Was Kreuzfahrt-Anbieter an ihren Passagieren verdienen

Kreuzfahrten erleben nach schwierigen Jahren wieder einen Boom, wie neue Zahlen zeigen. Und Deutschland gehört zu den größten Märkten. Wie lukrativ das Geschäft ist und welche Reisen besonders beliebt sind.

Bevor sie mit Passagieren an Bord in See stechen, gehen neue Kreuzfahrtschiffe auf Testfahrt. So ist in diesen Wochen etwa „Mein Schiff Relax“, ein Neubau der Reederei Tui Cruises, auf dem Mittelmeer unterwegs.

Der Kapitän übt Fahrmanöver wie den „Williamsen Turn“, das Mann-über-Bord-Manöver, das später auf Reisen hoffentlich nie gebraucht wird. Auch eine Vollbremsung gehört dazu, selbst wenn die eine Weile dauert: Der Bremsweg aus der Reisegeschwindigkeit von 21,5 Knoten (40 km/h) beträgt rund zwei Kilometer.

Anfang April soll das Schiff, das auf der Werft von Fincantieri im norditalienischen Monfalcone gebaut wird, im spanischen Málaga getauft werden. Die Taufreise mit rund 4000 Passagieren an Bord ist bereits weitgehend ausgebucht.

Auch wenn die Branche wegen ihres hohen Ausstoßes am klimaschädlichen CO₂ in der Kritik steht: Der weltweite Markt für Hochseereisen boomt. Dominiert wird er von der US-Reederei Royal Caribbean, dahinter kommen – mit Abstand – die ebenfalls amerikanischen Norwegian Cruise Line und Carnival Cruise Line.

Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigen die Buchungszahlen wieder. So zum Beispiel bei Tui Cruises: Der Anbieter aus Hamburg, mit einem weltweiten Marktanteil von drei Prozent vergleichsweise klein, verbuchte 2024 mit derzeit sieben Kreuzfahrtschiffen eine Auslastung von rund 100 Prozent.

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Weltweit erreichte die Kreuzfahrtbranche im vergangenen Jahr einen Umsatz von 41 Milliarden Euro. Bis 2029 soll der Markt jährlich um knapp fünf Prozent wachsen, wie eine Studie des Datenportals Statista Market Insights ergibt.

Erwartet wird dann die Zahl von 48,5 Millionen Kreuzfahrtpassagieren. Dennoch bleibt der Urlaub auf See ein Nischengeschäft: Der Anteil der Kreuzfahrtgäste an der Gesamtbevölkerung wird demnach von derzeit 0,5 Prozent bis 2029 gerade einmal auf rund 0,6 Prozent steigen.

Wegen der guten Aussichten für die Branche investieren die Reedereien in Neubauten. Wie die Schifffahrtsorganisation Baltic and International Maritime Council errechnet hat, lag der Anteil der aktuell bestellten Kreuzfahrtschiffe im Verhältnis zur Bestandsflotte im vergangenen Oktober bei 23 Prozent.

Dahinter stehen Order im Wert von 57 Milliarden Euro. Die größte Nachfrage nach Kreuzfahrten herrscht in den USA, gefolgt von Europa, Asien und Australien. Die umsatzstärksten Märkte in Europa sind Deutschland und Großbritannien. Das Geschäft mit Hochseereisen ist in den Vereinigten Staaten jedoch sieben Mal größer als in den beiden Ländern.

Als durchschnittlichen Umsatz je Kreuzfahrtkunde im vergangenen Jahr nennt die Studie von Statista Market Insights gut 1200 Euro. Überraschend ist, dass Urlauber ihre Seereisen nur in geringem Umfang über den Onlineverkauf buchen, der Anteil liegt bei 22 Prozent. Das heißt: Vier von fünf Buchungen gehen über Reisebüros oder Agenturen der Reedereien.

Dass „Mein Schiff Relax“ aus Italien stammt, kommt nicht von ungefähr. Anders als bei Frachtschiffen spielen in der Kreuzfahrt chinesische Staatswerften keine Rolle. Mehr als 90 Prozent der Neubauten werden in Europa gefertigt – vornehmlich in Deutschland, Italien und Frankreich.

Die Schiffbauer Meyer Werft aus Papenburg, Fincantieri aus Triest und Chantiers de l’Atlantique aus Saint-Nazaire dominieren das weltweite Neubaugeschäft. Grund dafür sind die hohen Ansprüche von Reedereien und Passagieren.

Kreuzfahrtschiffe sind technische Wunderwerke, zum Beispiel wegen aufwendigen Ausstattungen für Unterhaltung oder Sportaktivitäten. Die Neubaupreise sind entsprechend hoch: zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro.

Für diese Summen bekommt eine Frachtschiffreederei fünf große Containerschiffe aus asiatischer Fertigung.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.

Source: welt.de