Wie geht es jener Global Sumud Flotilla ohne Rest durch zwei teilbar? „Unser Schutzschild sind unsrige Pässe“
Die Global Sumud Flotilla mit Teilnehmern aus mehr als 40 Ländern segelt derzeit übers Mittelmeer, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen. Nun soll es nahe Kreta bereits den dritten Drohnenangriff auf die Schiffe gegeben haben
Italien und Spanien entsenden Kriegsschiffe, um die Hilfsflottille für Gaza zu unterstützen
Foto: Nardone/ROPI/picture alliance
Ein Video zeigt das Deck eines Bootes, vorn steht ein Mann. Plötzlich blitzt es auf, der Mann zuckt zusammen und wirft sich auf den Boden. Das Video stammt von der Organisation Global Sumud Flotilla (GSF), einem zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss mit Teilnehmern aus 44 Nationen. Rund 50 Segel- und Motorboote sind seit Anfang September auf dem Mittelmeer in Richtung Gaza unterwegs; derzeit nahe Kreta. Zu den Teilnehmern gehören unter anderem Greta Thunberg, Enissa Amani und Abgeordnete des europäischen Parlaments.
Gemeinsam möchten sie schaffen, was Greta Thunberg im Juni nicht gelungen ist: die Seeblockade Israels vor Gaza durchbrechen und einen Hilfskorridor errichten, um 345 Tonnen Hilfsgüter an Land zu bringen. Doch kam es seit Anfang September schon zu Zwischenfällen. Mit dem veröffentlichten Video dokumentieren die Aktivisten den dritten mutmaßlichen Beschuss der Flotte, in diesem Fall mutmaßlich mit Blendgranaten.
In der Nacht des Angriffs befanden sich rund 40 Boote südlich von Kreta. Dort seien 15 Drohnen über den Köpfen der Besatzungen geschwirrt, schreibt die GSF in einer Pressemitteilung. 13 Explosionen habe es gegeben, bei denen Gegenstände auf Schiffe gefallen seien und zehn Schiffe beschädigt hätten. Zudem sei der Funk der Boote zwischenzeitlich gestört gewesen.
Auch die deutsche Teilnehmerin Enissa Amani veröffentlichte auf Instagram einen Beitrag zu den Vorfällen. Sie selbst befindet sich wegen einer entzündeten Wunde aktuell auf einem Ärzteschiff. Zu dem Angriff schreibt sie: „Auf meinem Boot Spectre wurde 4 Mal eine schwefelartige Substanz geworfen, viele haben Schwindel und Ausschlag davon.“ Dabei schreibt sie den Angriff Israel zu.
Drohnen, Blendgranaten, abgeworfene chemische Substanzen
Auch die Medienkritikerin und kurzzeitige „Donnepp Media Award“-Preisträgerin Judith Scheytt befindet sich auf einem der Boote der GSF. Sie berichtet dem Freitag von abgeworfenen chemischen Substanzen und von „explosiven Gegenständen, die Schäden an den Booten hinterlassen haben, da vor allem auf die Masten gezielt wurde“. Scheytt sieht hinter den Angriffen einen „psychological warfare, um uns Angst zu machen und vom Schlafen abzuhalten“. Auch in der darauffolgenden Nacht zum 25. August berichtet sie dem Freitag von Drohnen über ihrem Schiff.
Mittlerweile haben die italienische und die spanische Regierung reagiert. Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetti erklärte auf der Social-Media-Plattform X, dass Italien ein Militärschiff für eine mögliche Rettung der GSF entsendet hat. Wenig später erklärte auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez, ein Militärschiff zum Schutz der GSF zu entsenden. Dazu sagt Judith Scheytt in einem Video auf Instagram, dass sie in der italienischen Regierung keinen Verbündeten sieht. Sondern in „den Menschen, die in den letzten Tagen in Italien die Straßen geflutet haben und aufgrund deren Druck dieses Schiff entsendet wurde“.
Auf Seiten Israels hatte der Minister für nationale Sicherheit Ben-Gvir bereits im Vorhinein angekündigt, die Besatzung der Flotilla wie Terroristen zu behandeln. In Statements auf X bezeichnet das israelische Außenministerium die GSF als „Hamas Flotilla“ und erklärt, die Flotte nicht an die Küste Gazas heranzulassen. Sie bot der GSF an, die Hilfsgüter in den Hafen Ashkelon außerhalb von Gaza zu bringen. Diesen Vorschlag lehnte die Flotilla ab und verwies darauf, dass Israel kaum Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza passieren lässt. Als Reaktion erklärte das Außenamt: „Sie dienen der Hamas, anstatt der Zivilbevölkerung im Gazastreifen Hilfe zu leisten.“
Verzögerte Abfahrt bringt Schwierigkeiten
Noch bevor das erste Schiff in Richtung Gaza abgelegt hatte, meldete die GSF die ersten Angriffe am 9. August. Zu dem Zeitpunkt lagen ein Teil der Schiffe an der Küste Tunesiens, während der Rest sich in Sizilien befand. Die Schiffe bereiteten sich dort auf die Fahrt nach Gaza vor. Die Flotilla veröffentlichte die Nachricht von zwei Bränden auf zwei ihrer Boote. Sie erklärten, es handele sich um Drohnenangriffe, und verwiesen auf das Video, in dem es aussieht, als würde ein Feuerball auf das Deck fliegen.
Die tunesischen Behörden wiederum sprachen nach Medienberichten bei dem ersten geschädigten Boot von einem Brand, der durch entflammte Rettungswesten entstanden sei. Bei dem zweiten Boot gingen auch die Behörden von einem Angriff von außen aus.
Durch die beiden Brände hatte sich die Abfahrt der Boote aus Tunesien verzögert. Judith Scheytt befand sich zu dem Zeitpunkt auf den Booten, die vor Sizilien lagen. Gegenüber dem Freitag erklärte sie, dass „nach den Angriffen und den Drohungen von Ben-Gvir die Sicherheitsprotokolle verschärft wurden und aufgrund der Wetterbedingungen im Herbst einige Boote nicht mehr an der Mission teilnehmen können“.
Auch abseits der Brände und Angriffe hatte es bei der GSF Probleme gegeben. Judith Scheytt sagt, dass es zu verschiedenen logistischen und technischen Schwierigkeiten gekommen sei. Vor allem die verzögerte Abfahrt habe Probleme mit sich gebracht. Denn aufgrund der späteren Jahreszeit und der damit einhergehenden schwierigeren Seebedingungen auf dem Mittelmeer waren einige Schiffe der Flotilla nicht mehr einsatzbereit. Nachdem kurzfristig nur noch 44 Boote verfügbar waren, sind mittlerweile wieder rund 50 Schiffe im Einsatz. Einige sollen allerdings nicht die gesamte Reise mitfahren. Aktuell befinden sich, dem Online-Tracker der Organisation zufolge, 44 Boote vor der Küste Kretas.
Gute Privilegien – schlechte Privilegien?
Einige Teilnehmer sind zudem, noch bevor die Schiffe abgelegt hatten, zurückgereist. Die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn veröffentlichte auf Instagram ein Statement, dass sie nicht mehr auf den Booten mitfahren werde. Engelhorn schrieb: „Damit nicht noch mehr privilegierte, weiße Menschen mit Reichweite auf den Booten sind.“ Sie wolle die Mission jetzt von Österreich aus mit ihrer Reichweite auf den sozialen Medien unterstützen.
Im Gespräch sagt Judith Scheytt, dass „die Medien unsere Lifeline sind“. Auch ihre Privilegien seien ihr Schutzschild. „Wir sind auf den Schiffen Menschen mit unterschiedlichen Pässen, um die verschiedenen Privilegien der Pässe nutzen zu können“, sagt Scheytt. Ihre Flotte, die aus Italien gestartet ist, fahre mit 10 Tonnen Hilfsgütern los. Darunter seien vor allem Babynahrung, Medikamente und Grundnahrungsmittel wie Reis.
Es ist nicht das erste Mal, dass Boote versuchen, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Seit 17 Jahren blockiert die israelische Regierung den Zugang nach Gaza, und seit zehn Jahren hat es kein Boot geschafft, bis zum Strand von Gaza durchzudringen. Zuletzt scheiterte Greta Thunberg im Juni mit ihrer Besatzung.