Wenn die KI den Feuerbefehl gibt

Künstliche Intelligenz (KI) spielt in der Rüstungsindustrie eine immer größere Rolle. Nun haben der schwedische Rüstungskonzern Saab und das deutsche Rüstungs-Start-up Helsing den erfolgreichen Test eines sogenannten KI-Agenten im Cockpit des Kampfjets Gripen E bekannt gegeben. Wie die beiden Unternehmen am Mittwochmorgen mitteilten, kam die Software mit dem Namen „Centaur“ von Helsing bei drei Flügen über der Ostsee Ende Mai und Anfang Juni zum Einsatz.

Centaur übernahm dabei vom Piloten die Kontrolle über das Militärflugzeug und führte nach Unternehmensangaben komplexe Manöver in einer Kampfumgebung aus. Zur Demonstration nahm der Pilot dabei auch kurzzeitig die Hände von der Steuerung. Simuliert wurde eine sogenannte BVR-Situation (Beyond visual range), also außerhalb der Sichtweite.

Im letzten Test wurde der Luft-Luft-Kampf gegen eine weitere Gripen-Maschine simuliert. Dabei wurden kontinuierlich Echtzeitdaten verarbeitet für die Ortung, Verfolgung und Bekämpfung des Gegners. Am Ende gab Centaur dem Piloten auch Feuerbefehle.

„Zukunft des Luftkampfs in Europa“

Wie weit autonome Waffensysteme in Zukunft gehen dürfen, ist eine der entscheidenden Fragen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz in Waffensystemen. Die Einbindung des Menschen in automatisierte Entscheidungsprozesse („human in the loop“) steht dabei mit der wachsenden technikgetriebenen Dynamik im Kampfgeschehen in Konflikt.

Im Cockpit saß während der Flüge Testpilot Marcus Wandt, der gleichzeitig als Chief Innovation Officer von Saab das Projekt betreut. Wandt sprach angesichts der erfolgreichen Tests von der „Zukunft des Luftkampfs, die sich gerade in Europa abspielt“.

DSGVO Platzhalter

Beide Unternehmen wiesen in Stellungnahmen darauf hin, dass das Ergebnis in weniger als sechs Monaten von der Konzeption bis zu den Live-Flügen erreicht worden sei. Auftraggeber war das schwedische Verteidigungsministerium. „Diese Testflüge sind ein wegweisender Schritt im autonomen Luftkampf und ein Wendepunkt für die Zukunft der europäischen Verteidigung“, sagte Stephanie Lingemann, leitende Managerin von Helsing.

Es sei gelungen, fortschrittliche KI-Fähigkeiten mit der Software de Gripen E in Rekordzeit zusammenzuführen. „Dies unterstreicht den schnellen Leistungszuwachs, den eine moderne, softwaredefinierte Verteidigung bieten kann.“

Jahrzehntelange Erfahrung in 24 Stunden antrainiert

Peter Nilsson, Leiter des Programmes von Saab, betonte, man werde die Einsatzmöglichkeiten von KI-Agenten weiterentwickeln und verfeinern. Wann die Centaur-KI an Kunden ausgeliefert werden kann und wieviel ein solches System kosten könnte, dazu machten die Unternehmen auf Nachfrage keine Angaben.

Mission abgeschlossen: Saab-Manager und Testpilot Marcus Wandt
Mission abgeschlossen: Saab-Manager und Testpilot Marcus WandtSaab

Von einer „neuen Ära der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit“ sprach Antoine Bordes, Vizepräsident Künstliche Intelligenz von Helsing. Centaur sei von Helsing in großem Umfang trainiert worden und habe in nur 24 Stunden jahrzehntelange Erfahrung im virtuellen Luftkampf gesammelt. „In der aktuellen Entwicklungsphase bietet Centaur schon Fähigkeiten auf menschlichem Niveau zur Steuerung von Flugzeugen bei hochkomplexen Missionen und wird menschliche Piloten entscheidend dabei unterstützen, unseren Luftraum vor gleichwertigen Gegnern zu schützen“, erklärte der Franzose, der zuvor unter anderem neun Jahre für den US-Konzern Meta auf dem Gebiet Künstliche Intelligenz gearbeitet hat.

Saab AB ist ein schwedischer Flugzeug- und Rüstungskonzern, der auf die selben Ursprünge zurückgeht wie der mittlerweile nicht mehr existierende Autohersteller. Der Konzern beschäftigt rund 25.000 Mitarbeiter und stellt sowohl zivile als auch militärische Flugzeuge her, darunter Mehrzweckkampfjets der Gripenreihe. 2023 erteilte die Bundesregierung Saab und Helsing den Auftrag, den Eurofighter für elektronische Kämpfe aufzurüsten.

Helsing ist ein erst vier Jahre altes Unternehmen aus München, dass sich auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rüstungsbereich spezialisiert hat. Bekannt wurde das Unternehmen durch die Produktion eigener Kampfdrohnen, die in der Ukraine zum Einsatz kommen. Das neueste Modell HX-2 wird derzeit ebenso wie ein Produkt des Konkurrenten Stark auch von der Bundeswehr getestet. Helsing gilt mit einer Bewertung von rund fünf Milliarden Euro als höchstbewertetes Rüstungs-Start-up in Europa und fährt einen starken Expansionskurs. Anfang Juni gab das Unternehmen den Kauf des bayerischen Flugzeugherstellers Grob Aircraft bekannt und erweiterte damit seine Produktionskapazitäten.