld dem amerikanischen Staat zu leihen. Der Dollar ist als Weltleitwährung ziemlich stabil und die führende Wirtschaftsmacht der Welt ist zwar hoch verschuldet, aber mit einer Finanzkraft ausgestattet, die als ausreichend gilt, auch hohe Schulden zuverlässig zu tilgen.

Einen großen Teil ihres Vermögens hat die Silicon Valley Bank dem amerikanischen Staat geliehen. Einen weiteren großen Teil in mit Grundstücken besicherte Anleihen gesteckt. Die Solidität der Geldanlage steht außer Frage. Amerikanische Staatsanleihen sind der Maßstab für solide Geldanlagen auf der Welt. Und trotzdem ist die Bank an dieser Form der – wie wir oft so schön schreiben – als sicher geltenden Geldanlage zugrunde gegangen.

Für das Verständnis lohnt ein genauerer Blick auf den Anleihemarkt. Wir illustrieren es am Beispiel eines Flaggschiffs der „sicheren“ Geldanlage in Europa: Einer Bundesanleihe der mit höchsten Bonitätsnoten ausgestatteten Bundesrepublik Deutschland, begeben im Januar 2022, zu einer Zeit als noch Null- und Negativzinsen herrschten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) konnte sich erlauben, einen Kupon von Null auf das Papier zu schreiben, mit dem er sich bis zum Jahr 2032 zunächst vier Milliarden Euro leihen wollte.

Die Nachfrage der Anleger war dennoch groß. Einlagen bei der Europäischen Zentralbank waren zu minus 0,5 Prozent verzinst. Da ist die Aussicht auf Nullzinsen bei Herrn Lindner schon attraktiver, zumal die zuverlässige Rückzahlung zehn Jahre später an den Märkten außer Frage steht. Die Anleger zahlten sogar 100,95 Prozent für die Anleihe mit der Wertpapierkennnummer 110258, die 2032 zum Nennwert von 100 zurückgezahlt werden soll. Sie nahmen also einen leichten Verlust in Kauf, der mit 0,1 Prozent je Jahr aber immerhin noch niedriger ausfiel als die minus 0,5 Prozent bei der EZB. Für große Geldbeträge gibt es kaum sicherere Aufbewahrungsformen als solche Staatsanleihen.

Das dachte sich wohl auch die Silicon Valley Bank. Doch dann kam der Krieg in der Ukraine, die Rohstoffpreise schossen in die Höhe und mit ihnen die Inflation. Die Notenbanken reagierten mit Zinserhöhungen und zwar so kräftig in so kurzer Zeit wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Für Einlagen bei der EZB gibt es mittlerweile 2,5 Prozent Zins, am Donnerstag wird der Satz wahrscheinlich auf 3 Prozent erhöht.

Was aber macht so etwas mit dem Anleihemarkt? Damit die Anleger dem deutschen Staat auch in diesem Zinsumfeld weiter neues Geld leihen, musste Finanzminister Lindner schon im Juli 1,7 Prozent Kupon auf eine neue Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit schreiben. Im Oktober waren es dann schon 2,1 Prozent für sieben Jahre Laufzeit und im November 2,2 Prozent für nur zwei Jahre Laufzeit. In so einer Phase schichten die Anleger aus der alten Anleihe, die mit dem Null-Kupon, ihr Geld um. Warum sollten sie ihr Geld weiter zum Nulltarif verleihen, wo es doch nun so schöne Zinsen für dasselbe Risiko beim gleichen Schuldner gibt. Da Bundesanleihen börsentäglich gehandelt werden, kann man am Kursverlauf ablesen, wie die Anleger die alte Anleihe fallenließen und sich den neuen zuwandten (siehe Grafik).

Eigentlich kein Grund zu Unruhe

Wer die alten Anleihen behalten hat, weil er sie mit Blick auf das Ende der Laufzeit 2032 gekauft hat, der muss nicht unbedingt in Unruhe verfallen. Es gibt keine Anzeichen, dass der deutsche Staat seiner Rückzahlungsverpflichtung zu den vereinbarten 100 Prozent nicht nachkommt. Aber eben erst 2032. Heute notiert die Anleihe zu Kursen um 80 Prozent.

Dieses Risikos innerhalb der Laufzeit war sich die Silicon Valley Bank vielleicht nicht ausreichend bewusst. Das wäre dumm gewesen. Oder sie ist dieses Risiko ohne Absicherung sehenden Auges eingegangen, das wäre fahrlässig. Denn zu ihrem Unglück haben einige Anleger ihr der Bank kurzfristig zur Verfügung gestelltes Geld wieder zurückgefordert. Die Bank musste die langlaufenden Anleihen zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt mit hohen Verlusten verkaufen – Geld, das nun fehlte, um alle Forderungen der Kunden zu begleichen.

Wer in den Anleihemarkt investiert, sollte sich dieser Zusammenhänge bewusst sein. Er verleiht sein Geld. Deswegen ist der Blick auf die Bonität des Schuldners wichtig. Der zweite, ebenso wichtige Blick, sollte aber der Laufzeit gelten. Wer eventuell kurzfristig liquide sein muss, sein Geld aber in langfristige Papiere steckt, geht ein Laufzeitenrisiko ein, dem ein höheres Zinsänderungsrisiko innewohnt, als bei kurz laufenden Anleihen. Ändert sich die Zinslandschaft, reagieren die Kurse entsprechend und bei langlaufenden Anleihen stärker als bei kurzlaufenden.

Kommt alles zusammen, hat die Welt wieder einen Lehman-Moment. Denn die Silicon Valley Bank ist bei weitem nicht die einzige Bank, die ihr Geld in solche Anleihen gesteckt hat, die erheblich im Kurs verloren haben. Alleine in der genannten Bundesanleihe stecken 31 Milliarden Euro. Und sie ist bei weitem nicht das einzige Papier tief im Kursminus. Die Versicherer als mit die größten Anleihegläubiger in Deutschland sprachen von hohen stillen Lasten, die sie nun im Depot haben. Solange sie nicht vorzeitig verkaufen müssen, werden daraus aber keine realen Verluste. Und wer jetzt erst einsteigt, kann sich freuen und dies zu erheblich ermäßigten Kursen tun. Erfolgt die Rückzahlung planmäßig 2032 zu 100 Prozent, bringt das aktuell 2,5 Prozent Rendite im Jahr. Ein ganz passabler Wert. Wenn nur die Inflation nicht gerade 8 Prozent betragen würde. Aber da wären wir wieder bei dem Thema sichere Rendite. Einen Haken gibt es immer.

Source: faz.net