„Wer Grün wählt, bekommt keine braune Soße. Das macht die Union“, sagt Baerbock

Bei „Maischberger“ möchte Gregor Gysi für die Linke die Milliardäre abschaffen. Hubert Aiwanger von den Freien Wählern kennt keine links regierten Länder mit einer sogenannten Mitte. Da kann sich Annalena Baerbock als grüne Noch-Bundesaußenministerin in aller Ruhe staatstragend geben.
Der Wahlkampf läuft eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl in seine heiße Phase. ARD-Moderatorin Sandra Maischberger leitete vergangenen Sonntag zusammen mit Kollegin Maybrit Illner das TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) – ohne eindeutigen Sieger.
Im eigenen Studio von „Maischberger“ ging der TV-Wahlkampf nun weiter. Dort sprach die Moderatorin am Dienstagabend mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock über grüne Politik bei Migration und Außenpolitik mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump. Außerdem lieferten sich Gregor Gysi (Linke) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) einen Schlagabtausch über linke und rechte Wirtschaftspolitik. Das aktuelle politische Geschehen kommentierten der Kabarettist Jürgen Becker, die Autorin Susanne Gaschke („Neue Zürcher Zeitung“) und „Politico Deutschland“-Chefredakteur Gordon Repinski.
Könnten die Bürger direkt eine Koalition wählen, würde in Deutschland bald ein schwarz-rotes Bündnis regieren, 43 Prozent sprechen sich laut Forsa-Umfrage aktuell dafür aus. Dann wären die Grünen aus der Regierungsverantwortung. „Ich tue alles dafür, weiterhin diesem großartigen Land als Außenministerin dienen zu dürfen. Auch, weil Vertrauen in internationalen Beziehungen wichtig ist“, sagte Annalena Baerbock.
Sie ging zu einer Breitseite in der Migrationspolitik gegen die Union über: „Wer Grün wählt, kriegt eine Partei, die nicht Migration, Flucht und dann eine gesellschaftliche Stärke des Zusammenhalts zusammenwirft, einmal kräftig umrührt, und dann kommt am Ende braune Soße dabei raus. Das macht die Union“, sagte Baerbock.
So würden CDU und CSU mit falschen Zahlen hantieren. „Die Union hat gesagt, wir haben 130.000 Menschen Familiennachzug pro Jahr.“ Ihr Bundesamt stelle die Visa dafür aus. „Da musste ich erstmal der Union, Thorsten Frei und Friedrich Merz im Bundestag, erklären, dass der Familiennachzug vor allem für Fachkräfte ist.“ Man könne keine Fachkräfte in der Welt gewinnen, wenn man sage: „Ihre Frau können Sie leider nicht mitbringen.“
Der Familiennachzug für subsidiäre Schutzberechtigte, also Menschen, die in ihrem Heimatland Gefahren ausgesetzt sind – ist in Deutschland auf 1000 Menschen pro Monat gedeckelt. Die Union möchte den Familiennachzug begrenzen. Die Grünen wollen die Zahl ausweiten. Baerbock verteidigte dies: Es ginge um Kinder und Familien, die auf der Flucht getrennt worden seien. „Die Kinder hängen irgendwo in der Türkei oder woanders.“ Es stelle sich die Frage, so Baerbock, ob es für die Integration in Deutschland nicht besser sei, dass die Menschen zusammengeführt werden.
Baerbock: „Diejenigen, die ein Recht auf Schutz haben, die werden auch geschützt. Und Schwerverbrecher, die das Asylrecht missbrauchen, auch den Familiennachzug, die kriegen keine Visa, fallen durch die Sicherheitsprüfung durch, und wenn sie ein schweres Verbrechen begangen haben, gehören sie abgeschoben und verlieren unseren Schutzanspruch.“ So wollen die Grünen Humanität und Ordnung zusammenzudenken und nicht gegeneinander ausspielen, sagte Baerbock.
Die Außenministerin sprach auch über die neue Trump-Administration mit dem Blick auf Europa. Der neuen US-Administration könne „sehr selbstbewusst“ entgegengetreten werden, sagte sie. „Ich bin davon überzeugt, dass wir in diesen herausfordernden Zeiten als Europäer wissen müssen, wofür wir einstehen, für unsere Werte und Interessen selbstbewusst in der Welt auftreten, weil wir so viele Partner haben auf dieser Welt, die Dinge sehr ähnlich sehen wie wir.“ Europa sei der größte gemeinsame Binnenmarkt, zugleich habe man mit den USA auch weiterhin viele gemeinsame Interessen. „Eigentlich brauchen die Amerikaner uns Europäer genauso, wie wir sie brauchen“, meinte Baerbock abschließend.
Den Vorschlag des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, den Gaza-Streifen zu übernehmen, Palästinenser umzusiedeln und den Gaza-Strafen zur „Riviera des Nahen Osten“ zu machen, bezeichnete Baerbock als völkerrechtswidrig. „Israel wird auf Dauer nur in Sicherheit und Frieden leben können, wenn auch Palästinenser in ihrem eigenen Staat in Würde und in Sicherheit leben können“, sagte Baerbock.
Es werde zu einer Friedenslösung im Nahen Osten nur kommen, wenn gemeinsam, etwa mit arabischen Partnern wie Saudi-Arabien, agiert werde, bekräftigte Baerbock. Die Palästinenser hätten „natürlich“ ein Recht auf ihren eigenen Staat. Am Donnerstag treffe sie diese Partner in Paris, „damit wir gewährleisten können, dass wir diesen Waffenstillstand, der derzeit da ist, jetzt erhalten und in eine wirkliche Phase des Friedens führen.“
Während die Grünen um eine Regierungsbeteiligung kämpfen müssen, zittern die Linkspartei und die Freien Wähler um den Einzug in den Bundestag. Gregor Gysi will mit seiner Linkspartei wieder rein, die Umfragewerte sind derzeit knapp über der Fünfprozenthürde. Hubert Aiwanger möchte mit seinen Freien Wählern erstmals ins Bundesparlament und hofft dafür auf Direktmandate.
In der Diskussion bei Maischberger schenkten sich die beiden Politiker erwartbar nichts und sprachen hauptsächlich über ihre unterschiedlichen Auffassungen von Wirtschaftspolitik. Aiwanger ist bayerischer Wirtschaftsminister, Gysi war 2002 für einige Monate Wirtschaftssenator in Berlin (damals noch PDS-Mitglied), bevor er wegen einer Bonusmeilen-Affäre zurücktrat.
Wirtschaftspolitisch seien sie „auf zwei verschiedenen Ufern“, sagte Aiwanger. Sozialismus versus freie Marktwirtschaft. Gysi entgegnete, er habe aus beiden Systemen gelernt. Dann stritten sie im rasanten Schlagabtausch über geförderten und sozialen Wohnungsbau, die Sinnhaftigkeit der Mietpreisbremse und Steuern.
Die Linke wirbt im Wahlkampf mit der Forderung „Milliardäre abschaffen“. Der Milliardär besitze 1000-mal eine Million, rechnete Gysi vor. Während eine Mittelstandsfamilie durchschnittlich 44 Prozent an Steuern für alle Einnahmen zahle, zahle eine Milliardärsfamilie nur 23 Prozent. „Warum muss alles die Mitte in Deutschland bezahlen? Die Mitte geht langsam kaputt, und wenn die Mitte kaputt ist, können wir denen unten nicht mehr helfen und die oben können auch nicht mehr existieren“, sagte Gysi.
Da konterte Aiwanger direkt: „Sagen Sie mir ein Land, das links regiert wird und wo die Mitte profitieren würde. Dort gibt es nirgends eine Mitte.“ Dort gebe es nur ein paar reiche Parteifunktionäre und armes Volk. „Die Mitte gibt es nicht in Ihrem Gesellschafts- und Politmodell.“ Die Milliardäre wurden bei einer so starken Steuerschraube, wie sie die Pläne der Linken seien, ins Ausland abwandern, meinte Aiwanger. Man könne dafür auch eine Umzugssteuer erheben, schlug Gysi dagegen unter anderem vor.
Source: welt.de