Werbung wandert zunehmend ins Netz
Die Befürchtungen der Werbebranche scheinen sich zu bestätigen: Die Umsätze konzentrieren sich zunehmend auf wenige Kanäle, die in den Händen weniger Spieler liegen. Dazu kommen noch eine Konjunkturflaute, ein schleppendes Weihnachtsgeschäft im vergangenen Jahr und politischer Gegenwind. Für 2022 weist der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft ZAW ein leichtes Wachstum des Werbemarktes mit 1,6 Prozent aus. Mit einem Volumen von rund 48,1 Milliarden Euro lag der Markt aber noch immer unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019.
Aber der Reihe nach: Schon 2019 zeichnete sich ein Abflauen der Konjunktur und auch der Stimmung in der Werbebranche ab. Von 2020 an reihten sich dann mehrere Krisen aneinander, die die Kauflaune der Menschen dämpften. Pandemie, Inflation und Russlands Angriff auf die Ukraine bieten kein gutes Umfeld dafür, Menschen zum Konsum zu bewegen. Zunehmend verschoben sich im Zuge dessen die Werbeeinnahmen dorthin, wo die Menschen immer mehr einkaufen, nach Produkten suchen und Preise vergleichen: ins Internet.
Insgesamt wuchsen die Werbeeinnahmen dort um 1,8 Prozent auf 11,8 Milliarden Euro. Rund 208 Millionen Euro mehr flossen damit unter dem Strich in digitale Kanäle. Unangefochtener König darunter ist die Suchmaschinenwerbung, wie sie zum Beispiel Google betreibt. Um 3,5 Prozent oder rund 180 Millionen Euro auf 5,35 Milliarden Euro sind die Netto-Werbeeinnahmen hier im vergangenen Jahr gewachsen. Einnahmen mit Werbeanzeigen auf Websites und in Videos wuchsen um 1,1 Prozent. In vergangenen Jahren konnten mehrere Werbeträger im Internet ein zweistelliges Wachstum verzeichnen. 2022 schaffte dies nur Werbung im Audio- und Video-Streaming, die jeweils um 15,0 und 13,7 Prozent zulegte.
Schaden nahmen dagegen gedruckte Werbeträger. Um 1,3 Prozent von 7,65 Milliarden auf 7,55 Milliarden Euro sanken die Einnahmen hier. Tageszeitungen verloren rund 99 Millionen Euro oder 5,6 Prozent ihrer Werbeeinnahmen, Publikumszeitschriften 10,9 Prozent oder rund 77 Millionen Euro, Wochenzeitungen 10,3 Prozent oder rund 12 Millionen Euro.
Andreas Schubert, Präsident des ZAW, beschreibt im Gespräch mit der F.A.Z. die Entwicklung als einen Wandlungsprozess, den schon andere Branchen durchlaufen mussten, wie zum Beispiel Hersteller von Film, die sich auf digitale Fotografie umstellen mussten. „Die Frage für mich ist, wie schnell die Medienunternehmen den Sprung ins Digitale schaffen, während ihnen die Einnahmen im Printbereich wegbrechen“, resümiert er.
Von Wachstum keine Spur
Zuzüglich aller anderen Kanäle wie Außen- oder Fernsehwerbung schrumpften die Nettoeinnahmen der Werbeträger um 0,6 Prozent oder rund 147 Millionen Euro. Die Nettoeinnahmen sind Teil aller Werbeinvestitionen von rund 36,2 Milliarden Euro, die um 0,3 Prozent gestiegen sind.
Bernd Nauen, ZAW-Geschäftsführer, führt hierfür aber inflationsbedingt höhere Produktionskosten als Grund an, wodurch hier nicht von Wachstum die Rede sein könne. Zusammen mit Ausgaben für Sponsoring, Kataloge und Werbeartikel kommt der Gesamtmarkt auf 48,1 Milliarden Euro. 2019 waren es noch 48,3 Milliarden Euro.
Die postpandemische Erholung ist also nicht so stark wie erhofft. Damit aber nicht genug: Zwei Themen drohen das Geschäft noch weiter einzuschränken. Zum einen wären da die technischen Monopole der großen Digitalkonzerne wie Alphabet mit seiner Suchmaschine Google, Apple und Meta mit den Plattformen Facebook und Instagram. Deren marktbeherrschende Stellung im Internet erlaubt es ihnen, anderen Marktteilnehmern einseitig Bedingungen zu diktieren.
Zumeist werden diese über den Datenschutz gespielt. Letztlich führen die Auflagen aber oft dazu, dass die Daten, aufgrund deren Werbeträger zielgerichtet und erfolgreich Werbung an Nutzer ausspielen können, bei den großen Digitalkonzernen bleiben. „Der Erfolg dieser Unternehmen ist zu einem großen Teil durch die Einschränkungen des Wettbewerbs und die einseitige Regulierungsmacht, die sie aufgrund ihrer überragenden Marktstellung haben, begründet“, sagt ZAW-Präsident Schubert. Gegen diese Praktiken laufen derzeit mehrere Kartellbeschwerden in verschiedenen Ländern und vor der EU-Kommission.
Zum anderen müssen sich Werbetreibende mit dem Entwurf des Kinder-Lebensmittel-Werbegesetzes auseinandersetzen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Cem Özdemir (Grüne) möchte damit an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt weitgehend verbieten. Generell würde dadurch Lebensmittelwerbung stark eingeschränkt, da die Werbung in jeglichem Umfeld, in dem Kinder damit in Kontakt kommen könnten, betroffen wäre.
Der Lebensmittelverband schätzt, dass unter den strengen Kriterien des Gesetzes, die sich an Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation orientieren, Werbung für 70 Prozent aller verarbeiteten Lebensmittel entfallen könnte. Sollte der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet werden, rechnet der ZAW mit einem langwierigen Rechtsstreit über das Gesetz.