Warum Kamelritte an den Pyramiden verboten werden

In Ägypten gehört Kamelreiten für viele Touristen zum Ferienspaß. Ob als Ausritt zu den Pyramiden von Gizeh, als Runde auf dem Kamelmarkt von Birqash nördlich von Kairo oder als Karawane durch die Wüste: Solch ein Kamelritt ist beliebt, eine typische Touristenattraktion – und dazu auch noch vergleichsweise billig. Das Ganze kostet meist nur ein gutes Dutzend Euro.

Man setzt sich also auf das liegende Kamel. Üblicherweise liegt über dem Rücken mit den Höckern eine verzierte bunte Decke, etwas Halt gibt ein provisorischer Sattel mit Griff. Dann steht das Tier ruckartig auf. Es blökt, grunzt und gurgelt. Am Strick vom Kamelführer, oft angetrieben von Stockhieben, läuft es dann ein paar Schritte in schaukelndem Passgang.

Die Beine einer Seite hebt das Kamel dabei gleichzeitig an, was den Reiter wie bei hohem Seegang hin und her schwanken lässt. Das finden Urlauber lustig und machen Selfies, aber über die vernarbten oder frischen Stockstriemen auf den Hinterteilen vieler Kamele machen sich die meisten keine Gedanken.

Das Leid der Tiere entsetzt auch manche Urlauber

Andere Touristen kritisieren jedoch auf internationalen Bewertungsportalen wie Tripadvisor: „Verletzte Kamele, die ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Arbeit gezwungen werden. (…) Wir haben darauf aufmerksam gemacht und das Personal hat uns ignoriert.“ Oder: „Sehr schlechter Tierschutz bei den Kamelen und Pferden, unter den Decken sind sie wandelnde Skelette. Reite nicht auf diesen armen Tieren, das ist Tierquälerei.“

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Diese erhabenen Wüstenschiffe von einst, die als lebensnotwendige Karawanen zu Tausenden durch die Wüsten zogen, sind heute in den Touristenzentren Ägyptens zu Schaukelpferden verkommen. Es geht um den schnellen Profit der Händler. Dabei spielt das Wohl der Tiere kaum eine Rolle.

Die ägyptische Regierung ist sich des Problems seit Langem bewusst. Der Missbrauch von Arbeitstieren in Ägypten verstößt gegen Artikel 45 der Verfassung des Landes, in dem es heißt: „Gewährleistung einer humanen Behandlung von Tieren“.

Ein blutendes Kamel auf dem Kamelmarkt von Birqash
Quelle: Peta

Deshalb hat das ägyptische Tourismus-Ministerium bereits im Oktober 2020 angekündigt, dass touristisches Kamelreiten und auch Pferdekutschen in der Umgebung der Pyramiden von Gizeh und in archäologischen Stätten verboten werden sollen. Künftig sollen dort nur noch Elektroautos und Elektro-Tourenbusse Touristen transportieren.

Yvonne Würz, promovierte Biologin und Fachreferentin der internationalen Tierschutzorganisation PETA, sagt: „Im Gespräch mit dem Ägyptischen Tourismus-Ministerium auf der ITB in Berlin haben wir erfahren, dass sich die Einführung von E-Wagen aufgrund der Corona-Pandemie verzögert habe, aber in circa drei Monaten damit begonnen werden soll.“

Kamele auf einem Markt in Ägypten gefoltert

PETA Asia hat neues Filmmaterial aus Ägypten erhalten, das den Missbrauch von Kamelen auf dem Kamelmarkt von Birqash zeigt. Man sieht einen Lastwagen, der ein festgebundenes Kamel an seinem Bein die Straße hinter sich her schleift. Die Aufnahmen zeigen auch Kamele mit blutigem Gesicht und Personen, die die Tiere immer wieder auspeitschen und schlagen, bis sie brüllen.

Ein Lastwagen schleift ein ausgezehrtes Kamel hinter sich her
Quelle: Peta

Sind die Kamele irgendwann zu ausgezehrt für Touristenritte, verkauft man sie an den Schlachter. „Jedes Mal, wenn jemand online ein Foto von sich auf einem Kamel postet, steht dahinter eine von Gewalt geprägte Industrie“, sagt die PETA-Vorsitzende Ingrid Newkirk.

Nach den ersten veröffentlichten Videos der Tierschutzorganisation PETA von blutig geschlagenen Kamelen und nachdem die Gesellschaft zum Schutz der Tierrechte in Ägypten eine offizielle Beschwerde eingereicht hatte, wurden bereits 2019 drei Personen verhaftet. Sie wurden verdächtigt, Kamele auf dem Kamelmarkt von Birqash gefoltert zu haben.

Auf dem Markt von Birqash schlägt ein Mann mit einem Stock auf ein Kamel ein
Quelle: Peta

Nach Angaben des Gouverneurs von Gizeh wurden daraufhin Überwachungskameras installiert, Händler über die ordnungsgemäße Pflege der Tiere informiert und Veterinäre auf dem Markt eingesetzt, um kranke Tiere zu versorgen.

Perfekt an das Leben in der Wüste angepasst

Kamele gelten in der arabischen Kultur als schützenswerte Tiere. Im Arabischen heißen sie, je nach Dialekt, Gamal oder Jamal. Sie werden auch Ata Allah, Geschenk Gottes, genannt. Das ist der arabische Name der Beduinen für das Dromedar (camelus dromedarius) mit einem Höcker, auch arabisches Kamel genannt. Sie liefern Milch, Fleisch, Wolle, dienen als Zahlungs- und Fortbewegungsmittel.

Es sind kluge und intelligente Tiere, die gegenüber ihren Besitzern sehr anhänglich sein können. Kamele haben sich perfekt an das Wüstenleben angepasst und sind wahre Überlebenskünstler: Bis zu einem Monat können sie ohne Wasser auskommen, dafür trinken sie bei Bedarf bis zu 120 Liter in einem Rutsch.

Das Wasser wird übrigens nicht im Höcker gespeichert. Tatsächlich ist es ein Fettbuckel zur Notreserve. An ihm können Touristen erkennen, ob ein Kamel gepflegt wird und ausreichend Futter bekommt: Wenn ein abgemagertes Tier seinen Fetthöcker nutzten muss, wird der nach Angaben von Kamelzüchtern faltig und eingefallen, hängt seitlich über. Durch Fressen und einige Tage Ruhe rückt der Höcker wieder in seine aufrechte Stellung.

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Übrigens: Wer als Urlauber auf ein Kamel steigt, trägt das Risiko eines Unfalls selbst. Das Amtsgericht München hatte bereits 2014 die Schadenersatzklage eines Pauschaltouristen abgewiesen, der in Ägypten von einem scheuenden Kamel gestürzt war.

Der Urlauber erlitt dabei Rippenbrüche und Brustkorbprellungen. Er verlangte nach seiner Rückkehr Schmerzensgeld und Schadenersatz vom Veranstalter, bei dem er den Kamelritt gebucht hatte. Doch das Amtsgericht München urteilte: Von einem Kamel gehe nun einmal wie von anderen Tieren ein Risiko aus, dieses sei weder dem Kamelführer noch dem Reiseveranstalter zuzurechnen (Aktenzeichen: 111 C 30051/14).

Source: welt.de