„Wer sich nicht korrigiert, wird von den Wählern korrigiert“, sagt Habeck – und meint Merz

Hat man Markus Lanz schon einmal so entnervt erlebt wie in seiner Sendung mit Robert Habeck zur Migrationspolitik? Der Moderator war der Brandmauer-Debatten müde. Und der Kanzlerkandidat und Vizekanzler kam ins Schwimmen.

Ist es ein gutes Zeichen, wenn der Ton sogar bei Markus Lanz in einer ZDF-üblichen Talkshow schroffer wird? Oder ein schlechtes? Robert Habeck sitzt im Studio in Hamburg-Bahrenfeld im Sessel und sagt 19 Tage vor der Bundestagswahl als Wirtschaftsminister und als Kanzlerkandidat der Grünen, das Problem sei nicht die Migrationspolitik und die Gesetzeslage: „Das Hauptproblem, das wir bei uns Deutschland haben, ist die Regeldurchsetzung.“ Lanz fragt, noch höflich: „Das ist Ihnen jetzt aufgefallen? Oder wissen Sie das schon länger?“

Habeck spricht über Aufnahmeländer, Abschiebebescheide, Haftbefehle und die schwierige und störende Realität. Lanz sagt, schon schärfer: „Das hören wir seit zehn Jahren.“ Er vermisst die Selbstkritik, sieht den Erfolg nicht und rechnet Habeck vor: ganze zehn Abschiebungen im vergangenen Jahr zurück nach Griechenland und zwölf nach Ungarn.

Olaf Sundermeyer, Autor einer Dokumentation des RBB mit dem Titel „Abschiebung Impossible“, erklärt die Praxis, an der die Regierung immer wieder scheitert, national und international, obwohl das Auswärtige Amt in grüner Hand ist. Ein „kafkaeskes System“ auf Kosten der Sozialkassen. „Relevante Erfolge bleiben aus“, sagt er. „Die Leute haben kein Verständnis dafür, dass die Politik keine Lösung findet.“

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Lanz: „Warum haben wir keine Hebel?“ Habeck schwimmt. Er redet über integrierte Fachkräfte noch ohne Bleiberecht, die, weil die Rechtssprechung so sei, manchmal eher abgeschoben würden als Illegale. Und so weiter. Lanz: „Hier sitzt der Vizekanzler!“ Habeck: „Das europäische Recht gibt uns Möglichkeiten, die müssen dann auch scharf genutzt werden.“

Wer nach Bulgarien abgeschoben werde, steige wieder in den FlixBus und sei schon am nächsten Tag wieder in Deutschland, erklärt Sundermeyer als Abschieberealist. Busse, sagt Habeck, könne man ja kontrollieren. Funktioniere leider nicht, sagt der Reporter.

„Dass das Dublin-System nicht funktioniert, wissen wir“, so Habeck weiter. Lanz fällt ihm ins Wort: „Zehn Jahre her!“ Der Vizekanzler nimmt die künftige Regierung in die Pflicht. Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, erinnert Habeck an die Grünen in Europa und die Gegenstimmen zum neuen Asylgesetz – und daran, dass die Grünen in Deutschland, wie die SPD, vor allem sagten, was nicht gehe.

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Lanz tut Habeck in der Sendung schließlich den Gefallen und bringt das Gespräch auf Friedrich Merz, seinen Fünf-Punkte-Plan und dessen Scheitern am vergangenen Freitag. „Bei aller Liebe zum Konsens, aber so geht es nicht“, sagt Habeck: „Man kann demokratische Parteien nicht erpressen.“ Mit der AfD. „Ich kauf das nicht“, sagt Lanz, entnervt.

Habeck erklärt, die Schuldzuweisung an die Grünen und die SPD sei eine Umkehr aller Logik und wird allgemein: „Ich dachte, ‚konservativ‘ bedeutet, zumindest zu seinen Fehlern zu stehen, wenn man schon nicht zu seinem Wort steht. Man kann doch nicht den anderen die Verantwortung für seine Fehlentscheidungen zuschieben – das verstößt doch gegen alles, was Ehre und Konservatismus eigentlich bedeuten soll.“ Lanz atmet hörbar aus und appelliert an demokratische und staatspolitische Verantwortung. „Die Leute sind so müde von theoretischen Brandmauer-Diskussionen“, ruft der Moderator: „Macht bitte gute, vernünftige Politik!“

Oder wie Habeck es am Anfang der Sendung noch selbst ausdrückte, als er allerdings die CDU meinte und Merz vorwarf, die deutsche Debattenkultur, die Konsensdemokratie und die Union als Volkspartei zu ruinieren. „Fehler kann man heilen“, hatte er da gesagt. „Wenn man sich nicht selber korrigiert, werden es die Wählerinnen und Wähler korrigieren.“ Das wäre ein Zeichen.

Source: welt.de