Wer regiert uns? Die schockierende Wahrheit reichlich die neue Macht jener Superreichen
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Wie viel Einfluss haben geschäftliche Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?
Wir müssen jetzt ganz stark sein. Der Kapitalismus, wie wir ihn kannten, stirbt gerade vor unseren Augen. All diese Vorstellungen von „freier Marktwirtschaft“, „Wandel durch Handel“, „fairem Wettbewerb“, „unsichtbarer Hand“, „Angebot und Nachfrage“ oder gar „Wohlstand und Fortschritt für alle“ – vorbei. Aus ist es auch mit der verlässlichen Zweckgemeinschaft von Kapitalismus und Demokratie.
Aber Banker und BWL-Student*innen müssen nicht verzagen. Der NEUE Kapitalismus ist schon da. Es ist der Kapitalismus der Oligarchen, der Superreichen und Tech-Milliardäre, es ist der Plattform-Kapitalismus, der Anarcho-Kapitalismus, der Tech-Feudalismus. Und es ist ein Kapitalismus, der nicht – wie vorher – darum bemüht ist, dass sich der Staat aus den Geschäften heraushält. Es ist ein Kapitalismus, der den Staat übernehmen will.
Auf die Ökonomisierung der Politik folgt die Politisierung der Ökonomie. Politische, ökonomische und mediale Macht verschmelzen zu etwas Neuem, wofür wir noch keinen Namen haben. Wie immer man es nennen mag, was da entsteht – es lässt nicht viel Gutes erhoffen für den Planeten Erde und seine Bewohner.
Vier Multimilliardäre in Afrika besitzen so viel wie die Hälfte des gesamten Kontinents
In unseren Nachrichtenwolken erreichen uns dazu etliche große Bilder. Das erste Bild ist das vom sagenhaften Reichtum, der sich in wenigen Händen immer weiter vermehrt. Vier Multimilliardäre in Afrika besitzen so viel wie die Hälfte des gesamten Kontinents. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, lässt sich mit der Aufgabe betrauen, die Reste des US-Sozialstaates und der universalen Solidarität zu vernichten. Deutschland belegt in der Liste der Nationen mit den meisten Superreichen Platz vier: 171 Milliardäre haben wir, Respekt, Russland hat bloß 140.
Selbst bei einem hohen Stundenlohn von 100 Euro bräuchte man theoretisch 10.000.000 Stunden oder 1.141 Jahre, um eine Milliarde zu verdienen. Den Superreichtum der einen gibt es nicht ohne das Elend der anderen. Der reichste Mann der Welt tötet die ärmsten Kinder der Welt – auf diese Formel bringt es Bill Gates. Das trifft auf den skrupellosen, technokratischen Meta-Oligarchen Elon Musk zu, es trifft aber auch das System als Ganzes.
Die Macht der Tech-Milliardäre und ihrer Unternehmen wie Tesla, Meta, Amazon, Alphabet oder Paypal ähnelt immer weniger den klassischen Konzernen und immer mehr den „Konzessionsgesellschaften“ des Imperialismus. Im Namen des Imperiums teilen sie sich Märkte und ihre Menschen, um mit beidem mehr oder weniger nach Belieben zu verfahren. Nun eignen sie sich nicht nur die Arbeitskraft der Menschen an, um an der „Uberisierung“, der „Airbnbisierung“ oder der „Amazonisierung“ zu partizipieren – sie beuten die Menschen auch noch weit umfangreicher aus: durch ihre Daten.
Drei Superkonzerne halten Anteile an fast 90 Prozent aller börsennotierten Unternehmen in den USA
Die Finanzunternehmen Blackrock, Vanguard und State Street, die „Big Three“, behauptet etwa der griechische Linkspolitiker und ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis, „besitzen praktisch den amerikanischen Kapitalismus“. Die drei Superkonzerne halten Anteile an fast 90 Prozent aller börsennotierten Unternehmen in den USA, von Banken wie JPMorgan oder der Bank of America über Industrieunternehmen wie Ford, General Motors oder ExxonMobil bis zu den Unternehmen der Tech-Milliardäre wie Apple oder Microsoft. Das funktioniert nicht zuletzt aufgrund der enormen Datenmengen, die sie gesammelt haben. Mehr oder weniger legal.
Die „Blackrockisierung“ hat auch uns erfasst: In Deutschland gehören unter anderem Bayer, BASF, Allianz und E.ON zur Einflusssphäre der US-Investmentgesellschaft und weltweit größten Vermögensverwaltung BlackRock. In der „Lobbypedia“ erfahren wir dazu: „Allein 2022 gab das Unternehmen nach eigenen Angaben circa 3,5 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus.“ Dazu gehören immer wieder auch „Berater“-Verträge mit Politikern. Friedrich Merz (CDU) war von 2016 bis Ende März 2020 Aufsichtsratsvorsitzender und Berater der Blackrock Asset Management Deutschland AG. Was es genau bedeutet, dass Deutschland einen Kanzler mit Blackrock-Vergangenheit hat, wird sich noch erweisen.
Karsten Wildberger, der „Digitalminister“, war Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group, hatte Führungspositionen bei T-Mobile, Vodafone und dem australischen Telekommunikationsunternehmen Telstra bekleidet. Über den Vorstand von E.ON SE führte der Karriereweg schließlich zu Media Markt und Saturn. Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, war Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und Vorsitzende der Geschäftsführung von Westenergie. Verena Hubertz, Bundesministerin für Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung, war 2013 Mitgründerin des Start-ups AJNS New Media GmbH, bei der die App für die crossmediale Kochplattform Kitchen Stories entwickelt wurde – 2017 mehrheitlich von einer Tochterfirma der Küchengerätefirma Bosch übernommen.
Nichts davon ist, wie man so sagt, ehrenrührig. Und doch lenkt es den Blick darauf, dass Wirtschaft und Staat an mehreren Stellen zusammenwachsen. Die Frage ist nur: Welche Folgen hat das?
Nach den Regeln des alten Kapitalismus wäre Elon Musk längst bankrott
Das zweite Bild des neuen Kapitalismus ist noch seltsamer. Der Reichtum ist nicht mehr an eine Produktion gebunden, und die Rendite ist nicht mehr der bedeutendste Antriebsmotor des Systems. Elon Musks Reichtum hat so gut wie nichts mit der Produktivität seiner Unternehmen zu tun; nach den Regeln des alten Kapitalismus wäre er längst bankrott. Neben seiner Kunst, sich bei der Marktkapitalisierung zu bereichern, ist er der größte Empfänger von Staatsgeldern, wie ihm sein Ex-Kumpel Donald Trump genüsslich vorhält.
Tatsache ist, dass sich Staat, Gesellschaft und Unternehmen wie Tesla, X, SpaceX, Starlink und Neuralink gar nicht mehr voneinander trennen lassen. Jeder ist von jedem abhängig, jeder von jedem erpressbar. In einer oligarchischen Wirtschaft löst sich das Kapital von der Rendite und bindet sich an die Besetzung von Marktsegmenten und Knotenpunkten.
Für die neue Form von Staatskapitalismus, für die der Blick gewisser Protagonisten gerne nach China und nach Russland geht, öffnet sich derweil hierzulande unerwartet eine goldene Pforte: Rüstung! Staat und Wirtschaft machen sich voneinander abhängig und räumen sich gegenseitig Wege frei. Die Rüstungsindustrie muss die Lücken füllen, die der Zusammenbruch des liberalen Welthandelssystems erzeugt hat.
Kritik und Aufbegehren müssen gewaltsam unterdrückt werden
Was in den USA als „MAGA“ zum Programm ausgerufen wurde, das geschieht in Europa unter dem Zwang der Ereignisse – vielleicht. Oligopole Macht nimmt sprunghaft zu, Staat und Wirtschaft verzahnen sich weiter, die Politiker ökonomisieren sich und die Ökonomen politisieren sich. Das Ganze findet unter einem medienwirksamen Schirm eines konservativen Kulturkampfes statt, der die Verlierer-Mittelschicht hinreichend beschäftigt. Und von Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit oder kritischer Zivilgesellschaft bleibt nicht mehr viel übrig.
Zur großen Transformation von Staat, Ökonomie und Gesellschaft, die derzeit im Gange ist, ohne dass wir uns einen rechten Reim darauf machen, gehört der auf den ersten Blick widersinnige Schulterschluss von Reichen und Superreichen mit Parteien und Bewegungen des Rechtspopulismus, des Rechtsextremismus und des Neofaschismus.
Auf den ersten Blick handelt es sich dabei vielleicht um ein Zweckbündnis. Da es so offensichtlich ist, dass der neue Kapitalismus nicht nur ein paar sagenhafte Gewinner hervorbringt, sondern auch Heerscharen von relativen und absoluten Verlierern, müssen Kritik und Aufbegehren umgeleitet – und wenn nötig mit Gewalt unterdrückt – werden.
Zur Hölle mit den anderen: So denken die modernen Oligarchen
Es geht hauptsächlich darum, eine Atmosphäre von Angst, Misstrauen und Gewalt zu erzeugen. Und Sündenböcke müssen her. Aber es steckt im von rechts ausgerufenen „Kulturkampf“, was die Vertreter der neuen Superkapitalisten anbelangt, womöglich noch ein bizarres Sendungsbewusstsein.
Der alte Kapitalist hat von sich behauptet, er habe sein Vermögen durch harte Arbeit oder wenigstens durch die seiner familiären Vorgänger erworben; seine Legitimation kommt also aus der Vergangenheit (das Kapital ist „gewachsen“). Der neue Kapitalist, der sich beim besten Willen nicht mehr auf seine eigene Arbeit berufen kann, behauptet hingegen, er und sein Unternehmen seien nichts anderes als die Zukunft. Und wer in diese Unternehmen Geld steckt – auch wenn es sich vor allem der Oligarch selber aneignet –, kauft sich dabei in die Zukunft ein.
Die Zukunft der Tech-Milliardäre, logisch, ist nicht für alle da. Sie ist vor allem weiß, männlich, puritanisch und technokratisch. Nicht alle Tech-Milliardäre müssen so offen rassistisch und sexistisch sein wie Elon Musk oder Peter Thiel, aber die Okkupation von Zukunft für einen Teil der Menschheit ist ziemlich allen eigen. Die wesentliche ideologische Gemeinsamkeit des neuen Oligarchismus kann somit auf den Punkt gebracht werden: zur Hölle mit den anderen.
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Wie viel Einfluss haben geschäftliche Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?