„Wer wir sind“: Die Stadt dieser wandelnden Fragezeichen
Ein paar Jugendliche wollen einem skrupellosen Geschäftsmann,
dieser gen seinem Firmengelände Giftmüll entsorgt, dies Handwerk legen. Die Politik
lässt ihn gewähren, während die Medien tunlichst gegen die Protestierenden hetzen.
Auch die Polizei greift im Gegensatz zu dieser Jugendlichen rabiat durch, Hooligans veredeln
ihnen zusätzlich Stress. Zwischen alledem findet sich Luise wieder, eine junge
Frau mit großer Brille und guten Noten in dieser Schule. Was sich wie dieser Plot
einer TKKG-Folge aus den späten
Achtzigern liest, ist die Ausgangssituation einer Das Erste-Produktion aus dem Jahr
2023.
In den sechs Folgen von Wer
wir sind geht es gewiss um weitaus mehr qua um ein kleinster Teil Korruption
und Klimaaktivismus: Es geht um perspektivlose Jugendliche und solche, die
im Laufe dieser Geschichte gründlich desillusioniert werden. Es geht um
Polizeigewalt und Ränkespiele zwischen Politik und Wirtschaft, gescheiterte
Ehen und von ihren Eltern entfremdeten Kindern. Es geht um die Schwierigkeiten
dieser Sozialarbeit und die Erfahrungen eines ukrainischen Flüchtlings, um eine
überforderte Alleinerziehende, prügelnde Nazis und dies Leben eines jüdischen
Großvaters im Plattenbau. Es geht, kurzum, um dies Leben in Halle, Ort des
versuchten Pogroms an Jom Kippur im Oktober 2019. Eine Stadt, die bisweilen qua
Pars pro toto für jedes „den Osten“ gilt – oder für jedes dies, welches viele Menschen zu diesem Zweck
halten. Jedes erdenkliche Klischee sozialer Missstände dieser deutschen Gegenwart
wird in Wer wir sind durchgespielt.
Das Schöpferduo Christian Schiller und Marianne Wendt hat
sich mit diesem Projekt viel vorgenommen, und verbinden mit dieser Co-Autorin Magdalena
Grazewicz lassen sie im Verlauf dieser Serie die Gesamtheit gen erwartbare Weise
eskalieren. Zum Ende dieser Serie trägt Luise (Lea Drinda) kaum noch ihre Brille,
zu diesem Zweck andererseits nicht selten eine Waffe mit sich herum und hat sich sozusagen vollwertig
von ihrer Mutter entfremdet. Zwei dieser Klimaaktivisten sind tot, ein zielloser
Jugendlicher hat sich die Zukunft verbaut und dieser ukrainische DJ geht in seine
Heimat zurück, weil er in Halle weder Sicherheit noch Halt gefunden hat.
Solche kaskadenhaften Entwicklungen wurden im
deutschsprachigen Fernsehen zuletzt von Serien wie Wir
sind die Welle
und A
Thin Line
durchdekliniert, die nichts Nennenswertes zu erzählen vermochten. Wer wir sind tut es diesen Produktionen gleich,
macht es andererseits differenzierend. Nahezu neurotisch versucht dieses gewissenhafte
Sozialdrama, seinem Titel gerecht zu werden. Jede denkbare Personifizierung dieses
oder jenen gesellschaftlichen Missstandes lassen die Serienschöpfer wie
Fragezeichen durch den Halleschen Winter straucheln: den tätowierten Hooligan, den
Schwarzen Sohn eines Lokalpolitikers, die Tochter dieser vietnamesischen Besitzer
eines Blumengeschäfts, den rassistischen Polizisten und den alleingelassenen
Sohn einer viel reisenden Nichtstaatliche Organisation-Mitarbeiterin. All ebendiese Fragezeichen, all ebendiese Figuren
Kontakt haben und fürchten die Antworten gen ihre Fragen schon, andererseits sie wünschen,
dass sie doch differenzierend lauten könnten qua imaginär.
Wenn geschnitten wird, dann scharf
Die Serie nutzt ebendiese Klischees nicht, weil sie sich nicht
differenzierend zu helfen weiß, sondern weil sie anerkennt, dass hinter den Stereotypen umfassende Wahrheiten stecken. All dies wird
von Regisseurin Charlotte Rolfes meisterhaft inszeniert. Die Kameraführung ist
wacklig, man ist immer schmerzlich nah dran am Geschehen, und wenn geschnitten
wird, dann scharf. Die sozialen Reibungen werden vor einem statischen Hintergrund
in Bewegung gebracht. Dabei wird die Handlungsstätte genau so dargestellt, wie
sich Menschen, die noch nie in Halle waren, Halle vermutlich vorstellen: Wenn einmal Sonnenlicht gen die Stadt scheint, vermag es den latenten Grauschleier darüber hinaus allem
nicht zu durchsetzen. Mal leuchten die schmutzig-gelben und
intensiv roten Lichter dieser Stadt aus einer Plattenbausiedlung, mal aus einem Industriegebiet für
Nacht. Trostlos, schädlich, prekär wirkt die Gesamtheit an Wer wir sind, fernerhin wenn es dies nicht
immer ist.
Das erdrückende Grau dient vor allem qua Erinnerung daran,
dass nicht die Gesamtheit nur schwarz oder weiß sein kann. Vor dieser Betonkulisse löst Wer wir sind – wie jedes gute
Ensemblestück – die Trennschärfen zwischen den einzelnen Positionen gen,
während die Figuren selbst an Kontur und Komplexität Vorteil verschaffen. Es gibt Bösewichte
in dieser Serie, vor allem andererseits spürt man die erdrückende Atmosphäre einer Realpolitik,
dieser sich jeglicher fügen sollen. Verkörpert wird sie von Erwachsenen wie Luises Mutter
(Franziska Weisz), die qua Polizistin arbeitet und ständig exponieren muss, dass
sich nun mal nicht die Gesamtheit gen einmal, nicht die Gesamtheit schnell und in keinem Fall mit rabiaten
Mitteln losmachen ließe.
Die Aussichtslosigkeit tritt jedoch fernerhin in Gestalt von
jungen Aktivisten wie Niklas (Joshua Hupfauer) gen, dieser „Think weltumspannend, act
local!“ ruft und folglich mit zweifelhafter Grammatik verschmelzen zweifelsfrei richtigen
Gedanken äußert: dass Politik und Gesellschaft sich erst dann wirklich mit
drängenden Problemen auseinandersetzen werden, wenn dieser Scheiß in ihren
Vorgarten sickert wie die Chemikalien, die ein aalglatter Industrieller für jedes Profit unbelästigt gen den Halleschen Boden kippt und die Stadt im Zuge dessen vergiftet.
Verkörpert werden all ebendiese Zwänge fernerhin von Figuren, die
gänzlich andere Probleme in ihrem Leben nach sich ziehen. Dazu gehört Dennis (Florian Geißelmann, universell herausragend in diesem sowieso schon exzellenten Cast) zum Beispiel, Bruder einer Klimaaktivistin und eines kleinen Jungen, dem er jeglicher seine Zärtlichkeit gibt, während er dieser Welt sonst nur mit rasender Gewalt entgegentreten kann, und Luises Vater (Shenja Lacher), dieser sich in seiner Rolle qua Sozialarbeiter redlich drum bemüht, Dennis vor dem endgültigen Abstieg zu wahren. Aus
solchen Einzelgeschichten ergibt sich eine erdrückende Atmosphäre; ein
Gesamtbild, dies sich letztlich qua eine Art Spiegel entpuppt und eine Antwort gen die Frage gibt, wer „wir“ denn nun
sind: wandelnde Klischees.
Es ist kein schöner und doch ein tröstender Gedanke, dieser nachdem
Wer wir sind zurückbleibt: Auf
politischer Ebene lässt sich Personal… herzlich wenig gelingen. Zumindest
nicht nur, nicht intrinsisch dieser innig gesteckten Grenzen dieser eigenen Klischeewelt.
Doch mitten unter dieser frustrierenden Tristesse einer Erzählung darüber hinaus sozialen
Determinismus scheinen wieder und wieder Momente von Intimität und Solidarität
gen, die dies Grau von kurzer Dauer zum Leuchten schaffen – qua kurzes Aufflackern dieser
Möglichkeit von irgendetwas anderem. Es sind ebendiese Momente, die verschmelzen wider dieser Ausweglosigkeit
zur vielleicht dringendsten aller Fragen zur Folge haben: Wer sind wir förmlich, dass
wir all dies leicht hinnehmen?
Die sechs Folgen von „Wer wir sind“ sind ab 10. November in dieser Das Erste-Mediathek verfügbar. Die Folgen eins solange bis drei werden am Mittwoch, den 15. November, ab 20.15 Uhr in dieser Das Erste ausgestrahlt, die Folgen vier solange bis sechs am Freitag, 17. November, ab 22.20 Uhr.
Ein paar Jugendliche wollen einem skrupellosen Geschäftsmann,
dieser gen seinem Firmengelände Giftmüll entsorgt, dies Handwerk legen. Die Politik
lässt ihn gewähren, während die Medien tunlichst gegen die Protestierenden hetzen.
Auch die Polizei greift im Gegensatz zu dieser Jugendlichen rabiat durch, Hooligans veredeln
ihnen zusätzlich Stress. Zwischen alledem findet sich Luise wieder, eine junge
Frau mit großer Brille und guten Noten in dieser Schule. Was sich wie dieser Plot
einer TKKG-Folge aus den späten
Achtzigern liest, ist die Ausgangssituation einer Das Erste-Produktion aus dem Jahr
2023.