Weiter Protest gegen Justizreform in Israel

Kurz vor dem geplanten Besuch von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Berlin dauert die Kritik an dessen Plänen für eine Justizreform an. Am Dienstag forderten rund 1000 israelische Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler in einem Brief an die Botschafter Deutschlands und Großbritanniens, Netanjahu nicht in Berlin und London zu empfangen.

Israel befinde sich in der schwersten Krise seiner Geschichte und „auf dem Weg von einer lebendigen Demokratie zu einer theokratischen Diktatur“, zitierte die Zeitung „Haaretz“ aus dem Brief. Netanjahu soll am Donnerstag in Berlin von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen werden. Für die zweite Märzhälfte ist ein Besuch in London geplant.

In der Nacht zu Dienstag hatte die Knesset einen wesentlichen Teil des umstrittenen Gesetzesvorhabens in erster Lesung angenommen. Durch ihn bekäme das Parlament die Möglichkeit, mit einfacher Mehrheit verfassungsähnliche Grundgesetze zu ändern und Einwände des Obersten Gerichtshofs zu überstimmen. Zuvor hatte die Knesset schon in erster Lesung für einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Möglichkeit einschränkt, dass die Justiz den Ministerpräsidenten für amtsunfähig erklärt – etwa wenn Netanjahu in einem derzeit gegen ihn laufenden Korruptionsprozess verurteilt würde.

Das Momentum der Opposition

Beide Entwürfe erhielten die Stimmen von Netanjahus ultrarechter Regierungskoalition. Dennoch scheint auch innerhalb von dessen Likud-Partei der Unmut über den Umgang mit der Reform zu wachsen. Die Zeitung „Yedioth Ahronoth“ zitierte am Dienstag aus einer Fraktionssitzung, in der ein ranghohes Parteimitglied beklagt habe, dass die Opposition derzeit die Agenda diktiere und durch die seit rund zehn Wochen andauernden Proteste das Momentum auf der Straße habe – „und wir haben nichts“.

Der Ärger richtet sich offenbar auch gegen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir von der Partei „Jüdische Stärke“, der den Protesten durch seine „dummen und schädlichen Äußerungen“ weiteren Zulauf verschaffte, wie die Zeitung einen weiteren Wortbeitrag zitierte. Ben-Gvir müsse sich entscheiden, „ob er Minister im Kabinett sein wolle oder Mitglied der Opposition“.

Ben-Gvir hatte zuletzt auch innerhalb der Polizei Protest ausgelöst, als er ein härteres Vorgehen gegen die gegen seine Regierung gerichteten Proteste forderte und den Polizeichef von Tel Aviv absetzte, was allerdings vorerst von der Justiz gestoppt wurde. Das Armeeradio berichtete am Dienstag, der Chef der israelischen Polizei, Yaakov Shabtai, habe ein geheimes Treffen mit seinen Amtsvorgängern abgehalten, in dem große Sorge über die Amtsführung Ben-Gvirs geäußert worden sei.

Source: faz.net