Wer stoppt dies Wachstum des Regierungsapparats?

Erst das große Schuldenpaket, dann aber umso beherztere Strukturreformen – so lautet seit der Bundestagswahl das politische Credo der CDU. Und ihr Generalsekretär Carsten Linnemann sieht darin auch eine Verpflichtung zu de­mon­stra­tiver Selbstdisziplin. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir bei uns selbst anfangen“, sagte er zum Auftakt der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, die derzeit hinter verschlossenen Türen laufen. „Die Ministerialbürokratie nimmt ja mittlerweile Grö­ßen­ord­nun­gen an, das ist ja Wahnsinn“, analysierte Linnemann in der „Bild“-Zeitung. „Ich finde, zehn Prozent Personal einzusparen innerhalb einer Periode ist machbar.“

Noch ist nicht absehbar, wie streng sich der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) später daran bindet und ob es im geplanten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD einen eigenen Passus dazu geben wird. Aber mit ein paar amtlichen Zahlen, zusammengestellt von Personal der Regierung und des Statistischen Bundesamts, lässt sich das Zehn-Prozent-Versprechen heute schon etwas einordnen.

Und tatsächlich zeigen diese, egal welche Abgrenzung man wählt: Wer findet, dass der Regierungsapparat vor fünf oder zehn Jahren einigermaßen arbeitsfähig war, könnte eine Stellenkürzung um ein Zehntel schwerlich als Gefahr für dessen Funktionieren einstufen.

Glasklare Verhältnisse schafft ein Blick zehn Jahre zurück

Der Haushaltsplan des Bundes für das Jahr 2025 – genau genommen der bisherige Entwurf der Ampelregierung – weist folgenden Stellenbestand für die obersten Bundesbehörden aus, das sind vor allem Bundesministerien und Kanzleramt: 26.144 Beamte und 8826 Tarifbeschäftigte, zusammen 34.970 Bedienstete. Kürzt man diese Zahlen um zehn Prozent, fallen also 3497 Stellen weg. Am Ende wären 31.473 Stellen übrig, zum Beispiel 23.530 für Beamte und 7943 für Angestellte.

Als erster Vergleich bietet sich dazu ein Blick ins Jahr 2021 an, auf den Stand vor Amtsantritt der Ampelkoalition. Er zeigt, dass Linnemanns Zehn-Prozent-Kürzung zwar ambitionierter wäre als ein bloßes Zurückdrehen der Ampel-Stellenpolitik, aber nicht um Welten: Damals führte der Etat 24.221 Beamte, sieben Prozent weniger als aktuell. Die Zahl der Tarifbeschäftigten war mit 9.056 sogar drei Prozent höher. Insgesamt gab es fünf Prozent weniger Stellen als heute.

Glasklare Verhältnisse schafft ein Blick zehn Jahre zurück: Damals, im Jahr 2015, kam der Regierungsapparat mit 26.713 Bediensteten aus, 24 Prozent weniger als heute. Die die Zahl der Beamten war mit 18.062 sogar um 31 Prozent geringer. Und schließlich lässt die Suche nach Referenzjahren so weit treiben: Wer zwischen Beamten und Angestellten keine Un­ter­schiede macht, muss zurück ins Jahr 2017 – zufällig gab es damals 31.473 Stellen für beide Gruppen, genau zehn Prozent weniger als heute. Bezöge Linnemann sein Ziel indes nur auf Beamte, wäre dieses schon mit einer Rückkehr auf den Stand zum Jahr 2020 übererfüllt.

Es zeigt sich daran zweierlei

Welche Ministerien in der Zeit der Ampel besonders viele Beamtenstellen aufgebaut haben, lässt sich anhand der Haushaltspläne nur ansatzweise klären. Das liegt daran, dass sich nach jeder Wahl Ressortzuschnitte ändern. So schrumpfte das Innenministerium gegenüber dem Jahr 2021 zwar um knapp 100 auf 1690 Beamte. Dies liegt aber daran, dass die Abteilungen für Bauen und Wohnen ein eigenes neues Ministerium bekamen, das nun 447 Beamtenstellen hat. Am stärksten wuchs ansonsten das Verteidigungsministerium, und zwar um 16,8 Prozent auf 1649 Beamte. Starken Aufbau von mehr als zehn Prozent gab es auch im Kanzleramt, im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (früher Wirtschaft und Energie) und im Ministerium für Digitales und Verkehr.

Alle diese Zahlen bilden allerdings nur Teile des Regierungsapparats ab. Daneben gibt es den „nachgeordneten Bereich“ der oberen Bundesbehörden, für den der Etat aktuell weitere 170.000 Beamtenstellen ausweist. In diesem Bereich wird aber niemand, auch nicht Linnemann, pauschal um zehn Prozent kürzen wollen. Hinter einem Stellenaufbau dort um insgesamt acht Prozent seit dem Jahr 2021 steckt zu großen Teilen die Verstärkung der Bundespolizei.

Eine etwas andere Abgrenzung des Regierungsapparats liefert indes das Statistische Bundesamt. Mit der Kategorie „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ ordnet es das Personal unabhängig vom konkreten Dienstherrn nach seinen Funktionen zu. Für Juni 2023, das sind die jüngsten Zahlen, weist es 41.000 Bundesbedienstete aus, deren Arbeitsschwerpunkte politische Führung oder zentrale Verwaltung sind; unter ihnen finden sich 24.300 Beamte. Um Verzerrungen durch Teilzeit zu vermeiden, sind die Zahlen auf sogenannte Vollzeitäquivalente umgerechnet.

Fünf Jahre zuvor, also Mitte des Jahres 2018, waren insgesamt 36.100 Beamte und Angestellte mit solchen Aufgaben befasst; zwölf Prozent weniger als zuletzt. Vor allem kam die Regierung damals noch mit 20.400 Beamten für „politische Führung und zen­trale Verwaltung“ aus, 16 Prozent weniger als heute. Und wenn man stattdessen zehn Jahre zurückblickt wird der Trend noch klarer: Damals, im Jahr 2013, waren 17.700 Beamte mit derlei Aufgaben befasst, 28 Prozent weniger als im zweiten Jahr der Ampelkoalition.

Es zeigt sich daran aber zweierlei: Eigentlich müsste das Land auch nach einer zehnprozentigen Stellenkürzung gut funktionieren können. So ein Ziel tatsächlich umzusetzen, käme trotzdem einem radikalen Politikwechsel gleich.