Wenn die Europäer in die Zoll-Schlacht ziehen, tun sie Trump verknüpfen Gefallen

Europa sollte den US-Präsidenten beim Wort nehmen. Trump geht es bei den Zöllen womöglich nicht um einen Deal, sondern um eine Abwicklung der Globalisierung. Ein Handelskrieg würde ihm diesem Ziel näher bringen.

Da hat er doch tatsächlich schnell ernst gemacht. Donald Trump verhängte nur Tage nach seinem Wiederantritt als US-Präsident Zölle gegen Mexiko, Kanada und China. Und setzte sie gleich teilweise wieder aus. Trump tut, was er am besten kann: Er verbreitet Verwirrung über seine Absichten. Und prompt gehen ihm seine Widersacher auf den Leim. Kanadas scheidender Premierminister Justin Trudeau etwa droht Gegenzölle in gleicher Höhe an, China setzt sie schon um. Die EU, die bereits vor einem ähnlichen Zoll-Schlag zittert, prüft bei ihrem Gipfeltreffen ähnliches.

Ottawa und Brüssel glauben offenbar, Trump strebe einen Deal an, an dessen Ende beide Seiten ihre Zölle zurücknehmen – im Gegenzug für den ein oder anderen LNG-Vertrag oder höhere Verteidigungsausgaben. Das aber bedeutet: Sie nehmen Trump und die ihn umgebenden Ideologen nicht beim Wort. Das ist ein Fehler.

Schon im Wahlkampf hat Trump mehrfach klargemacht, dass er Zölle nicht in erster Linie als Verhandlungsmasse sieht, sondern als Zweck an sich. Er verweist darauf, dass sich die USA auf Bundesebene bis zum frühen 20. Jahrhundert nicht über eine Einkommenssteuer finanzierten, sondern über Zolleinnahmen. Seine öffentlich vertretene These: Dank der Einnahmen aus Zöllen könnte das Land die Steuern enorm senken. Zudem passen Zölle zu seiner Sicht der Weltwirtschaft als Verteilungskampf und Nullsummenspiel.

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Trump spricht von einem großen Realexperiment: Er will globalisierte Konzerne über dauerhafte Zölle zwingen, Jobs zurück in die USA zu verlagern. Zusätzliche Zugeständnisse von Staaten wie Mexiko etwa bei der Grenzsicherung sind für ihn dabei nur Beifang.

Trumps Gegenspieler sollten in Erwägung ziehen, dass Trump das genau so meint, wie er sagt – auch wenn es gegen alle Erkenntnisse der etablierten Volkswirtschaftslehre geht. Die korrekte Einschätzung seiner Motive hat enorme Konsequenzen für die richtige Reaktion: Falls Trump wirklich eine dauerhafte, fundamentale Teil-Abwicklung der Globalisierung und des (zoll-)freien Welthandels will, spielt ihm ein eskalierender Handelskrieg in die Karten. Wenn die Handelspartner der USA ihrerseits hohe Zölle verhängen, normalisiert das den Einsatz solcher Handelsbarrieren und macht aus Trumps Sonderweg eine allgemeine Praxis. Gemeinsam würden sie die Globalisierung effektiv bremsen – und hätten so ungewollt Trumps Ziel erreicht. Und umso schwieriger würde es für Trumps Nachfolger, die Zölle wieder zu streichen.

Europa sollte Ruhe bewahren

Die Antwort mit eigenen Zöllen ist also ein Irrweg für liberale Freihandelsbefürworter, sofern es Trump wirklich Ernst ist. Die richtige Antwort auf eine ideologische Zollpolitik wäre dann vielmehr, Ruhe zu bewahren und die eigenen Grenzen für Güter offenzuhalten.

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Denn nach den Regeln der Ökonomie schaden US-Zölle auf mittlere Sicht vor allem der Volkswirtschaft des eigenen Landes. Ein eskalierender Handelskrieg würde diese Tatsache allerdings vernebeln und von Trumps Fehleinschätzung ablenken. Wenn die Europäer in eine solche Zoll-Schlacht ziehen, tun sie dem US-Präsidenten einen Gefallen.

Source: welt.de